zur startseite
zum archiv
Road to Perdition
So
fucking hysterical
Vater und Sohn auf der Straße
der Verdammnis: Sam Mendes' neuer Film "Road to Perdition" handelt
von Gangsterimpressionen und vom komplizierten Zusammenwachsen einer Restfamilie
Sam Mendes' Familienfilme bedeuten
noch lange nicht den Untergang der amerikanischen Gesellschaft, auch wenn es
den Anschein hat, dass sie ihn zumindest gerne einläuten würden. Der
Wertekanon seiner Filme "American Beauty" und "Road to Perdition" ist - vielleicht - unmöglich
bis ins Detail, in der bürgerlichen Tragik der geschilderten Familienkonstrukte
dann aber doch irgendwie schon wieder gesellschaftsfähig.
Die defigurierte Familie Burnham
lieferte Kevin Spacey in "American Beauty" den Hintergrund für
seinen Höllentrip durch das Obszönitätenkabinett des amerikanischen
Suburbia-Spießers - bis er schließlich wieder zu Hause angekommen
war. Das Ankommen ist bei Mendes offenbar unvermeidlich. Es ist auch der am
wenigsten interessante Aspekt an seinem zweiten Film "Road to Perdition".
Daran, dass der Weg das Ziel ist,
hat schon 1972 Kenji Misumis "Okami", die sechsteilige Verfilmung
von Kazuo Koikes Samurai-Manga "Lone Wolf and Cub", keinen Zweifel
gelassen. Bei Koike wird die Familienbande mit dem Blut des Feindes besiegelt. Der Intrige
eines verfeindeten Clans zum Opfer gefallen, ist der Schwertmeister Itto Ogami,
nachdem seine Frau von Killern getötet wurde, dazu verdammt, mit seinem
Sohn durch das von politischen Unruhen geplagte Land zu ziehen; ohne Ziel, aber
die Schergen seines ehemaligen Shoguns im Nacken. An eine Ankunft ist nicht
zu denken.
"Road to Perdition"
hat sich diese rührende Vater-Sohn-Geschichte zum Vorbild genommen, folgt
aber nicht Koikes straffer Narration. Denn Mendes' Familienfilme wollen immer
auch Gesellschaftsbilder entwerfen und, wenn möglich, gleich noch ein paar
Archetypen mitliefern. John Rooney ist so einer, ein Kleinstadtpate in der Depressionsära,
mit guten Kontakten nach Chicago. Paul Newman spielt den Gottvater mit liturgischer
Schwermut. Der Grad seiner Konsternation steigt mit jedem weiteren Fehltritt
seines Sohnes Connor. Auch zu seinem Gunman Michael Sullivan (Tom Hanks) pflegt
Rooney ein fast väterliches Verhältnis, sehr zum Missfallen Connors.
Was diese Familienformen auszeichnet,
ist ihre maskuline Saturiertheit. Geschäfte werden hier unter Männern
ausgemacht, und die steigen dazu runter in die Kirchengruft. Nicht nur in seiner
Geschlechterhermetik erinnert "Road to Perdition" an "Es war
einmal in Amerika". Auch seine Bilder wirken wie Restaurationen der rauen
Patina von Leones Gangster-Impressionen: In den edlen Brauntönen, dem schweren
Regen, der keinen der Männer reinwaschen kann, und der verdrucksten Optik
- es wird mehr gespäht als geschaut - drängt sich ein verdrängter
Schuldkomplex auf, der viel mit der nächsten Generation - der der Kinder
- zu tun hat, die eigentlich in die Fußstapfen ihrer Väter treten
sollen/müssten. Connor aber kann nicht, weil er zu blöd ist, und Michael
Sullivan jr. soll nicht, weil der Kreislauf der Gewalt ein Ende finden muss.
In diesem schuldbeladenden Familienumfeld
der Verschwiegenheit hat auch die Sprache ihre eigenen Codes entwickelt. Wenn
Sullivans jüngerer Sohn Peter seinen Vater fragt, was er eigentlich für
Mr. Rooney arbeite, antwortet der: "Deine Mutter weiß, dass ich Mr.
Rooney liebe." Unter diesem Sprachduktus gerät die Begräbnisfeierlichkeit
eines "Familien"-Mitgliedes natürlich zur Farce, wenn alle Anwesenden
wissen, dass der im Auftrag von Rooney beseitigt wurde. Die Kinder verstehen
das noch nicht. "Warum grinst du denn ständig?", wird Connor
von Peter gefragt. "Weil alles so verdammt lächerlich (fucking hysterical)
ist." Ein zutiefst irischer Katholizismus und räudiger Pub-Humor sind
die Ingredenzien dieser Familienzusammenkunft: Während oben die Gemeinde
trauert, würfelt Rooney in der Toilette mit Sullivans Kindern um Geld.
Mendes' eigentliche Familiengeschichte
beginnt jedoch erst mit der Reise von Vater und Sohn, von Michael Sullivan senior
und junior, durch das amerikanische Hinterland, nachdem Connor Sullivans Frau
und seinen jüngeren Sohn auf eigene Rechnung getötet hat. Die Restfamilie
kann erst zusammenwachsen, als Vater und Sohn - ohne Frau/Mutter - ganz unter
sich sind und sich mit Banküberfällen ihren Lebensunterhalt verdienen.
Doch ihr Weg ist bereits vorgezeichnet, der Ort der Ankunft bekannt und in seiner
Symbolik auch wenig subtil: der Ort Perdition, die "Verdammnis", im
Schoß der Familie.
Bis es allerdings so weit ist,
sieht sich Sullivan noch ein letztes Mal mit Rooneys Profikiller, einem psychotischen,
fast comichaften Kriminalfotografen, mit den makellosen Gesichtszügen Jude
Laws, konfrontiert, der in seiner Wohnung die gerahmten Fotografien seiner Lieblingsopfer
aufgehängt hat und nach Sullivans Notwehrmaßnahmen aussieht wie nach
einem Splitterbombenanschlag. Am Ende (der Straße) ist schließlich
alles ruhig, beunruhigend ruhig. Nur noch das Prasseln des Regens ist zu hören
oder das Rauschen der Wellen. Kein Schrei, kein Schuss. "Es gibt nur eine
Garantie", hat Paul Newman zu Tom Hanks gesagt, "keiner von uns wird
je in den Himmel kommen." Und noch einmal grient Connor wie irre. It's
all so fucking hysterical.
Andreas Busche
Dieser Text
ist zuerst erschienen in der taz
Zu diesem Film
gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Road to Perdition
USA 2002 - Regie: Sam Mendes - Darsteller: Tom Hanks, Paul Newman,
Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Stanley Tucci, Daniel Craig, Tyler Hoechlin,
Liam Aiken, Kevin Chamberlin, Dylan Baker - Prädikat: wertvoll - FSK: ab
16 - Länge: 119 min. - Start: 5.9.2002
zur startseite
zum archiv