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Rote Liebe (Wassilissa)
Zu einer Art New Wave-Musik vergnügen
sich jugendliche Demonstranten, die die Volksfeststimmung der 80er Jahre dieses
Jahrhunderts verbreiten. Alexandra Kollontai (Olga Demetriescu) tritt als würdige
alte Dame auf, mit Schärpe und Orden. Im off-Monolog, offenbar vom Blatt
abgelesen, stellt sie sich, asynchron, sich räuspernd und stockend, als
die ehemalige Ministerin für soziale Fürsorge in der ersten Leninregierung
vor, die es sich zur Aufgabe gemacht habe, Arbeiterinnen bei Liebeskonflikten
zu beraten. Nach dieser Exposition erklingt das Wassilissa-Motiv (komponiert
von Jacob Lichtman), und Wassilissa (Sascha Hammer) erscheint im Bild, eine
Mischung von Punk- und Popperfrau. Sie agiert recht ernsthaft. Der off-Kommentar
(Praunheim) überbrückt die sechzig Jahre Zeitsprung explizit: »Wassilissa
ist Arbeiterin. Sie ist eine Freundin von Nina Hagen« (was, bezogen auf
Sascha Hammer, die reine Wahrheit ist), »sie liebt David Bowie und lebt
in Berlin« (auch das ist auf der Darstellerebene die schiere Authentizität).
Die Schirmlampe pendelt dramatisch, und Wassilissa spricht den ersten Dialogsatz:
»Ach wäre doch der Geliebte hier. Sechs Monate sind wir getrennt«
(das wiederum ist der authentische Novellentext). An der Wand hängen Poster
von Marx, Nina Hagen und Lenin. Eine Sowjetfahne ergänzt die Dekoration.
»Wassilissa, wo nimmst du die power her?« fragt eine Stimme (das
ist Praunheims eigener Text). - Wassilissa liest in der Frauenwohnkommune einen
Brief des Geliebten Wolodja (Mark Eins) vor. Dieser schwärmt von seiner
neuen Position als Fabrikdirektor. Er, im weißen Hemd und mit weißem
Schlips, erfreut sich eines herrschaftlichen Villenbesitzes mit Pfauen, Rhododendren
und Rolls Royce. Das sind die Segnungen der Nowaja Ekonomirscheskaja Politika
(der 1921 von Lenin eingeführten Neuen Ökonomischen Politik, auch
NEP genannt, welche, um der kriegskommunistischen Ernährungslage abzuhelfen,
den freien Binnenhandel zuließ). - Wassilissa läßt die Parteiarbeit
im Stich und macht sich auf die weite Reise. »Eine kleine Bahnstation«
(es ist der Bahnhof Spandau) kommt ins Bild, geschmückt einerseits mit
einem Plakat, das zum 15./16.9. 1979 die Parole »Wir wollen keinen Atomstaat«
ausgibt, zum anderen mit einem großen Hammer & Sichel-Symbol geschmückt
ist. Die Kamera ergreift Partei fürs rote Symbol und zoomt heran. Dann
kreist sie Vögeln am trüben Himmel nach, denn der Kommentar verfällt
in einen rezitatorischen Singsang zu den Synthiklängen von Din A Testbild:
»Die Saatkrähen sind aufgestiegen und krei-ei-eisen in der Luft«.
In einer langen, volksopernhaft erhöhten Sequenz eilt Wassilissa über
viele Eisenbahnschwellen, stolpernd, zwischen rostigen Schienen, dem Bahnhof
zu, unaufhörlich beraten vom eindringlichen Kommentar: »Wassilissa,
der Zug fährt ein, Wassilissa, du mußt einsteigen« usf. da
capo ad libitum. - Eingefärbtes schwarzweißes Dokumentarfilmmaterial
rekapituliert die Geschichte ihrer Liebe: Lenin, die Herrschaft der Menschewiki,
die Massen in Petersburg, die Stürmung des Winterpalasts und die erste
Begegnung des jungen Paares auf einem meeting (das ist freilich wieder die S-Bahn).
