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Rumblefish
Vermutlich muss man diesen Film hassen, wenn man ihn
nicht für seinen verrückten, fiebrigen Charme lieben kann. Er besteht
nur aus Stil und Blendung, nur aus Emotion und Wirkung, für die normalen
Prozeduren nimmt er sich keine Zeit. Er legt einen seltsamen Experimentalfilmstil
über eine recht simple Geschichte von heruntergekommenen Vierteln und Straßengangs,
und wer sich dafür interessiert, wie diese Geschichte ausgeht, der ist
im falschen Film.
Francis Ford Coppola, der „Rumble Fish“ gedreht hat,
nennt sein Werk „Filmkunst für Teenager“. Auf dieser Ebenen
könnte er ihnen auch gefallen. Teenager, die ins Kino gehen, sind ja manchmal
bereit, Lücken in der Handlung oder in den Charakteren zu verzeihen, solange
sie die reine Oberfläche des Films genießen können. „Rumble
Fish“ gibt ihnen statt einer Geschichte nur Emotionen, Bilder und Geräusche;
danach glaubt man sich zu erinnern, einen Film über eine Gang gesehen zu
haben, aber man weiß nicht mehr genau, welcher es war.
Der Film ist komplett schwarzweiß – bis auf die
Piranhas im Aquarium der Tierhandlung, die sind rot und blau. Das ist eine schöne
Dreier-Kombination, die uns die Abteilung für Filmsymbolik da beschert:
Wir kriegen die Farben der amerikanischen Flagge, ein Goldfischglas als sprichwörtliches
Symbol für die Jugend und eine Spezies, der das Kämpfen angeboren
ist, und die Gefahr läuft, bäuchlings nach oben zu treiben und dort
aus der natürlichen Umgebung entfernt zu werden. Piranhas als Teenager:
originell, und es stimmt irgendwie.
Die Teenager dieses Films leben in einer namenlosen amerikanischen
Großstadt, vielleicht in den 50er Jahren. Sie wurden aus Filmen wie „Blackboard
Jungle“ und all diesen Jugendgangsterklischees aus einem Dutzend anderer Filme
geklont. Ihr Held ist Rusty James (Matt Dillon), ein junger, gutaussehender,
dem Untergang geweihter Bandenführer. Sein Held wiederum ist sein großer
Bruder Motorcycle Boy (Mickey Rourke), der gerade aus Kalifornien zurückgekehrt
ist, um Rusty ein paar traurige Lebenslektionen zu erteilen. Ebenfalls mit von
der Partie ist Rusty Freundin (Diane Lane), eine berechnende Schönheit;
sein Vater (Dennis Hopper), ein trauriger Trinker; und das Straßenkind
Steve (Vincent Spano) sowie dazugehörige Rumtreiber und Passanten.
Während der Handlung des Films treffen sich die
Figuren, sie kämpfen, reden, philosophieren, knutschen rum und trinken,
manchmal sterben sie auch. All diese Aktivitäten werden höchst stilisiert
gezeigt: der Tod einer Person wird von einer schwebenden Kamera begleitet, die
zeigt, wie der Sterbende durch die Stadt schwebt und die Gerüchte über
sich selbst belauscht. Francis Ford Coppola füllt jedes Bild mit wabernden
Wolken aus Rauch, Dampf oder Nebel. Oft filmt er aus der Froschperspektive,
um den bewölkten Himmel zu zeigen, und mit Hilfe von Spezialeffekten lässt
er die Wolken auf schauerlich-träumerische Weise vorüber rasen.
Solche Effekte liebt man oder eben nicht. Als ich den
Film sah, verließen viele Zuschauer den Kinosaal und einer von ihnen rief,
er hätte lieber zu Hause bleiben und sich „Dallas“ anschauen sollen. Vielleicht
hatte er recht. Er kennt sich selbst ja besser als ich ihn. Ich fand
„Rumble Fish“ einen eigenwilligen, mutigen und äußerst originellen
Film. Wer außer Coppola hätte so etwas drehen können? Und natürlich:
Wer außer ihm würde so etwas drehen wollen?
Roger
Ebert
aus dem Englischen
übersetzt von Daniel
Bickermann
Der Original-Text ist erschienen
am 26.8.1983 bei: www.rogerebert.com
[http://rogerebert.suntimes.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/19830826/REVIEWS/50826002/1023]
Rumblefish
RUMBLE FISH
Rumble Fish
- Rusty James
USA
- 1983 - 94 min. - teils schwarzweiß - Erstaufführung: 3.8.1984
Regie:
Francis Ford Coppola
Buch:
S.E. Hinton, Francis Ford Coppola
Vorlage:
nach einem Roman von S.E. Hinton
Kamera:
Stephen H. Burum
Musik:
Stewart Copeland
Schnitt:
Barry Malkin
Darsteller:
Matt Dillon
(Rusty-James)
Mickey Rourke
(Motorcycle Boy)
Vincent Spano
(Steve)
Diane Lane (Patty)
Dennis Hopper
(Vater)
Diana Scarwid
(Cassandra)
Nicolas Cage
(Smokey)
Christopher
Penn (B.J. Jackson)
Tom
Waits (Benny)
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