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Ring
(Japan,
1998)
Video
rein, Alltag raus!
Seine
ungemeine Faszinationskraft bezieht RING - DAS ORIGINAL vor allem aus der gelungenen
Verquickung einer gruseligen Geistergeschichte mit der schieren Undurchdringlichkeit
unserer modernen medialen Lebenswelten. Die Kanäle, über die die Menschen
kommunizieren, Informationen erhalten, muten dem einzelnen nicht selten wie
geisterhaft an. Nicht umsonst ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien
rund um die Medienwelt. Die Skepsis ob der medialen Verfügbarkeit und Steuerung
jedweder Information, ist selbst heute, im 21. Jahrhundert, eine noch immer
häufig anzutreffende, mündet nicht selten in hysterische Paranoia
vor Manipulation und Machtmißbrauch. Was Wunder also, dass gerade der
Horrorfilm sich immer wieder unseren Kommunkationskanälen zuwendet, darin
das Grauen sucht und nicht selten wirkungsvoll zutage fördert!
In
RING - DAS ORIGINAL geschieht dies in zweierlei Hinsicht. Da ist einerseits
natürlich, klar ersichtlich, die Geschichte: um ein Videoband geht es da,
darauf seltsam-surreale Aufnahmen, nach dessen Sichtung man einen mysteriösen
Anruf erhält, der den eigenen Tod in exakt 7 Tagen verkündet - die
eigentlich voneinander losgelöst funktionierenden Kommunikationskanäle
"Telefon" und "audio-visuelle Medien" verquicken sich in
einer unheilvollen Allianz, der einzelne versinkt im Dickicht dieser medialen
Stränge, verliert die Souveränität über die eigene Existenz,
stirbt.
Doch
dann geht es auch noch um urbane Mythen. Wie sie entstehen, ihren Weg zu uns
finden. Jeder, vor allem natürlich die Teenager, denn die sind für
solche Geschichten am empfänglichsten, stehen sie doch noch in der Welt
zwischen kindlicher Traumwelt und dem Realismus der Erwachsenenwelt, weiß
von jener ominösen Videokassette, jeder kennt jemanden, der jemanden kennt,
der daran gestorben sei. Doch jeder erzählt die Geschichte anders, mit
leichten Nuancenverschiebungen, neuen Deutungen. Als die Reporterin Reiko Asakawa
diesen Mythos für ein TV-Magazin untersucht, werden ihr unterschiedliche
Deutungen, unterschiedliche Herkunftsgeschichten erzählt. Als sie mit Hilfe
ihres Ex-Ehemanns weiterforscht, gerät sie selbst in ein Dickicht dieses
urbanen Mythos, tastet sich ihm aber dennoch bedächtig näher. An einer
Stelle fragt sie, wo solche Geschichten ihren Anfang nähmen, eine Ur-Situation
müsse es doch geben - ihr Ex-Gatte verneint dies etwas grimmig, solche
Geschichten hätten keinen Anfang. Der Mythos als Käseglocke also,
der unheilvoll, todbringend über den Menschen schwebt, sich durch sie bewegt.
Auch hier verliert sich der einzelne in der sozialen Atomisierung, analog zu
den Großraumbüros, in denen Reiko ihrer Arbeit nachgeht. Dass sich
im Zentrum des Geschehens zudem eine sich zunehmend auflösende Kleinfamilie
befindet, verwundert nur wenig. Zufluchts- und Rückziehungsmöglichkeiten
gibt es in der Welt von RING nicht mehr - alles ist durchdrungen, offen, blank.
Reikos
Suche nach dem Geheimnis führt schließlich raus aus der Metropole,
hinaus zu einer Insel, wo die beiden Ex-Eheleute, zunehmend unter Zeitdruck,
denn nicht nur Reiko, sondern auch der kleine Sohn hat das Videoband gesehen
und ist bedroht, der Geschichte langsam auf die Spur kommen. Hier beginnt der
Film schließlich in die klassischen Welten des gothischen Gruslers einzutauchen,
erzählt eine melodramatische wie furchteinflößende Geistergeschichte.
Um einen Geist geht es dann also, ein Geist, der die wiederum geisterhaften
Verstrickungen unserer Medien- wie urbanen Mythenwelt gleichermaßen nutzt,
um den Schrecken unter die Menschen zu bringen, sich für zu Lebzeiten erduldetes
Leid zu rächen.
