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Die
Rückkehr des King Kong
King Kong und Godzilla
als Pulp Fiction
Knapp 30 Jahre nach dem Erfolg von „King
Kong” (1933) kam in die japanischen
Kinos ein Film, der die Geschichte des Riesenaffen wieder aufgriff – in einer
Weise, die man nur als Pulp bezeichnen kann. Und trotzdem war das Publikum hellauf
begeistert von diesem B-Movie, obgleich der Film natürlich in keiner Weise
an das Original herankam. Für das amerikanische Publikum wurde eine Extraversion
des Films produziert. Der Film handelt allerdings nicht nur von Kong, sondern
verbindet die Geschichte des von einem Millionenpublikum geliebten Riesenaffen
mit dem japanischen Monster Godzilla, einer Art Saurier.
„Kingu Kongu tai Gojira” ist dabei in jeder Hinsicht
Pulp, Schund, aber dieser Schund ist wiederum – zumal aus heutiger Sicht – so
billig inszeniert, dass er nicht nur zum Lachen und Schmunzeln reizt, sondern
auch filmhistorisch in der Reihe der Sequels zu „King Kong” einen durchaus interessanten
Stellenwert hat. Die Figur des Kong war einerseits als Idee geboren worden aus
Filmen wie „Moby Dick”, in dem ein Wal zu einer intelligenten Figur kreiert
worden war, gegen den die Walfänger keine Chance hatten, und aus „Die Schöne
und das Biest”. Zum anderen verdanken wir Kong wohl der Abenteurer-Mentalität
seiner beiden Schöpfer Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack. Und zum
dritten verdankt Kong seine Beliebtheit der Nähe zwischen Mensch und Affe,
analogen Verhaltensmustern usw. Gerade diese Nähe machte es möglich,
die Sympathie des Publikums zu dieser Figur (die in „King Kong” eine 45 cm hohe
Puppe mit Hasenfell war) und eben dadurch auch den Phantastereien des ersten
Films wie seiner Nachfolger herzustellen.
In „Kingu Kongu tai Gojira” allerdings ist dies alles
etwas verschoben. Es fragt sich, auf wessen Seite das Publikum damals wirklich
stand: auf Seiten des brummenden Gorilla oder des trompetenden Sauriers. Im
Zentrum des Films steht einerseits die Bedrohung, hier Japans, durch beide Ungeheuer,
andererseits der Kampf zwischen den beiden Monstern.
Dabei
baut die Geschichte auf Ereignisse, die derart allen physikalischen, biologischen
und chemischen Gesetzen widerspricht, dass es schon wieder schön ist, sich
diesen offensichtlich Unsinn erzählen zu lassen.
Atomare Strahlung habe dazu geführt, dass auf
einer Südseeinsel namens Farou aus einem mehr oder weniger harmlosen Gorilla
ein Super-GAU-Affe geworden sei. King Kong, der auch in diesem Film von den
Bewohnern der Insel in Furcht verehrt wird, ist aus diesem Grund (!?) nicht
einfach immun gegen Elektrizität, nein, Elektrizität macht ihn noch
stärker. Godzilla hingegen wird als Jahrtausende im Eis frisch gehaltener
Saurier präsentiert, der durch das Abschmelzen des Eises am Nordpol aus
einem Eisberg „erwacht” und auf die japanische Küste zuläuft. Keine
Waffe der japanischen Armee kann ihn aufhalten.
Der Chef eines Pharmaunternehmens namens Tako will
King Kong als Attraktion von seiner Insel holen, um ihn als Werbemittel oder
so einzusetzen. Dazu begibt sich eine Expedition mit den beiden Pharma-Angestellten
Fujita und Furue nach Farou. Gerade diese Szenen auf Farou schwanken zwischen
einem platten, sich fast schon selbst auf die Schippe nehmenden Rassismus (die
Einwohner werden als angsterfüllt dargestellt, im üblichen Klischee
der um irgendwelche Dinge herumtanzenden Menschen vorgeführt usw.) und
mehr oder weniger ungewollter Komik (etwa wenn Furue als noch ängstlicher
und feiger dargestellt wird). So ganz ernst genommen haben die Macher des Films
diese Episode wie vieles andere im Film offensichtlich nicht.
Man betäubt Kong mit irgendeinem Gesöff
und transportiert ihn festgebunden und mit Dynamit umgeben auf einem Floß
im Schlepptau des Schiffes gen Japan, wobei allerdings die japanische Regierung
Tako verbietet, Kong an Land zu bringen, weil Kong atomar verseucht sei. Als
Kong erwacht und sich aus seiner Gefangenschaft befreien kann, versucht man,
ihn mit Dynamit zu töten – vergebens. Der Riese steht mitten im Ozean und
brüllt. Tako und die anderen suchen das Weite.
So gelangen beide Monster auf relativ bequemem Art
und Weise nach Japan, der eine wandert nach Norden, der andere nach Süden.
