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Roter
Drache
Irgendwann, so vor 10 Jahren, habe ich Manhunter wohl das letze Mal gesehen, so eine Aufnahme aus
dem Fernsehen - ich glaube der jüngst wiederbelebte Sleazesender Tele 5
war's. Gefiel mir damals überaus gut, diese kühle, eigentlich schon
kalte Stimmung, die den Film durchzieht, wie überhaupt der ganze Film einer
medizinischen Operation, vielleicht ja sogar einer Sezierung, gleicht. Trotzdem
kann ich mich an Einzelheiten kaum mehr erinnern, nur halt, dass mir der Film
gefallen hat. Vielleicht aber ist das ja die beste Basis, um dem Remake zu begegnen
- gesetzt den Fall, man kann Literaturadapationen überhaupt als Remakes
bezeichnen -, ist man so wenigstens nicht dauernd damit beschäftigt, nutzlose
"Das hat der aber andere aber besser gemacht!"-Vergleiche anzustellen,
um sich so wirklich auf den Film an sich konzentrieren zu können. Im Kino
habe ich ihn damals nicht gesehen, nun denn, also an einem grauen Vormittag
aus der Videothek um die Ecke geholt und zum Frühstück gekuckt.
Dem Hopkins/Lecter-Komplex stehe ich persönlich
ja nun nicht unbedingt so euphorisch gegenüber wie der Rest der weiten
Welt der Filmfreunde. Silence [of the
Lambs - Das
Schweigen der Lämmer – Redaktion der fz]
war für mich seinerzeit - auch schon wieder etliche Jahre her - eine herbe
Enttäuschung, da ich mir etwas erhofft hatte, was mir erst Finchers großartiger
Se7en geben konnte. Hannibal indes war mir in seiner ganzen Atmosphäre etwas
zu schwülstig und zu mythisch, die Überzeichnung Lecters ins Metaphysische,
ja wirklich Übernatürliche war mir einfach etwas zu weit hergeholt.
Sicher, vampirisch und dämonisch gezeichnet war Lecter auch schon zuvor,
aber Hannibal
verließ sich, für meinen Geschmack, dann doch etwas zu sehr auf diese
Komponente und übertünchte dergestalt etwas zu leichtfertig Schwächen
und Problemstellungen im Skript. Nicht, dass mir die Filme etwa nicht gefielen,
nein, nur großartig waren sie, auf rein emphatischer Ebene (filmhistorisch
sieht's da, natürlich, ganz anders aus), für mich nicht.
Roter Drache
macht da keinen Unterschied und reiht sich für meine Verhältnisse
perfekt in die nunmehr vollendete Trilogie ein. Der Film ist sicher spannend,
an vielen Stellen - vor allem die Dialoge zwischen Hopkins und Norton gefielen
mir sehr gut - sogar äußerst gewitzt, nur einen wirklichen gelungenen
Thriller stellt der Film meiner Meinung nach nicht dar. Das Grundproblem dabei
ist wohl, dass gleich zwei Psychopathen um die Gunst des Publikums - mal ehrlich,
letzten Endes sind wir doch alle auf die Bösewichte scharf - buhlen, dass
der Film den rechten Focus nicht wirklich findet. Da ist einerseits Lecter,
die eingesperrte Bestie, mit seinem durchtriebenen Spiel, und andererseits eben
der titelgebende Serial Killer, ganz großartig von Fiennes dargestellt,
der neben Cronenbergs Spider einmal mehr sein Talent für genau jene Art
von gebrochenen Charakteren einsetzen darf. Wenn ich mich erinnere, spielte
Lecter in der literarischen Vorlage, sowie in der ersten Adaption nur eine äußerst
nebensächliche Rolle, nur kann man dem Publikum - nach zwei Filmen, die
von Lecters Präsenz zehrten - das heutzutage wohl kaum servieren. Also
konkurrieren die beiden Pole des Films, mit dem Ergebnis, dass man von beiden
gerne mehr gesehen hätte, mittendrin dann noch Edward Norton, der nahezu
unterzugehen droht, aufgerieben wird und dessen äüßerst reizvolle
psychische Situation - in der ersten Adaption war die wohl recht präsent,
scheint mir - komplett ausgeblendet zu sein scheint. Wie überhaupt auch
die Lösung des Falls als einzige Folge von Drehbuchschritten anmutet, die
Nortons Charakter einfach so in den Schoß fallen.
So bleibt ein irgendwie seltsam unbefriedigender
Thriller, der zwar von allen Zutaten ein bißchen was hat, diese aber nie
voll zur Geltung bringen kann. Alles scheint sich im Widerstreit mit dem Rest
zu befinden - Harvey Keitel, Philip Seymour-Hofman und Emily Watson sind ja
auch noch dabei, allesamt talentierte und überaus gern gesehene Schauspieler
-, von allem hätte man sich, auf Kosten des Anderen, etwas mehr gewünscht,
ohne aber wirklich auf das Andere verzichten zu wollen oder zu können.
Ein Film ohne rechtes Zentrum also, mit vielen Chancen, von denen nur wenige
umgewandelt wurden. Nicht ganz missglückt, aber eben auch nicht ganz geglückt.
Schade. Wirklich. Das nächste Mal vielleicht
etwas weniger Staraufgebot, dafür aber ein glühendes, faszinierendes
Zentrum! Bin ja eh der Meinung, dass Filme wieder etwas mehr to
the point inszeniert werden sollten.
Thomas Groh,
03.07.2003
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei: www.filmforen.de
Roter
Drache
USA
2002 - Originaltitel: Red Dragon - Regie: Brett Ratner - Darsteller: Anthony
Hopkins, Harvey Keitel, Ralph Fiennes, Emily Watson, Edward Norton, Mary-Louise
Parker, Philip Seymour Hoffman - Prädikat: wertvoll - FSK: ab 16 - Länge:
124 min. - Start: 31.10.2002
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