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Running
Man
Running Man von 1987 mit Arnold Schwarzenegger
in der Rolle des Ben Richard thematisiert (wie auch Logan’s Run) das Motiv „Laufen“ oder „Rennen“, genauer gesagt das „Davonrennen“
vor einem tyrannischen Staat und einem omnipotenten Mediensystem. Allein die
Wahl Schwarzeneggers stellt klar, dass es sich im Gegensatz zu Logan’s Run nicht um eine sensible, philosophische
Studie handelt, sondern primär um einen kurzweiligen, unterhaltsamen Action-Film.
Der Film basiert lose auf einer Romanvorlage gleichen Titels von Stephen King;
es existiert daneben auch eine themengleiche deutsche Verfilmung Das
Millionenspiel
(1970).
Running Man spielt dem Entstehungsjahr des
Filmes 30 Jahre voraus, also 2017, und entwirft ein dystopisches Szenario: Die
Weltwirtschaft ist zusammengebrochen, Nahrungsmittel und Rohstoffe sind knapp.
Das System befindet sich im permanenten Krisenzustand, das Militär hat
die Kontrolle, es herrscht eine drastische Zensur, ein Polizeistaat, eine Militärdiktatur.
Über die permanent im Hintergrund laufenden Großbildschirme erfährt
der Zuschauer, dass es Prämien für die Denunzierung von Familienmitgliedern
gibt und dass die Überschreitung der Sperrstunde lebenslängliche Haft
zur Folge hat.
Der Militär und Helikopterpilot
Ben Richard weigert sich, bei einem Einsatz, auf um Nahrung kämpfende,
wehrlose Menschen zu schießen. In den Medien wird das Material manipulativ
zusammengeschnitten, so dass der Eindruck entsteht, Richards habe das Massaker
trotz gegenteiligen Befehls verübt, so dass er zu Haft in einem Arbeitslager
verurteilt wird.
Besondere Kritik wird beständig
an den omnipräsenten Unterhaltungsmedien, besonders dem Fernsehen geübt;
es fungiert als Moment der absoluten Kontrolle: „Sehen heißt glauben“
informiert ein Beitrag in einem im Hintergrund laufenden Fernseher. Die Shows
heißen „Klettern für Dollar“ (Kampfhunde, vor denen der Kandidat
davon klettern muss) oder „Running Man“, ein Gladiatorenkampf in dem die Kandidaten
von „Bluthunden“ genannten Kämpfern gejagt und getötet werden, vom
Moderator Damon Killian (Richard Dawson) euphemistisch als „Kontaktsport“ bezeichnet.
Gefangene haben durch Teilnahme an der Show die Möglichkeit, Schuld abzuleisten
(so Killian), sie findet in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium statt;
dahinter steht die Vorstellung eines übermächtigen Mediensystems als
entscheidende Institution.
Richards kann mit zwei weiteren Gefangenen, William Laughlin (Yaphet Kotto)
und Harold Weiss (Marvin J. McIntyre) – beide Teil einer Rebellenbewegung gegen den omnipotenten Staat, aus dem Arbeitslager fliehen und
versucht, bei seinem Bruder Unterschlupf zu finden. Dieser wurde aufgrund der
Inhaftierung Richards’ deportiert und Richards trifft in dessen Wohnung stattdessen
auf die Journalistin Amber Mendez (Maria Conchita Alonso), die er entführen
muss, um nicht verraten zu werden. Er wird bei der weiteren Flucht dennoch dingfest
gemacht und der einflussreiche und beliebte Killian übt Druck auf das Militär
aus, so dass Richards an der Show teilnehmen darf. Er zwingt Richards, an
der Show teilzunehmen, indem er Laughlin und Weiss in die Show holt, die ohne
ihn kaum eine Überlebenschance haben.
