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Salsa
& Amor
Joyce
Sherman Buñuel holt Kuba nach Paris
Über
Kuba im Kino muss man wohl kein Wort mehr verlieren. Allerdings kommt dieser
Film nicht aus Lateinamerika, er spielt auch nicht richtig dort. SALSA &
AMOR ist eine französisch-spanische Co-Produktion. Angesiedelt in Paris
im Milieu kubanischen Emigranten. Also doch wieder Kuba, nur schon im Blick
des Fremden gebrochen.
Das
Motiv ist hübsch, wenn auch nicht sonderlich originell: ein Identitätswechsel.
Rémi ist ein junger gefeierter Konzertpianist mit geföntem Haar.
Doch sein Herz gehört dem Salsa. Eines Tages tickt er mitten in einem gepflegten
klassischem Konzert einfach aus und „hämmert wie wild auf die Tasten"
(Presseinformation).
Die
Karriere ist hin, der Gelderwerb auch. Rémi versucht sein Glück
bei alten Freunden aus der Latino-Musik-Szene. Doch die können, so weit
wissen sie ihr Publikum einzuschätzen, einen „Blässling" nicht
gebrauchen. Rémi fackelt nicht lange, und mit etwas Unterricht, Sonnenstudio
und Kosmetik wird aus ihm bald Mondo, ein heißblütiger Latino, der
auf Handzetteln Salsa-Kurse anbietet und weiß, wie man eine Frau anschauen
muss, damit sie schwach wird.
Der
Wechsel von Identitäten und das Aufeinanderprallen kultureller Welten war
schon immer ein reizvoller Filmstoff und ist es noch. Remis Verwandlung ist
auch schön exzessiv ausgespielt. Doch das reicht nicht. Es würde sich
anbieten, aus so einem Stoff eine Reflektion auch über exotistische Latino-Bilder
und Kuba-Klischees zu machen, auch über Rassismen beider Seiten. Der Meta-Film
zum Kuba-Boom sozusagen. SALSA & AMOR zeigt ein paar zarte Ansätze
in diese Richtung, doch dann verliert sich der Film sehr schnell in eine Liebesgeschichte,
die in ihrer Wann-sag-ichs-ihr-Dramaturgie sehr konventiell daherkommt und dann
auch noch nach altbewährtem Findelkind-Schema generationsübergreifend
ungeahnte Verwandtschaften und interkulturelle Abstammungslinien aus dem Hut
zaubert.
Das
ist sicher gut gemeint, aber ein bisschen schlicht gedacht. Und ist es nicht
auch ein allzu billiges antirassistisches Argument, dass wir ja vielleicht alle
ein bisschen fremdes Blut in den Adern haben? Besonders wenn dies wie hier dazu
herhalten muss, die alten Klischees nur neu zu definieren. Warum gilt Mondo
denn als „eigentlich" schlechter Tänzer, während sich die verklemmte
Nathalie (kubanischstämmig) schon beim ersten Tänzchen mit ihm in
eine exzessive Rakete verwandelt? Interessant, doch eher unter dem Aspekt Skurrilität
abzubuchen, ist, dass Mondo in seinem Aussehen verdammt an die alten fetischisierten
Che-Guevara-Bilder erinnert. Linke Politik ist mittlerweile tabu, doch die Ikonen
leben in Verkleidung fort.
Regisseurin
Joyce Sherman Buñuel, Tochter jüdischer Emigranten polnisch-russischer
Abstammung, ergatterte den schillernden Nachnamen in einer kurzen Ehe mit Buñuels
Sohn Luis, doch hat diese „Verwandtschaft" ihren belanglosen Film keineswegs
kreativ beeinflusst.
Silvia
Hallensleben
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
Salsa
& Amor
SALSA
Frankreich
2000. R:
Joyce Sherman Buñuel. B: Joyce Sherman Buñuel,
Jean-Claude Carriere. P: Eric Hubert. K:
Javier Aguirresarobe. Sch: Nicole Saunier. M: Sierra Maestra, Jean-Marie Senia,
Yuri Buenaventura. T: Gilles Ortion. A: Jean Bauer. Ko: Christine Jacquin. Pg:
Vertigo/Mate/M6 Films/Universal. V:
Highlight. L:
100 Min. FSK: 6, ffr. Da: Christianne Gout (Nathalie), Vincent Lecoeur (Remi),
Catherine Samie (Letty), Michel Aumont (Monsieur Redele), Roland Blanche (Henry),
Alexis Valdes (Felipe), Eliza Maillot (Francoise).
Start:
31.8.2000(D), 25.5.2000 (CH).
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