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The
Rocky Horror Picture Show
Die “Rocky Horror Picture Show” ist eigentlich weniger
ein Film als ein soziologisches Langzeit-Phänomen. Als der Film 1975 herauskam,
wurde er von so gut wie jedem ignoriert, inklusive der zukünftigen Fanatiker,
die später die hunderte Male zählten, die sie den Film gesehen haben.
„Rocky Horror“ lief an, lief ab und wäre in Vergessenheit geraten, wäre
da nicht ein kleiner Angestellter bei 20th Century-Fox gewesen, der seinen Vorgesetzten
die Idee unterbreitete, den Film als Mitternachts-Kultfilm auszuprobieren.
Der Rest ist Geschichte. In seinen Spitzenzeiten
während der frühen Achtziger wurde „Rocky Horror“ mitternachts an
jedem Wochenende in Kinos in der ganzen Welt gezeigt, und die treuen Fans bildeten
Schlangen schon Stunden im Voraus, verkleidet in den Kostümen der Hauptfiguren.
Es gab vergnügte Wiedersehensfeiern zwischen Janets und Brads, dem "all
american"-Paar, im Film gespielt von Susan Sarandon und Barry Bostwick,
konspirative Ballungen aus lauter Frank N. Furters, dem verrückten Transvestiten
und Wissenschaftler, welcher von Tim Curry verkörpert wird, und Gruppen
von Riff Raffs – er war der bucklige Butler, gespielt von Richard O’Brien, der
auch die Songs geschrieben hatte.
Die Show, die das Publikum in den Kinos aufführte,
war besser als alles auf der Leinwand. Sie kannten den Film auswendig, stimmten
unisono in jede Dialogzeile ein, sangen die Lieder mit, tanzten auf den Bühnen,
bereicherten das Drehbuch mit eigenen, nicht druckreifen Ergänzungen und
dabei verwendeten sie eine Menge Requisiten, wie Klopapier und Wasserpistolen.
Schließlich erwuchs aus ihnen eine Art ausgedehnte verrückte Familie.
Sie trafen sich jede Woche, tauschten rituelle Begrüßungen aus, feierten
jeden Geburtstag eines Mitglieds und andere wichtige Feiertage gemeinsam, sie
stifteten Liebesbeziehungen, sie heirateten sogar untereinander und gebärten
eine neue Generation von „Rocky Horror“-Kulties.
Dabei entstand eine merkwürdige Abhängigkeit
zwischen Kino-Betreiber und Publikum, weil die Stammkundschaft notwendigerweise
Eintrittskarten brauchte, um ihrer eigenen Show beizuwohnen.
Der “Rocky Horror” Mitternachts-Kult hat überlebt,
in gedämpfter Form (bis in welches hohe Alter kann man sich eigentlich
immer wieder als Transylvanischer Transsexueller verkleiden?). Als der Kult
begonnen hatte, langsam im Mondschein zu verblassen, unternahm Fox den lange
aufgeschobenen Schritt und brachte nun den Film auf Video heraus. Mit möglicherweise
zwei Resultaten: 1) einer kurzen Epidemie von „Rocky Horror“-Kostüm-Parties
und 2) einer Desillusionierung durch den Film selbst. Das ganze Geheimnis um
„Rocky Horror“ war ja, dass der Film nur das Hintergrundgemälde war für
die Bühnenshow durch die Fans.
Was nun den Film an sich betrifft: Er ist nicht besser
geworden als er es am Anfang war. Und auf Video, als normaler Film betrachtet,
ohne die Mitternachts-Show, ist er fröhlich und albern und irgendwie ganz
süß, aber nichts für die Ewigkeit.
Roger Ebert
Mit freundlicher Genehmigung
des Autors aus dem Englischen übersetzt von Andreas
Thomas
Dieser
Text ist zuerst erschienen vermutlich Mitte der 1990er-Jahre in:
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
The
Rocky Horror Picture Show
THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW
Regie: Jim Sharman
Buch: Jim Sharman, Richard O'Brien
Vorlage: nach einem Bühnenstück von Richard
O'Brien
Kamera: Peter Suschitzky
Musik: Richard O'Brien
Schnitt: Graeme Clifford
Special Effects: Wally Veevers
Darsteller:
Tim Curry (Frank N. Furter)
Susan Sarandon (Janet)
Barry Bostwick (Brad)
Peter Hinwood (Rocky)
Patricia Quinn (Magenta)
Richard O'Brien (Riff Raff)
Jonathan Adams (Dr. Everett Scott)
Nell Campbell (
Meat Loaf (Eddie)
Charles Gray (Kriminologe)
Hilary Labow (Betty)
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