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Die
Ritterinnen
Barbara
Teufels nachgestellte Kreuzberger Szene-Doku
Es
ist eine gern kolportierte Skurrilität der ehemaligen Westberliner Autonomenszene,
dass sich ihr harter Kern mit Vorliebe aus den Sprösslingen schwäbischer
Häuslebauer rekrutierte. Als antibürgerliche Exilantin hat sich auch
die flippige Bonnie Mitte der achtziger Jahre aus der Enge der südwestdeutschen
Provinz ins vermeintlich prärevolutionäre Kreuzberg durchgeschlagen.
Dort landet sie in einer Fabriketage, deren Mitglieder sich als Kleinkollektiv
dem Streben nach radikaler Veränderung auch im persönlichen Bereich
verschrieben haben. Bonnie ist jung, tough und voll von umstürzlerischem
Elan. Und sie ist ein verwöhntes hübsches Mädchen. So wirbelt
die Prinzessin die eingefahrenen Verhältnisse in der Wohngemeinschaft auch
in geschlechtspolitischer Hinsicht tüchtig durcheinander. Denn von dem
Neuzugang mit den wilden Rastalocken lassen sich die Jungs dankbar Erniedrigungen
bieten, die sie von der alteingesessenen Weiblichkeit nur widerwillig akzeptieren.
Bonnie
ist eine Phantasiefigur, gespielt von Jana Straulino. Doch sie ist auch das
Alter Ego von Barbara Teufel, die sie in ihrem Film Die
Ritterinnen
zur Hauptfigur ihrer historischen Reinszenierung macht. Dabei montiert Barbara
Teufel in eine eher konventionelle Spielhandlung Szenen arrangierter Gesprächsrunden
der – nach ihrer Wohnstatt in der Kreuzberger Ritterstraße benannten –
ehemaligen Ritterinnen und ihrer männlichen Kombattanten und Archivbilder
von Demos und Anti-IWF-Kampagne. Der Film beginnt mit dem „Einstellungsgespräch"
von Bonnie in der Etage und arbeitet dann wie ein anständiger Historienfilm
die Szene-Debatten dieser Jahre ab, wobei die Vertreibung der Männer aus
dem Ritterinnen-Universum und die Kämpfe um eine autonome „Frauen- und
Lesben"-Politik, wie es korrekt hieß, einen zentralen Stellenwert
einnimmt.
Der
Versuch, Geschichte aus dem Entweder-Oder von Dokument oder Fiktion zu befreien,
ist ein ebenso lohnendes wie riskantes Wagnis, dessen Gelingen auch an handwerklichen
Details hängt: hier etwa die Spielszenen und ihre Darsteller, die uns das
Autonomenleben in „GZSZ"-Manier präsentieren. Gewichtiger aber sind
die inhaltlichen Probleme einer Erzählhaltung, die die mögliche ernsthafte
Auseinandersetzung durch eine Selbstgefälligkeit blockiert, die jede Antwort
schon zu kennen scheint, wie auch der ironisch-distanzierte Kommentar nahe legt.
Barbara Teufel, die sich am Ende einmal kurz mit Töchterchen selbst präsentiert,
scheint mit der beschriebenen Epoche ihres Lebens so gründlich abgeschlossen
zu haben, dass sie ihr nur noch anekdotischen Wert zubilligt: als pittoreske
Episode im Bildungsroman einer schwäbischen Rotznase, die den jugendlichen
Wirrungen am Ende als berufene Filmregisseurin entsteigt. Die Mitstreiterinnen,
aus deren Haushaltskasse die angehende Filmstudentin ihre erste Kamera bezahlt,
fungieren da nur noch als hässliche Fratzen gemeiner Kollektivansprüche,
aus denen sich das künstlerische Regisseurinnen-Selbst emanzipiert hat.
Dabei hat Barbara Teufel in der Zwischenzeit so schöne Filme wie Stroh
zu Gold
(1996) gemacht.
Silvia
Hallensleben
Barbara
Teufel erinnert sich an ihre Jahre in der Berliner Autonomen- und WG-Szene.
Die Mischung aus Dokumentation und Drama mündet schließlich in Selbstgefälligkeit:
Das Chaos gebiert eine Künstlerin.
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu
diesem Film gibts im archiv
der filmzentrale mehrere Kritiken
Die
Ritterinnen
Deutschland
2003. R und B: Barbara Teufel. P:
Anndore von Donop, Jörg Rothe. K:
Ralph Netzer. Sch: Barbara Teufel. M:
daily terror, the wipers u.v.a.. T:
Ivonne Gärber. A:
Hubert Saier, Petja Bülow. Ko:
Carmen Stahlhoven, Heike Schulz-Fademrecht. Pg: Metropolis/WDR/SWR/HR. V: Neue
Visionen. L: 96 Min. Da: Jana Straulino (Bonnie), Ulla Renneke (Eva), Katja
Danowski (Carolin), Mieke Schymura (Diana), Bärbel Schwarz (Franzi), Tilla
Kratochwil (Anke), Ursina Lardi (Gaya), Nic Roman (Nick), Niels Borman (Thomas).
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