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Rocky II
Zu Beginn kämpft Rocky gegen
den amtierenden Schwergewichtsmeister. Er bekommt eine nach der anderen in die
Fresse, steht aber auch nach den fürchterlichsten Niederschlägen auf.
Er gewinnt den Kampf beinahe noch. Er ist dreißig Jahre alt und hat ein
paar Werbeverträge in Aussicht. Er heiratet eine Frau, sie geben leichtsinnig
Geld aus. Dann stellt sich heraus, daß Rocky keine Werbefilme drehen kann,
es ist unter seiner Würde, zu schauspielern. Er agiert den ganzen Tag,
aber zu schauspielern ist Selbstverrat. Seine Frau ist schwanger, und er muß
arbeiten gehen, erst in einer Fleischfabrik und bald als Mädchen für
alles in der alten Boxschule. Seine Enttäuschung wendet er nicht gegen
die Frau - er tänzelt um sie herum mit der Zärtlichkeit eines Boxers.
Er hat ihr versprochen, nicht mehr zu boxen, aber er nimmt das Training wieder
auf. Es gibt die Chance, noch einmal mit dem gleichen Gegner um die Weltmeisterschaft
zu kämpfen. Nach einer Frühgeburt liegt seine Frau lange bewußtlos
da. Sie muß erst erwachen und zu ihm sagen: besieg ihn!, bevor
Rocky wirklich kämpfen kann.
Das Herz eines Boxers ist einsam,
und schlägt es vor Liebe mal laut, dann muß der Boxer die Liebe vergessen,
sonst schlägt ihn der nächste Knock Out.
Liebe oder Kampf - beides kann
man nicht haben, hier kann man doch beides haben, und wenn nur zwei Dinge zur
Wahl stehen, dann ist zwei alles, und wenn man alles haben kann, dann ist alles
nicht viel oder nichts. Der ganze Film geht jetzt in die Knie. Das Training
wird gezeigt in Montagen von Hantelstemmen, Klimmzügen, Sandsäcken,
Laufen, Seilspringen, die nicht mehr erzählen als „und er trainierte fleißig".
Auch hatte Rocky ein schwaches rechtes Auge, weswegen er eigentlich nicht mehr
boxen kann, das wird jetzt einfach vergessen.
Dann gibt es den Kampf zu sehen,
der sehr schön inszeniert und organisiert und gefilmt ist. Es macht auch
sehr zufrieden, am Ende eines Films noch einmal das Geschehen des Anfangs anders
zu sehen.
Das Problem ist, daß es
ein inszenierter und organisierter und gefilmter Boxkampf ist. Man merkt, daß
die beiden Darsteller nur so fighten können, weil nach jedem Schlag die
Kamera abgeschaltet wird, dann holen sie tief Luft, und nach einer Woche machen
sie den nächsten Schlag. Wenn man Bilder von Boxern zusammenschneidet,
dann müssen die Boxer so schön sein wie Stevenson und der junge All
(so wie Menschen im Spielfilm schön sein müssen); sind die Boxer nicht
so schön, dann muß man ungeschnitten ihren Kampf zeigen, wie es das
Fernsehen fast nur noch zu Weltmeisterschaften und Olympiaden tut. Das Geschehen
muß sich dann uneingeschränkter Sinnstiftung des Zuschauers aussetzen.
Damit soll Stallones Leistung
nicht herabgesetzt werden. Jeder Athlet kämpft gegen die überall gegenwärtigen
Bilder der Athletik, die ihm den Sinn rauben, wie einst die Götter.
Stallone verbindet die Fragen:
Kann Rocky noch einmal gewinnen?, kann Stallone noch einmal einen Boxer spielen?, wird Rocky II auch ein Erfolg wie
Rocky I? Der Mann,
der um 6 Uhr mit zwei Plastiktüten aus dem Supermarkt kommt, bleibt an
der Kinokasse stehen und zahlt sieben Mark. They never come back, und man liebt
nur einmal.
Harun Farocki
Dieser Text
ist zuerst erschienen in: Filmkritik Nr. 281 vom Mai 1980
Rocky II
ROCKY II
USA - 1978 - 116 min. - Erstaufführung: 29.2.1980
Regie: Sylvester Stallone
Buch: Sylvester Stallone
Kamera: Bill Butler
Musik: Bill Conti
Schnitt: Danford B. Greene
Darsteller:
Sylvester Stallone (Rocky Balbao)
Talia Shire (Adrian)
Burt Young (Paulie)
Burgess Meredith (Mickey)
Carl Weathers (Apollo Creed)
Tony Burton (Apollos Trainer)
Joe Spinell (Gazzo)
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