Anarchist Wolodja: »Wir verschwenden unsere power doch nicht an den Krieg.«
Für ihn ist die NEP das »Leben wie im Paradies«, in dem die
Frau »an Dope, Sex und Rock'n'roll glaubt«. Er holt Wassilissa im
Rolls Royce ab. »Immer im Rolls Royce«, kommentiert musikalisch
die Neue Deutsche Welle (Ideal). In der rot eingefärbten Kapitalistenvilla
residiert das avancierte Kommunistenpaar. Wassilissa trägt ein weißes
Hemd mit blauem Schlips. Inmitten futuristischer Möbel der sowjetischen
Avantgardekunst der beginnenden 20er Jahre labt sie sich an Fruchtkörben,
überfüllt mit Erdbeeren, Melonen und Radieschen und verziert mit kleinen
chinesischen Miniatursonnenschirmen, wie man sie von Eisbomben kennt. Als Alternative
stellt die Haushälterin (Rose Hammer) Bücklinge, mit Paprika garniert,
auf den Edelholztisch. - Der Spekulant Sawaljef (Rolf Eden) begrüßt
Wassilissa, die NEP-Popperin, mit einem Handkuß. Champagner fließt.
Doch das Glück wird getrübt. Die GPU beschlagnahmt Schiebergut, und
Wolodja verfällt der Stripteasetänzerin Nina Konstantinowa, welche,
von der Transsexuellen Bettina Sukroff gespielt, in den buntesten Kinofarben
dunkelstimmigen Charme entfaltet. Wassilissa, die sich zusammen mit Ferkeln
und Flamingos unter den blühenden Rhododendren ergeht, braucht Trost. Der
Kommentar liefert ihn im Recitato: »Nicht traurig sein. Einfach leben.
Lie-ie-ie-iebe wie die Vögel Vögel joi-joi-joi-joi, die in den Zweigen
tri-ri-ri-lie-ren.« In der Nahaufnahme wälzt sich eine Hummel im
Blütenstaub. - Das Paar gerät in Streit. Wolodja, im weißen
Dinnerjackett, beschimpft die Funktionäre, »diese Scheißbonzen,
diese kleinen miesen Wichser«. Doch Wassilissa weiß: die KP hat
immer recht. Ein Kommunist, ein Direktor, muß allen ein Beispiel sein.
Hilfe kommt durch Pawel Pawlowitsch (Eddie Constantine). Im Zelt, das sich als
Zirkus entpuppt, striegelt er Kamele: er ist Mitglied der Kontrollkommission.
Die Mauer hinten ist von einem Plakat geziert, das für einen Teenager Jesus
am 30.6. im S.0.36 wirbt. - Wolodja hat ein rotes Hemd mit Buttondown-Kragen
angezogen. Mit schwarzer Hose und schwarzem Schlips, die blonde Tolle dazu,
ist er eleganter Uniformträger. Er jubelt: »Ein Brief aus Moskau,
ich bin befördert.« Doch Wassilissa arbeitet wieder mit den Massen. Ein Dokumentarfilm
zeigt Fabrikarbeiterinnen in einem Saal, der von Neonröhren erhellt wird.
