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Die
rote Zora
Enttäuschte
Kinderlieben – Die
rote Zora
von Peter Kahane
Bei Literaturverfilmungen verfällt
man gerne der Versuchung, Vergleiche mit der Vorlage zu ziehen und nur zu registrieren,
was alles nicht aus dem Buch in den Film übernommen wurde. Dies gilt natürlich
ganz besonders für die heiss geliebten Schätze der Kindheit. Und so
steht der Schreibende denn vor der schweren Aufgabe, die Verfilmung der Roten Zora zu besprechen, einem Buch, das für ihn weit mehr war
als ein bloss eine spannende Erzählung.
Zora, das war die erste grosse
unerfüllte Liebe meines Lebens. Ich habe es verehrt, dieses Mädchen,
das nicht nur schlau war, sondern auch stark. So stark, dass sie im Zweikampf
jeden Knaben besiegen konnte. Das machte Eindruck! Und dann war sie noch geheimnisvoll,
lebte als Anführerin einer Bande in einer verlassenen Burg und liess sich
von keinem Erwachsenen herumkommandieren. Zora war mein personifizierter Bubentraum,
der aber leider – o grosse Hinterhältigkeit der Literatur – immer unerreichbar
blieb.
In Peter Kahanes Verfilmung wird
Zora von Linn Reussen dargestellt. Die sieht zwar adrett aus, doch in einer
Prügelei könnte dieses Kindermodell nie bestehen. Und damit wären
wir schon bei einem grossen Unterschied zwischen Buch und Film: Die Handgreiflichkeiten,
die im Buch viel Raum einnehmen und die meine kindliche Begeisterung geweckt
haben, gibt es zwar weiterhin, aber wirklich weh tun die Schläge nie.
Nun kann es ja nicht der Sinn eines Kinderfilms sein, unablässig Gewalt
zu zeigen, aber was Kurt Helds Buch auszeichnet, ist nicht zuletzt eine gewisse
Rohheit und Widerborstigkeit. Bereits der Buchumschlag, den der Sauerländer-Verlag
bis heute nicht verändert hat, auf dem Zoras Haar feurig aus einer ansonsten
schwarzweissen Zeichnung heraussticht, macht klar, dass Zora eine Revolutionärin
ist. Das verstand ich auch als Kind, lange bevor ich um die politische Bedeutung
der Farbe Rot und um die Lebensgeschichte ihres Erfinders wusste, der als überzeugter
Kommunist 1933 in die Schweiz fliehen musste. Doch all das Revolutionäre,
Aufmüpfige hat man im Film eingeebnet. Zwar sind die meisten Episoden aus
dem Buch erhalten, aber Zora und ihre Gefährten wirken weder besonders
schlau noch dreist. Und ihre Widersacher – Polizei, Behörden und Gymnasiasten
– hat man vollends auf das Format von Witzfiguren reduziert. So bleibt’s bei
einem harmlosen Kinderfilmchen. Aber in diese Zora verliebt sich kein Knabe,
der etwas auf sich hält.
Simon Spiegel
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: Basler Zeitung
Die
rote Zora
D
2007. R,B: Peter Kahane. B: Christian Zübert, Ronald Kruschak. K: Dragan
Rogulj. S: Gudrun Steinbrück. M: Detlef Petersen. P: Studio Hamburg Produktion.
D: Linn Reusse, Jakob Knoblauch, David Berton, Pascal Andres, Woody Mues u.a.
99
Min. Universal ab 24.1.08
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