Die Festnahme Richards wird erneut
dramatisiert und manipulativ aufgearbeitet, angeblich hat Richards bei seiner
Festnahme Unschuldige ermordet. Die Geisel Mendez weiß jedoch um den tatsächlichen
Ablauf und zweifelt an der offiziellen Darstellung. Sie beginnt, Nachforschungen
anzustellen und findet im Sender Beweise für die Manipulation.
Richards muss währenddessen
in einer unterirdischen Kampfarena erst auf einer Eisbahn „Subzero“, einen Eishockeyspieler
mit explosiven Pucks, dann den Jäger „Buzzsaw“, mit Motorrad und Kettensäge
(welchen Richards mit der eigenen Säge zerteilt), bezwingen. Mittlerweile
wird die beim Nachforschen erwischte Amber Teil der Show und in die Arena geschickt.
Weiss entdeckt eine Übertragungsstation
und knackt deren Code, damit die Rebellenbewegung Botschaften an die Bevölkerung
adressieren kann, wird jedoch kurz darauf vom Opern singenden Jäger „Dynamo“
(der Stromschläge als Waffe nutzt) getötet. Richards verschont Dynamo,
wird dafür vom Publikum aber ausgebuht. Killian bietet Richards einen Platz
als Jäger in Show, was dieser jedoch ablehnt. Er kann auch „Fireball“ (mit
Flammenwerfer) bezwingen. Amber findet inzwischen in den Katakomben die Leichen
der angeblichen früheren Gewinner der Show. Das nationale Vorbild „Captain
Freedom“, ein muskulöser Fernseh-Fitnesstrainer und Topjagdhund, verweigert
sich dem Abschlusskampf, worauf der Sender einen computergenerierten Kampf zeigt,
aus dem Freedom als Sieger hervor geht.
Mit Hilfe des von Weiss ermittelten
Übertragungscodes können Rebellen das von Amber recherchierte Material
über den tatsächlichen Hergang des Massakers senden. Kurz darauf stürmt
Richards mit einigen Rebellen die Show, worauf Sicherheitskräfte rücksichtslos
um sich schießen. Diese werden bezwungen und Richards tötet Killian,
indem er diesen mit dem sicherungslosen Raketenschlitten, der die Kandidaten
in die Arena transportiert, an einer Wand mit einem Plakat, das Killians eigenes
Konterfei zeigt, explodieren lässt.
Kern des Films ist eine weit reichende
Medienkritik, insbesondere die Manipulationsmöglichkeiten durch (digitale)
Technik; diese macht sich insbesondere der Staat zunutze, um die Menschen zu
paralysieren und zu dominieren. Die Massen akzeptieren Brot und Spiele willig,
feiern Running Man und verleihen der Sendung einen quasi-religiösen Status
(ein Fan zu Killian: „Gott segne sie“). Dabei entlarvt der Name des Moderators
ihn als falschen Messiahs: Er ist kein Heilsbringer, sondern ein Unglücksbote,
ein Dämon (daemon = engl. Dämon). Nachdem Richard Subzero überwältigt,
trauert das Publikums paradoxerweise trotz des unfairen Kampfes um den Bluthund. Während
der Show verlost der Moderator permanent Gesellschaftsspiele passend zur Sendung,
um die Begeisterung und Täuschung zu maximieren.
Kurz vor seinem Tod holt der Moderator
zu einem langen Monolog aus, der den Zustand des amerikanischen Mediensystems
treffend beschreibt: „Das hier ist Fernsehen und das ist halt so. Das hat nichts
mit Menschen zu tun, nur mit Zuschauerquoten. Seit 50 Jahren sagen wir ihnen,
was sie essen, was sie trinken und was sie anziehen sollen. [...] Amerikaner
lieben das Fernsehen, sie ziehen ihre Kinder damit groß. [...] Die lieben
Spielsendungen, die lieben Catcher, die lieben Sport und Gewalt. Und was machen
wir? Wir geben ihnen, was sie wollen!“ Mehr denn je ist das Fernsehen im 21.