Aber: eine Schlange kriecht herbei (Praunheims Mojo). Off-Text: »Schmerzhaft
sticht die Schlange der Eifersucht.« Die Kamera gerät ins Zittern. - Wolodja trinkt auf einer
Party mit Wieland Speck und anderen Spekulanten. Kleine Fähnchen mit Hammer
und Sichel schmücken den Tisch, und die Kamera nimmt mit Fleiß die
Fratzen der Betrunkenen auf, die nah und verzerrt in die Kamera grinsen. Der
privatwirtschaftliche NEP-Direktor wird die ideologisch vorprogrammierten Konflikte
haben. Und schon dringen Arbeiter ins Herrschaftszimmer, in Jeans, Leder und
weißem Matrosendress. Es sind die Jungs von der Betoncombo. Sie spielen
»Alles steht still, wenn ich es will«. Schwarzweißes Dokumentarfilmmaterial
von Straßendemonstrationen - Rudi Dutschke ist dabei - aktualisiert die
Bezüge. - Wassilissa trennt sich von Wolodja. Sie hat ein schwarzes Käppi
mit einem geflügelten Emblem auf dem Kopf. Es sieht wie das Accessoire
einer Stewardeß-Uniform aus. Sie klopft bei der Frauenkommune an. Lisa
(Tu Tu) macht auf. Sie trägt eine schwarze Schirmmütze, um die ein
rotes Band geschlungen ist. Um ein Mikrofon der 80er Jahre schart sich die Frauenband
(Mania D.) und macht Musik. - Die Kamera verweilt vor einem historischen Plakat:
»Bauer nimm dein rotes Bajonett und stoß es der Bestie Weltkapital
in den Wanst«. Diesmal geht die Tonspur auf das Bild ein. Zu hören
ist das Adagio von Albinoni, den Beerdigungsfall vorwegnehmend. Konkret stimmt
die Musik jedoch auf den Selbstmord ein, den Wolodja versucht, während
Wassilissa und Lisa im Bett liegen. Die Kamera schwenkt bedeutungsvoll auf den
gelben Fruchtstempel des Anthuriums. An dieser Stelle wird der new yorker Suizidversuch
aus dem Film RED LOVE eingeschnitten. Wladimir (Lindzee Smith) hat den Kopf im Gasofen.
Wassilissa (Betsy Sussler) verspricht: »I help you, Wladimir.«
Dieser nimmt das Angebot an: »Keep the dinner ready.« Denn er, der Mann, muß
los, »to explain my actions before the committee«. - Eingeführt
werden die RED LOVE-Szenen als new yorker Fernsehprogramm, das 1922 in die Sowjetunion
übertragen wird. - Wieder Dokumentaraufnahmen aus der Textilfabrik. Die
Frauen in den ärmellosen Kittelkleidern gucken amüsiert in die Kamera.
Wassilissa und die Haushälterin geben sich auch keine Mühe, so zu
tun, als ob das Team nicht dabei wäre. Sie lesen ihre Dialogsätze
von den Zetteln ab, die neben dem leckeren Bücklingsgericht liegen. Total
verklemmt versucht Wolodja, die Liebe zu retten. Er zieht sich seinen besten
Kimono an und fährt mit der Zunge zwischen Wassilissas Beinen herum. Diese
erstarrt vor Befangenheit. Lockerung und Ausbruch können nur weitere Szenen
aus RED LOVE bringen. Und so hört man denn, in der off-Übersetzung,
das new yorker Paar sich mit »Du blöde Votze« und »Du
Arschloch« titulieren. Da zieht sich Wassilissa in Gestalt von Sascha
Hammer endlich die rote Gesichtsmaske über. Kommentar: »Sie will
Wolodja zerfleischen. Will sein Blut austrinken, um selbst stark zu werden.«
Doch der Kommentar macht eine Kehrtwende: »Von der Punkerin zur queen
und zur Emanze? Ein viel zu schöner Traum! Solange ihr die Liebe nicht
abschafft, werdet ihr euch immer unterdrücken.« Alexandra Kollontai
ist gescheitert. In der Schlußsequenz geht sie ins Grab, 1952, »hochdekoriert
und ihre Schriften vergessen«. Zuvor beschwert sie sich noch über
Lenin (»er und seine Freunde machten sich über meine Auffassung von
freier Liebe lustig«) und Stalin (er machte 1936 ihre Reformgesetze von
1917 rückgängig). Das Schlußwort spricht eine moderne flotte
Stimme: »Was braucht eine Frau? Einen starken Typen, der ihr Klamotten
kauft.«
Das Titellied »Rote Liebe«
ist von Annette Humpe (Ideal) und öffnet das Sowjetmelodram der Alexandra
Kollontai den Liebessorgen der New Wave-Generation. Das Ergebnis ist das gleiche.