Eine
Potenzierung des Schreckens also, hier das unfassbare, geisterhafte Wesen, dort
das unfassbare, geisterhafte Medienrauschen, beides verquickt im grieseligen
Videobild. Selten hat man sich, selbst ob, im wahrsten Sinne des Wortes, erschreckend
einfachster, inszenatorischer Mittel, so gegruselt wie hier. Am Ende dann eine
erschreckende wie, in Hinsicht auf den vorangegangenen Film, pessimistische
Auflösung. Seit Linda Hamilton, damals, am Ende von THE
TERMINATOR,
sah man keine Frau mehr so trostlos mit einem Wagen in einen Horizont voll dunkler
Sturmwolken fahren.
Der
Weg, den RINGU, wie er im Original heißt, von Japan in die weite Welt
zurückgelegt hat, orientiert sich gewissermaßen am Film selbst. Schon
seit Jahren spricht man unter Asia-Aficionados von diesem Film, von einem sensationellen
Grusler war da lange Zeit die Rede, RINGU avancierte zum echten Geheimtipp,
ein Mythos, den bislang nur wenige gesehen hatten, den aber jeder unbedingt
sehen müsse. Legendenbildung durch Mund-zu-Mund-Propaganda also. Dass es
der Film nun, 5 Jahre nach seiner Entstehung, auch in die hiesigen Gefilde geschafft
hat, kann man nur als finalen Abschluß einer langen Reise durch unsere
Kommunikationskanäle bezeichnen. Das ist nur konsequent.
.:[
Zur DVD ]:.
Wenngleich
man Anolis zur Veröffentlichung dieses auch in hiesigen Szenekreisen schon
längst etablierten Kultfilmes gratulieren muss, kann man mit der DVD in
der vorliegenden Form leider nicht vollkommen glücklich sein. So ist die
Bildqualität doch eher bescheidener Natur und liegt nur knapp über
VHS-Niveau. Die Kontraste sind nicht sonderlich stark, die Farben nicht allzu
satt, das Schwarz, es kommt reichlich vor in diesem düsteren Film, ist
eher matt statt kräftig. Hinzu kommt, dass die deutsche Synchronisation
nur als eine mittelschwere Katastrophe bezeichnet werden kann. Selten hat man
Stimmen monotoner, fatalerweise sogar untereinander austauschbarer reden gehört
als im vorliegenden Fall. Dies geht nicht nur arg auf Kosten der grusligen Atmosphäre,
es lässt den Film sogar stellenweise unverdient trashig wirken - es wird
also dringend empfohlen, auf die japanische Originalspur mit deutschen Untertiteln
zurückzugreifen! In beiden Fällen ist die Tonqualität absolut
zufriedenstellend.
Ganz
anders sieht der Fall mit der restlichen Ausstattung aus, hier war man spendabel
und hat eine schöne Extrasektion auf die Beine gestellt: neben einem nicht
sonderlich hidden feature (das Video aus dem Film), gibt es eine stattliche
Trailer-Ecke, die nicht nur die verschiedenen, internationalen Trailer des eigentlichen
Films sondern auch von dessen Fortsetzungen präsentiert, sowie eine Bildergalerie,
die zwar nett anzuschauen ist, aber leider nur Stills aus dem Film aneinanderreiht.
Als kleines Schmankerl gibt es dann noch ein Hörbuch einer Kurzgeschichte
eines Fans, die im Ring-Universum - in Japan hat sich um den Stoff längst
schon eine kleine Kultgemeinde geschart - angesiedelt ist. Auf die Hintergründe
dieses Kults, ihre mittlerweile zahlreichen Objekte (weltweite diverse Remakes,
Sequels, Prequels, eine TV-Serie, eine vitale Internetszene, etc.), geht schließlich
der aus dem dvd-inside-Forum bekannte "altehrwürdige Jorge" im
kleinen Beiblatt der DVD ein.
Die
DVD steht seit Februar im Verleih, ab 15. Mai ist der Film versionsidentisch
auch im Handel erhältlich.
Thomas_Groh
(07.03.2003)
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei: F.LM - Texte zum Film
Ring
- Das Original
Ringu,
Japan 1998
Regie:
Hideo Nakata
Drehbuch:
Hiroshi Takahashi, nach einem Roman von Kôji Suzuki
Kamera:
Junichirô Hayashi
Musik:
Kenji Kawai
Darsteller:
Nanako Matsushima, Miki Nakatani, Hiroyuki Sanada, Yuko Takeuchi, Hitomi Sato,
Yoichi Numata, u.v.a.
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