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Roberto
Benigni’s Pinocchio
Vor
fünf Jahren gelang Roberto Benigni mit „Das
Leben ist schön“
(„La vita è bella“) gewissermaßen die Quadratur des Kreises: Über
den Holocaust eine Komödie zu drehen, ohne das Grauen zu verharmlosen.
„Das Leben ist schön“ wurde weltweit ein großer Erfolg – der Regisseur
führte sogar bei einer Sondervorstellung im Vatikan dem Heiligen Vater
den Film vor. Darüber hinaus erhielt er bedeutende Preise: In Cannes 1998
wurde er mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet; bei der Oscar-Verleihung
1999 erhielt Roberto Benigni für seine Rolle den Preis für den „Besten
Hauptdarsteller“ als erster für eine nicht-englischsprachige Rolle in der
Oscar-Geschichte überhaupt. „Das Leben ist schön“ gewann noch zwei
weitere Statuetten, darunter in der Kategorie “Bester nicht-englischsprachiger
Film“.
Für
seinen neuen Spielfilm nahm sich der zum neuen Liebling Italiens avancierte
Roberto Benigni des klassischen Lieblings Italiens an: „Pinocchio“. Carlo Collodis
im Jahre 1883 in seiner endgültigen Fassung erstmals erschienenes moralisches
Märchen wurde in mehr als 100 Sprachen rund um die Welt übersetzt.
Wer kennt nicht die Abenteuer des Holzscheites, aus dem der Tischlermeister
Geppetto einen Hampelmann schnitzt und der von der Blauen Fee in einen lebendigen
Puppenknaben verwandelt wird? Um ein wirklicher Junge zu werden, soll sich Pinocchio
als aufrichtig und fleißig bewähren. Wie viele Kinder erweist er
sich jedoch als neugierig, leichtsinnig und ungehorsam, weshalb er in immer
neue Konflikte gerät. Die Fata Turchina, die Blaue Fee, gibt ihm ein Warnsignal
mit: Immer wenn er lügt, wächst seine Nase zu ungeheurer Länge.
Pinocchios
Abenteuer wurden bereits häufig verfilmt, wobei die bekannteste Filmfassung
die Zeichentrickversion von Walt Disney (1940) sein dürfte, nach „Schneewittchen“
Disneys zweiter Langfilm überhaupt. Die letzte Verfilmung entstand im Jahre
1996 mit dem bekannten amerikanischen Schauspieler Martin Landau als Geppetto.
In
Italien hat Pinocchios Neuverfilmung durch Roberto Benigni mehr als zehn Millionen
Besucher angezogen; die Nachrichten über den teuersten italienischen Film
aller Zeiten klangen viel versprechend, zumal die Treue zur Vorlage besonders
hervorgehoben wurde. Sogar mit Silvio Berlusconi, dessen Verleihfirma „Medusa“
den nationalen Vertrieb übernahm, schloss der Linke Benigni um des Filmes
willen einstweilig Frieden, obwohl Roberto Benigni nicht alle Bedenken aufgab:
„Ich möchte hinter seinem Rücken nicht gut über Berlusconi reden“,
erklärte er augenzwinkernd in einem Interview vom Oktober 2002.
Dass
für diesen Film keine Kosten gescheut wurden, merkt der Zuschauer sofort
an der Ausstattung: Von der von digitalen weißen Mäusen gezogenen
Kutsche und der Burg der Blauen Fee über das Spielzeugland bis zum Zirkus
bietet „Roberto Benigni’s Pinocchio“ ein atemberaubendes Produktionsdesign.
Manche Charaktere, allen voran die herrlichen Halbmensch-Halbtier-Figuren von
Katze und Fuchs, aber auch der von Kim Rossi Stuart gespielte Lucignolo/ Freund
Docht, werden mit viel Liebe zum Detail gezeichnet.
Benignis
Ehefrau Nicholetta Braschi, die ihr Kinodebüt 1983 in Roberto Benignis
erstem Spielfilm gab und unzähligen Zuschauern als „Principessa“ Dora aus
„Das Leben ist schön“ in Erinnerung geblieben ist, füllt die liebevoll
angelegte Rolle der Blauen Fee mit einer ausgewogenen Mischung aus Schönheit,
Majestät und mütterlicher Warmherzigkeit aus. Mit „Pinocchio“ gibt
Braschi darüber hinaus ihr offizielles Debüt als Filmproduzentin.
Nach
all dem hätte „Roberto Benignis Pinocchio“ ein grandioser Film werden können.
Wenn jedoch der Gesamteindruck unbefriedigend bleibt, dann deshalb, weil „Roberto
Benignis Pinocchio“ ausgerechnet am Roberto Benignis Spiel krankt. Seine zappelige,
völlig überdrehte Interpretation ist über die 108 Minuten schwer
zu ertragen. Schade für einen Film, der über weite Strecken wunderschön
anzusehen ist und Collodis klassische Botschaft treu vermittelt.
José
García
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Roberto
Benigni’s Pinocchio
Regie:
Roberto Benigni
Darsteller:
Roberto Benigni, Nicoletta Braschi, Carlo Giuffrè, Mino Bellei, Kim Rossi
Stuart
Land,
Jahr: Italien 2002
Laufzeit:
108 Minuten
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