Alexandra Kollontai (1872-1952) ist abermals gescheitert. Als Volkskommissarin
für soziale Fürsorge hatte sie 1917 unter Lenin versucht, Reformgesetze
für die neue Sowjetfrau durchzusetzen: staatlich finanzierten Mutterschutz,
Abtreibungsurlaub von zehn Tagen, Abschaffung der Ehe als einzige legale Form
der heterosexuellen Beziehung, Straffreiheit der Homosexualität, staatliche
Alimentenversicherung, kollektive Kinderaufzucht. Als führende Vertreterin
der Arbeiteropposition gegen die NEP-Politik war ihre Stellung jedoch unhaltbar.
1921 bat sie um Versetzung in den diplomatischen Dienst und amtierte seitdem
als Botschafterin in Norwegen, Mexiko und Schweden. Sie gilt als wichtigste
sozialistische Frauenrechtlerin.
Kollontais Absicht, im Unterhaltungsstil
für die sowjetische Arbeiterin über eben die privaten Gefühle
zu schreiben, die von den gesellschaftlichen Veränderungen betroffen oder
vielmehr nicht betroffen werden, wird von Praunheims Film mit gleichem (gleich
zweifelhaftem) Erfolg fortgesetzt. Es zeigt sich, daß das Thema aktuell
ist. Das theoretische Bewußtsein trennt sich heute nach wie vor mühelos
von der praktischen Umsetzung der revolutionären Erkenntnisse im Privatbereich.
Bei erster Gelegenheit fällt daher der theoretische Anarchist/ Sozialist/Kommunist
in die praktischen Annehmlichkeiten der bürgerlichen Gesellschaft zurück,
zu denen für den Mann vor allem die macho-Rolle gehört. Im Heterochauvi
Wolodja, Fabrikdirektor, Anarchist zuvor, treffen sich die Kämpfer der
68er-Generation, heute Studiendirektor, Regierungsdirektor, Schriftleiter.
Praunheims Film setzt Kitsch und
Sentimentalität als Mittel ein, das Scheitern der Revolution(en) mit ihren
emotionalen Defiziten zu erklären. Die privaten Gefühle, die der (nur-professionelle)
Revolutionär ausgrenzt, bleiben auf die Dauer - damals wie heute - die
stärkeren. Praunheims Konzept, diese Gefühle, die fast unangreifbar
schon seit langem zu eben Kitsch und Sentimentalität geronnen sind, aufzubrechen,
indem er sie zur Kenntnis nimmt und mit ihnen arbeitet, ist das Experiment der
ROTEN LIEBE wert. Es war logisch, den Film in der Form eines Hollywood-Ausstattungsfilms
zu produzieren. Die eine Million Mark Kosten sind sichtbar. Mike Kuchar nahm
die Geschichte der Sowjetfrau im Stil amerikanischer Filme der 30er Jahre auf.
Frietz Mikesch (LEIDENSCHAFTEN) und Filmarchitekt Uli Bergfelder statteten den Film mit Bildern
und Dekorationen im Stil des frühen sowjetischen Konstruktivismus aus (eine
Ähre, Maschinenräder, blauer Grund; aber auch die SS 20-Raketen, nachempfunden
den Bildern von Kasimir Malewitsch). Mit Malewitsch und den Konstruktivisten
machte Stalin genauso Schluß wie mit den Reformen der Alexandra Kollontai.
Statt Malewitsch (1878-1935) regierte der Zuckerbäckerstil. Sowjetbürokratie
und altes Spießertum herrschten im neuen sozialistischen Gewande.
