zur startseite
zum archiv
Right
at your Door
1973 ließ George A. Romero in „The Crazies“
eine amerikanische Kleinstadt durch bakteriologisch verseuchtes Trinkwasser
dem Wahnsinn verfallen und nutzte dieses Setting für eine Beschreibung
des rücksichtslosen Vorgehens des Militärs gegen die Bevölkerung.
Die Gefahr einer Erosion der bestehenden Ordnung manifestierte sich nicht mehr,
wie noch in den Science-Fiction-Produktionen der 60er Jahre, in Gestalt eines
äußeren Feindes, dem es kollektiv zu Leibe zu rücken galt, sondern
nistete sich sukzessiv in den eigenen Reihen ein und konturierte fortwährend
eine wachsendes Unbehagen ganz irdischer Natur. Dies war nicht zuletzt auch
Resultat einer Skepsis an der Integrität der Regierungsvertreter, wie sie
sich mit Watergate zunehmend auch in den Produktionen in und rund um Hollywood
niederschlug und die düsteren Zukunftsprognosen direkt in die Gegenwart
verankerte.
In seinem Debüt „Right at your door“ greift
Regisseur Chris Gorak dieses Motiv, die selbstverschuldete Apokalypse, auf,
verlegt es in die Suburbs von Los Angeles unter den besonderen Vorzeichen einer
von 9/11 traumatisierten Gesellschaft. Dabei fallen die Grenzen zwischen dystopischer
Science Fiction und sozialkritischem Katastrophenfilm relativ fließend
aus.
In den eine permanente Furcht suggerierenden Bildern
der Handkamera wird die Geschichte von Brad (Rory Cochrane) und Lexi (Mary McGormack)
erzählt, deren Alltag von der plötzlichen Meldung mehrerer Explosionen
von Bomben in der Innenstadt und ihrer näheren Umgebung erschüttert
wird. Hier konzentriert sich der Film zunächst einzig auf die Figur Brads,
seinen Unwillen, die Gefahr zu realisieren und seine fruchtlose Versuche, Lexi,
die sich mitten im Zentrum der Detonationen befindet, erst via Telefon zu kontaktieren
und dann mit dem Auto aufzusuchen. Als die Meldung herausgegeben wird, dass
die Bomben mit einem unbekannten, lebensgefährlichen Giftgas angereichert
sind, beginnt er sich zusammen mit seinem Nachbarn Alvaro (Tony Perez) im Haus
zu verbarrikadieren und es hermetisch abzusichern. Plötzlich taucht Lexi
auf, von giftiger Asche übersät, doch aus Angst infiziert zu werden
verweigert Brad ihr den Einlass. Während das Militär mit rigoroser
Härte zur Jagd auf die verseuchten Opfer ansetzt, muss er hilflos mitansehen,
wie Lexis Sterbeprozess fortschreitet, nicht ahnend, dass sein eigener Tod längst
besiegelt ist.
Mit 9/11 wurde eine Verwundbarkeit der inneren Sicherheit
dokumentiert, die den bisher bloß abstrakt gewähnten massenhaft todbringenden
Wahn terroristischer Attentate direkt ins Herz der Urbanität katapultierte.
Gorak macht sich diese Voraussetzung insofern zu Nutze, indem er sie zur Grundlage
seiner Inszenierung erhebt, wenn er die Katastrophe im Kleinen erfahrbar werden
lässt und somit den klassischen Topos des Katastrophenfilms revitalisiert
(denn im Gegensatz etwa zu „The
Day after Tomorrow“ bleibt die Perspektive
einzig auf die beiden Protagonisten beschränkt). Bilder einer Massenpanik
bleiben aus, lediglich die Rauchschwaden über der Skyline und der Ascheregen
zeugen von der Authentizität der Gefahr. Über die Hintergründe
und Motivationen der Anschläge gibt es keine Erklärung. Brads Kontakt
zur Außenwelt seines vermeintlichen Refugiums erfolgt einzig über
das Radio. Die dort verbreiteten Informationen beschränken sich lediglich
auf Instruktionen zur Sicherheitsvorkehrung. Auf diese Weise tangiert der Film
die Grenzen zur dystopischen Science Fiction, denn durch diese Undurchschaubarkeit
erweisen sich die Sicherheitskräfte selbst als omnipotente Gefahr, und
die Geschichte gerinnt zur kritischen Schilderung der politischen Willkür
zur Herrschaftsstabilisierung im absoluten Inferno, der auf der Mikroebene einzig
mit Fügung zu begegnen verbleibt. Auch wenn Brads Angst vor einer Infizierung
Lexi zur Aussätzigen stempelt, also die sozialdarwinistischen Mechanismen
des Überlebenskampfes im Ausnahmezustand zutage zu treten scheinen, problematisiert
der Film vielmehr das Verhältnis von struktureller All- und individueller
Ohnmacht im Antlitz des Ausnahmezustandes.
"Was wir über unsere Gesellschaft, ja über
die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien"
lautet das berühmte Diktum Niklas Luhmanns und es gewinnt spätestens
zum Schluss an grimmiger Doppeldeutigkeit: Trotz all der penibel befolgten Sicherheitsvorkehrungen
ist Brads Haus hoffnungslos vom Erreger befallen und wird – mit ihm als Überlebenden
– sogleich chemisch entgiftet, wohingegen Lexi eine geringe Überlebenschance
eingeräumt werden kann. Es ist also nicht nur der – notgedrungen – selektive
mediale Zugriff, der den Blick auf die Realität präformiert, sondern
auch der Glaube an die Wahrhaftigkeit der dargebotenen Informationen, der sich
in letzter Instanz gegen den Rezipienten selbst richten kann und im Falle Brads,
nach bestem Wissen und Gewissen handelnd, zum Selbstbegräbnis führt.
So erfasst bereits der Titel „Right at your Door“ alle Elemente der latenten
Zerstörung aller individuellen Sicherheiten: Weder das Kollektiv, noch
die zwischenmenschlichen Beziehungen, nicht einmal das Versprechen der Intimität,
der eigene Wohnraum, bieten Hoffnung zum Überleben. Diese Drastik offeriert
einen nicht zu verachtenden Kontrast zum auch in diesem Jahr bereits vorangekündigten
Sommer der Se- und Prequels. Dass „Right at your Door“ indes keine Kinoauswertung
spendiert wurde, scheint, angesichts jüngster DVD-Premieren wie Gilliams
„Tideland“, Friedkins „Bug“ oder demnächst Woody Allens „Cassandra’s Dream“,
mittlerweile wohl als bitterere Realität filmökonomischer Veröffentlichungspolitik
schlicht geschluckt werden zu müssen.
Sven Jachmann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Right
at your door
USA 2006
Regie:
Chris Gorak
Darsteller:
Rory Cochrane, Mary McGormack, Tony Perez u.a.
Länge:
ca. 96 Min.
FSK:
ab 16
DVD
EAN:
0886970400893
Erschienen
bei: Senator Film Verleih: Autobahn
Veröffentlichungsdatum:
04.02.2008 (Kauf)
Bildformat:
1,78:1 (anamorph)
Ton/
Sprache: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel:
Deutsch, Englisch
Extras:
Audiokommentar des Regisseurs, Interview mit dem Regisseur, Featurette, alternatives
Ende als Skript, Trailer
zur startseite
zum archiv