Jahrhundert der Big Brother der Nation: Erfolgreich konnte man die Menschen
mit dem Trauma von 9/11 im Hinterkopf auf den Waffengang im Irak einstimmen,
indem man den falschen Eindruck erweckte, es bestünde ein Zusammenhang
zwischen Saddam Hussein und Al-Quaida.
Medien konstituieren in Running Man die Realität, aber nicht
in einem Sinne einer vierten Gewalt, nicht als Instrument zur Information oder
Meinungsbildung, eher als Tranquilizer und Steuerungsinstrument. Maßgebliche
Instanzen sind Wirtschaft und Staat, den Medien kommt die Rolle zu, das Funktionieren
dieser Diktatur zu garantieren und zu maximieren und mit Unterhaltungsshows
die Menschen zu lähmen, die diese Rolle willig billigen. Hier standen offensichtlich
die vor den 70er-Jahren populären, senderfixierten medialen Wirkungstheorien
Pate, die erst später um rezipientenorientierte ergänzt wurden. Im
Mittelpunkt dieser Theorie stehen Konsumsteigerung, Kontrolle (nicht der Herrschenden,
sondern der Menschen) und die Befriedigung niederer Instinkte.
Das präsidentielle System
der USA mit seiner Fokussierung auf eine starke Rolle des Präsidenten mit
weit reichenden Kompetenzen und einem entsprechenden personalisierten Wahlkampf
ist dabei besonders anfällig für symbolische Politik (nach Thomas
Meyer) und politisches Agenda-Setting, insofern hat die überspitzte Darstellung
nichtsdestotrotz einen gewissen Realitätsgehalt. Das im Film dargebotene
Szenario legt eine „2/3-Gesellschaft“ zugrunde, der zufolge ein Großteil
der Gesellschaft prekarisiert und marginalisiert wird (die Menschen, die in
der Anfangsszene einen Existenzkampf um Nahrungsmittel führen oder inhaftiert
werden), während einer kleiner werdender Teil, die „Symbolanalytiker“ (nach
Robert B. Reich „wissensintensive Dienstleister“), von den Veränderungen
profitieren.
Running Man weist sicher nicht den Tiefgang
von Logan’s
Run auf,
bietet für einen Actionfilm doch erstaunlich kritisches Potenzial. Logan’s Run erörtert die an mit einer
gesättigten, aber kontrollierten Überflussgesellschaft verbundenen
philosophischen Fragen, während Running Man das gegenteilige Szenario einer autoritären und medienfixierten
Zweidrittelgesellschaft zum narrativen Hintergrund macht. Entscheidend für
die unterschiedlichen Herangehensweisen dürfte auch sicher der zeitgeschichtliche
Hintergrund sein: Standen für Logan’s Run Hippieutopien und 68er-Philosophie Pate, waren es im Fall von
Running
Man eher
die praxis- und ramboorientierten 80er Jahre, geprägt vom Afghanistankrieg,
Nato-Doppelbeschluss und Bush. Wiederum eine andere Richtung schlägt Die Insel (2005) ein.
Philip Baum
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.cinepolitik.de
Running
Man
THE RUNNING
MAN
USA
- 1987 - 100 (gek. 90) min. - FSK: ab 18; feiertagsfrei (gek. 16) - Verleih:
Neue Constantin, Taurus (Video) - Erstaufführung:
30.6.1988/30.10.1988
Video - Produktionsfirma: Taft/Keith Barrish Prod. - Produktion: Tim Zinnemann,
Georg Linder
Regie:
Paul Michael Glaser
Buch:
Steven E. de Souza
Vorlage:
nach einem Roman von Richard Bachman (= Stephen King)
Kamera: Thomas
Del Ruth, Reynaldo Villalobos
Musik: Harold
Faltermeyer
Schnitt:
Mark Warner, Edward A. Warschilka, John Wright
Darsteller:
Arnold
Schwarzenegger (Ben Richards)
Maria Conchita
Alonso (Amber Mendez)
Richard
Dawson (Damon Killian)
Gus
Rethwisch (Stalker)
Eddie
Bunker (Lenny)
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