Der Eisenbahn-Kulturzug, den Praunheim
in seinem Film fahren läßt, ist mit Spruchbändern und Comics
von Majakowski geschmückt: Praunheim mischt Kitsch und Kunst im Kampf gegen
Spießertum (und sexuelle Reduktion) in der Sowjetunion, den USA und der
berliner Jugendszene zur Zeit der Filmaufnahmen. Gleich dem Kulturzug macht
die (Film-)Musik der New Wave-Gruppen der endsiebziger Jahre die Grenzen von
Kunst und Kitsch unauffindbar und belanglos. Die Besetzung des Films macht vor,
daß nicht Rollenbefolgung, sondern Rollenvermischung Voraussetzung ist,
die Privatheit, die sich immer gegen den einzelnen richtet, nach außen
zu tragen, öffentlich zu machen und so von innen heraus die großen
Systeme zu verändern. Praunheim hat sich explizit für diese Strategie
eingesetzt. Sie ist eine Bündnispolitik: Rudi Dutschke neben dem Transsexuellen
Bettina Sukroff; der Komponist Jacob Lichtman (fünf Jahre zuvor noch in
Odessa) und die Betoncombo; die Sowjetunion 1922, Hollywood 1933 und Berlin
1979; Dilettantismus (Sascha Hammer, Mark Eins) und Professionalität (Mike
Kuchar); Trivialität und Politik (vereint in Praunheims off-Stimme himself).
Das Konzept war gut, es ließ
Erwärmung, Gärung, Fermentierung erhoffen. Doch das Spiel der Hauptdarsteller
senkt die Filmtemperatur. Offenbar werden sie ihres Dilettantismus' nicht froh.
Das drückt auf die Stimmung, und mit dem Vermischungs- und Solidaritätsfest
wurde es nichts. Die lange Geschichte der ROTEN LIEBE schien mit den faden Gestalten
der Hauptdarsteller ein frustrierendes Ende gefunden zu haben.
Angefangen hatte der große
Plan mit einem Geschenk von Libgart Schwarz, verehelichte Handke. Sie schenkte
Praunheim 1974 ein Exemplar der neu erschienenen Novelle von Alexandra Kollontai.
Er, Praunheim, schrieb daraus flugs ein Theaterstück, schon mit dem Titel
Rote Liebe, für das er die Aufführungsrechte
an den S. Fischer Verlag vergab (Krista Jussenhoven) und das im Oktober 1976
als Lesestück im Theaterstudio der Zigarrenfabrik Gießen aufgeführt
wurde (tryout in der Provinz). Richtig gespielt wurde es erst einmal: von einer
Studentengruppe in Australien. Praunheim arbeitete das Stück zu einem Hörspiel
um, das am 29. April 1977 vom RIAS gesendet wurde. Die »Ursendung«
wurde am 24. Mai 1977 in der Berliner Autoren-Buchhandlung vorgestellt.
Als Drehbuch errang das Skript
sodann Prämien des Kuratoriums Junger Deutscher Film (50 000 Mark) und
des Bundesinnenministeriums (250 000 Mark). Praunheim plante eine Besetzung
der Hauptrollen mit Jane Fonda und David Bowie und traf sich deshalb noch 1977
mit dem Disco-Sound-Produzenten Giorgio Moroder im Beverly-Hills-Hotel. Die
Besprechung zeitigte keinen Erfolg. 1978 verfolgte Praunheim den Plan, die Liebesgeschichte
der Kollontai mit Negern zu besetzen (Black Panther und schwarze Bourgeoisie).
Als die Nachricht kam, daß Coca Cola nach Rotchina importiert wird, wollte
er den Film unter Chinesen spielen lassen. Tatsächlich fing er jedoch in
New York zu drehen an. Die ersten Aufnahmen mit Lindzee Smith und Betsy Sussler
(RED LOVE) wurden jedoch abgebrochen, als Gelder von der berliner Filmförderung
kamen.