Vorher kommt es zu einem ersten „Geplänkel” zwischen den beiden Super-GAUs,
das unentschieden endet. Weder von der Armee gelegte Feuerwände, noch Dynamit
oder andere Waffen können die beiden in Schach halten, geschweige denn
töten.
Dass Kong sich der Freundin Fujitas, Fumiko, bemächtigt
und Fujita sie natürlich im letzten Moment befreien kann, versteht sich
von selbst. Allerdings spielt die „weiße Frau” im Unterschied zum Originalfilm
von 1933 und auch anderen Sequels in diesem japanischen Film eher ein untergeordnete
Rolle.
Während Kong in Tokio einläuft und dabei
nicht nur etliche Gebäude zertritt und mit U-Bahnen „spielt”, sondern auch
Panik auslöst, trampelt Godzilla auf den Fujiyama zu. Letztlich kommt Sakurai,
der Bruder Fumikos, auf die blendende Idee, Kong nochmals zu betäuben,
als der auf einem Hochhaus in Tokio steht, nachdem er sich abermals Fumikos
bemächtigt hat. Gesagt, getan. Der Riese fällt, man befestigt mittels
Drähten, bestehend aus einem von Fujita entwickelten praktisch nicht zerreißbaren
Material, Ballons an dem Riesen und fliegt ihn Richtung Fujiyama, um beide Monster
aufeinander zu hetzen. In God We Trust!
Glück im Unglück der
Japaner: Beide messen ihre Kräfte, und nach einem (welch Zufall) Erdbeben
stürzen sie ins Meer. Während Godzilla danach nicht mehr gesehen ward,
sieht man den armen Kong ins Meer hinaus waten – zurück auf seine Insel,
nehmen die Japaner an. Die Gefahr ist gebannt.
Pulp fiction! Sämtliche Naturgesetze sind außer
Kraft gesetzt. Atomare Strahlung, die angeblich von Kong ausgeht und ihn hat
angeblich groß werden lassen (!), scheint ungefährlicher als angenommen.
Der Affe beißt Hochspannungsleitungen durch, als ob es sich um Bindfäden
handeln würde. Godzilla wehrt Feuer ebenso ab wie die schärfsten Geschosse
der Armee. Und natürlich „liebt” Kong auch in diesem Film eine Frau – für
wirkliche Affen ein Ding der Unmöglichkeit.
Auf der anderen Seite treffen wir auf Menschen, die
sich ständig anders entscheiden. Mal will man Kong, mal will man ihn nicht.
Furue wird als extremer Angsthase vorgeführt, während Tako als dämlicher,
dümmlicher Chef eines Pharmakonzerns präsentiert wird. Der Film ist
über weite Strecken ein heilloses Durcheinander: Menschenmassen strömen
in die eine Richtung, die Armee in die andere, hilflos und lediglich beobachtend,
wie wirkungslos ihr gesamtes Waffenarsenal ist. Minister versuchen zu beschwichtigen,
andere weigern sich, Atomkraft einzusetzen. Wozu auch, wenn Kong durch Strahlung
gewachsen ist? Neben diesem heillosen Durcheinander berichtet die Presse aus
den USA (wohl nur in der US-Version des Films) und Japan über die neuesten
Ereignisse.
Aber diese ganzen Ungereimtheiten und naturwissenschaftlich
nicht haltbaren Ereignisse sind völlig unbedeutend für einen solchen
Film. Auch, dass zu deutlich sichtbar ist, das die gezeigten Panzer und Häuser
in der Regel nichts anderes als Spielzeug sind (bei den Panzern ist dies besonders
deutlich zu sehen). Denn Hauptdarsteller dieses Films sind Kong und Godzilla.
Und deren Kämpfe, deren Waten durch ein visuelles Japan, deren Brüllen
und Trompeten, deren Ringen, Steinewerfen und Boxen, deren Klatschen bei einem
Erfolg über den jeweils anderen waren sicherlich für das damalige
Publikum die Attraktion. Die Mischung aus Angst und Bewunderung, Distanz zur
dargestellten Bedrohung und Nähe zu den Kunstprodukten, denen trickreich
Leben eingehaucht wurde, machte auch diese Billigproduktion zum Renner in den
Kinos.
Pulp, ja! Aber immer mal wieder sehenswert und stellenweise
humorvoll.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei:
Die
Rückkehr des King Kong
(auch:
Schlachtfest der Giganten)
(Kingu
Kongu tai Gojira)
Japan
1962, 82 Minuten
Regie:
Ishirô Honda
Drehbuch:
Shinichi Sekizawa
Musik:
Akira Ifukube
Kamera:
Hajime Koizumi
Schnitt:
Reiko Kaneko
Darsteller:
Tadao Takashima (Oamu Sakurai), Kenji Sahara ( Kazuo Fujita), Yu Fujiki (Kinsaburo
Furue), Ichirô Arishima (Mr. Tako), Jun Tazaki (General Masami Shinzo),
Akihiko Hirata (Dr. Shigezawa), Mie Hama (Fumiko Sakurai)
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