Die Royal Tenenbaums
Die Addams Family, die Bundys, die Flodders, die Simpsons - all
das sind, wenn auch liebenswerte, so doch vor allem arg schräge
Familien. Sozialgefüge, in denen irgendwie der evolutionäre Wurm
steckt und eine soziale Inkompetenz freilegt, die diese Familien zu
etwas ganz Besonderem werden läßt. Auch die Tenenbaums sind etwas
Besonderes - zumindest waren sie es einmal. Papa Royal und Mama
Etheline waren einst stolze Eltern dreier Genies. Die Tochter
sensationelle Jungautorin, die Söhne begnadet als Finanzjongleur
und Tennisprofi. Davon ist heute nicht mehr viel zu spüren. Die
mittlerweile erwachsenen Kinder sind psychische Wracks, schwer
beziehungsgeschädigt und blockiert für alle ihre Fähigkeiten. So
landen sie eines Tages zurück im Elternhaus, aus dem Royal
inzwischen ausgezogen ist und Etheline eine neue Beziehung zu
beginnen gedenkt. Doch das ist nicht das Ende der Tenenbaums, das
ist ihre Neuschöpfung, das ist ihre Chance, endlich das zu sein,
was alle anderen amerikanischen Familien doch schließlich auch
sind: ein Hort des Friedens, der Liebe und Wärme. Normal eben.
Moral und Intelligenz passen einfach nicht zueinander, so daß ein
moralisches Volk dumm sein dürfte, während ein intelligentes wohl
auf den Hund kommen muß. So oder so ähnlich könnte überspitzt der
Claim von Andersons Film lauten, den er mit seinem Kameramann
Robert Yeoman in ausgesprochen geschmackvolle Bilder faßt,
wunderbar lakonisch kontrastierend mit dem desolaten Tun der
Familie. Dem Erzähler von "Amélie Poulain" gleich, beginnt der Film
mit einer flotten Expositionssequenz, ehe sich das Formale
gemütlich zurückzulehnen beginnt und das fantastische Ensemble
genießt, das sich mit großer Spiellust die Bälle zuwirft. Besonders
Gene Hackman weiß dabei exakt, wo er die Grenze ziehen muß, um
nicht vom Lakonischen in die Parodie zu fallen, wenn er sich als
Papa Royal durch Vorgabe eines Krebsleidens in die Familie
zurückzukaufen versucht. Das Vortäuschen einer tödlichen Krankheit
oder das Geständnis der Liebe zur Schwester als Weg in die
"Normalität" zu nehmen ist wohl nicht eigentlich Instrument einer
moralischen Gesellschaft. Doch die Royal Tenenbaums können nicht
anders, und so heißt es auch bei ihnen am Ende: We Are Family !
Oliver Baumgarten
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
The Royal Tenenbaums. USA 2001. R, B: Wes Anderson. B: Owen Wilson. K:
Robert Yeoman. S: Dylan Tichenor. M: Mark Mothersbaugh. P: American
Empirical. D: Gene Hackman, Anjelica Huston, Gwyneth Paltrow, Ben Stiller,
Owen Wilson, Luke Wilson, Danny Glover, Bill Murray, Seymour Cassel u.a. 109
Min. Buena Vista ab 14.3.02