Nina Hagen machte einen Soundtrack
für den Film, Titelsong: »Red Love« (»Die Partei hat
immer recht / Alle sind sie geile Tiere«). Dieser durfte jedoch nicht
verwendet werden, nachdem sich Nina Hagen und Praunheim entzweit hatten. Sie
konnte nicht verwinden, daß er mit ihr die Wolodja-Rolle besetzen wollte,
welche sie ja grade für ihren Freund Ferdinand begehrte. Praunheim war
nunmehr entschlossen, den Part selbst zu spielen. Die Muster fielen katastrophal
aus. So gelangte im letzten Moment der Rockmusiker Mark Eins (Din A Testbild)
zur Hauptrolle. Praunheim war mit seinen Hauptdarstellern und mit sich unzufrieden:
»Die beiden konnten nie sich selbst spielen, es war furchtbar. Ich dachte,
jetzt ist alles aus. Ich konnte mich kaum noch aus dem Bett bewegen, fraß
Unmengen von Schokolade und dachte an meinen frühen Tod.«
Der 3. Oktober 1980 war als offizieller
Kinostart angekündigt worden (Studio am Kurfürstendamm). Praunheim
zog den Film jedoch zurück. »Das ist das Ende meiner Karriere, ich
will mit dem Film nichts mehr zu tun haben. Wer gibt dir denn nochmal Geld,
wenn du son beschissenen Film machst.« Im Januar 1981 zeigte er den Film in Amsterdam, im Sommer 1981
auf der Volksuniversität Berlin. Im Kino war er bisher nur in wenigen Vorstellungen
im Kid zu sehen, Kapazität des Kinos: 25 Personen. Die geplante Fernsehausstrahlung
fand noch nicht statt.
Dann änderte sich alles zum
Guten. Praunheim schnitt die 92 Minuten Film auf 35 zurück und kombinierte
sie mit einem Videointerview mit Helga Goetze.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Rosa von Praunheim; Band 30 der (leider eingestellten) Reihe Film, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek von Peter W. Jansen und Wolfram Schütte im Carl Hanser Verlag, München/Wien 1984, Zweitveröffentlichung in der filmzentrale mit freundlicher Genehmigung des Carl Hanser Verlags
1980 ROTE LIEBE (WASSILISSA). 1.Fassung
Regie, Drehbuch: Rosa von Praunheim, nach Motiven des Romans Wassilissa
Malygina von Alexandra von Kollontai. - Kamera: Mike Kuchar, Rosa von
Praunheim, Michael Oblowitz, Wolfgang Pilgrim, Bernhard Stampfer. - Schnitt:
Rosa von Praunheim. - Ton: Michael Schäfer (i.e. Mike Shephard). - Musik:
Ideal, Din A Testbild, Betoncombo, Mania D, Jacob Lichtman, Albinoni, Schostakowitsch.
- Ausstattung: Uli Bergfelder. - Regie-Assistenz: Anke Rixa Hansen, Dorothee
von Meding, Ulrike Maares, Bett Schmidt. - Darsteller: Sascha Hammer (Wassilissa),
Mark Eins (Wolodja), Eddie Constantine (Pawel Pawlowitsch), Rolf Eden (Sawaljef,
Spekulant), Olga Demetriescu (Alexandra Kollontai), Rose Hammer (Haushälterin),
Bettina Sukroff (Nina Konstantinowna), Barbara Gould (Frau in der Kommune),
Tu Tu (Lisa), Sarah Pfeiffer (Gruscha), Wieland Speck (Spekulant auf der Partv),
Betoncombo (Arbeiter und Matrosen). - Kommentar und Gesang: Rosa von Praunheim.
- Produzent: Rosa von Praunheim. - Herstellungsleitung: Renee Gundelach. - Produktionsleitung:
Bernhard Stampfer, Birgit Lelek. - Drehort: Berlin, Frankfurt, New York. - Format:
16 mm, Farbe (Kodak). – Original-Länge: 92 min. - Uraufführung: Januar
1981, Amsterdam. - Deutsche Erstaufführung: Sommer 1981, Volksuni Berlin.
- Verleih: offen
In den Film integriert ist die Vorstudie RED LOVE.
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