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Sabah
Was mag Arsinée Khanjian („Felicia,
mein Engel“, „Exotica“), diese intelligente
kanadische Schauspielerin, wohl dazu gebracht haben, die Sabah im gleichnamigen
Film zu spielen? Konsumentenfreundlich wird darin geschildert, wie Sabah, eine
unverheiratete vierzigjährige Kanadierin mit syrischen Wurzeln, die ihrer
Familie und deren rigider Tradition verpflichtet ist, sich in einen Nichtmoslem
verliebt. Weil das ihrem Bruder, der nach dem Tod des Vaters argusäugig
das patriarchische Zepter über den Vierfrauenhaushalt schwingt, kaum gefallen
würde, trifft sie Stephen heimlich im Schwimmbad, im Fast Food-Restaurant,
nascht sie heimlich ihren ersten Schluck Rotwein und ihren ersten Kuss.
Der Katalog muslimischer Gebote - soviel zeigt der
Film, und Khanjian so differenziert, wie es ihre frugale Rolle zulässt
- ist für die Muslimin im freizügigen Westen Unfreiheit in Permanenz.
Nur die Freuden des Bauchtanzes dürfen die Damen des Hauses in selbigem
ungetrübt und feminin bekleidet auskosten. Draußen aber bleiben Haare,
Busen und Gelüste verborgen.
Die Frau, der Mann und der Koran. Wie von der Stange
erteilt „Sabah“ Lektionen, wie das (nicht) funktioniert und vergisst dabei fast,
dass er auch von Menschen handelt. Mit der ins allzu Heitere gezwungenen Flachheit
seiner Figuren (welche der Glätte der Bilder entspricht, die mit der Ästhetik
nachmittäglicher TV-Formate wetteifert) konterkariert der Film das eigene
aufklärerische Ansinnen, und seine finale Konfliktlösung ist unglaubwürdig
einfach und seltsam konziliant. Davon, dass Frauen in ähnlichen Situationen
mit ihrem Leben bezahlen, will der Film nichts wissen. Der anfangs bedrohlich
autoritäre Bruder entpuppt sich plötzlich als ein netter, aber „Sabah“
soll auch nur nette Unterhaltung sein - oder starrsinnigen Familienoberhäuptern
Wege einer liberaleren „Familienpolitik“ aufzeigen?
Die Geschichte der „Sabah“ bleibt irgendwo zwischen
Tradition, Problem, Komik und Bauchgewackel stecken. Vielleicht hat der syrisch-kanadischen
Regisseurin Ruba Nadda deren wirkungsmächtige melodramatisch-popige Fusion,
wie sie Bollywood-Produktionen immer wieder gelingt, vorgeschwebt. Vielleicht
fehlten die Mittel, oder es fehlte der Mut: Nach dezenten Emanzipationsansätzen
jedenfalls landet die Frau Sabah erneut in einem neuen Frauchenschema - und
der Film „Sabah“ im verharmlosenden Konsens. Bunte, lackierte Bilder - und doch
ist Arsinée Khanjian das Einzige, was glänzt. Warum nur hat sie
dieses Klischeevehikel mit ihrer Vielschichtigkeit beehrt? Etwa weil ihr Gatte
Atom Egoyan der Produzent war? Und was hat dann Atom Egoyan, diesen intelligenten
kanadischen Regisseur, dazu gebracht, diesen Film zu produzieren?
Andreas Thomas
Dieser Text ist, nahezu gleichlautend,
zuerst erschienen im: Applaus (München)
Sabah
Kanada
2005 - Regie: Ruba Nadda - Darsteller: Arsinée Khanjian, Shawn Doyle,
Jeff Seymour, Fadia Nadda, David Alpay, Kathryn Winslow, Setta Keshishian, Roula
Said, Aaron Abrams, Mary Lou Fallis, Kaylen Christensen - Länge: 90 min.
- Start: 4.5.2006
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