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Scarface
Brian De Palmas Remake des
Gangsterklassikers von Howard Hawks: ein grandioser barocker Exzess.
Tony Montana (Al Pacino) gehört
zu den aus Kuba Anfang der 80er nach Florida abgeschobenen Massen. Und wie viele
besitzt davon er kriminelle Vergangenheit. Durch einen Mord im Flüchtlingscamp
verschafft er sich eine Green Card, dann beginnt buchstäblich der Aufstieg
vom Tellerwäscher zum Millionär. Gemeinsam mit Kumpel Manny Ray (Steven
Bauer) tritt er in die Dienste des Drogenbarons Frank Lopez (Robert Loggia)
und arbeitet sich nach oben. Doch die Liebe zu seiner Schwester (Mary Elizabeth
Mastrantonio) und zum Kokain erweisen sich als Stolperstein.
"Rule
number one: Don´t underestimate other people´s dreams. Rule number
two: Don´t get high on your own supply." Beide Regeln wird Tony Montana brechen und es wird sein Untergang
sein, ballistisch, gigantomanisch nach der epischen Geschichte eines blutigen,
neongetränkten Aufstiegs.
Sieht man vom Irrsinn ab, Howard
Hawks´ Scarface, einen der mustergültigsten
Filme aller Zeiten, neu verfilmen zu wollen (fast entschuldigend ist die Neuauflage
Regisseur und Drehbuchautor des Originals gewidmet), so gibt es an Brian De
Palmas überbordendem Stück Grand Guignol wenig auszusetzen. Alles
wird hier bis zum Anschlag hochgefahren: Schon nach einer halben Stunde legt
die berüchtigte Kettensägenszene ein neues Gewaltlevel vor, Al Pacino
chargiert sich auf Teufel komm raus durch Jahrhunderte währende Shootouts,
Berge von Kokain und die Beziehungen zu seiner Schwester (das Inzestmotiv kann
man hier kaum noch angedeutet nennen) und dem kleinen, mondän schäbigen
und für den Aufsteiger unendlich reizvollen Flittchen seines Chefs, Michelle
Pfeiffer. " In this country, you gotta make the money first. Then when you get
the money, you get the power. Then when you get the power, then you get the
women", sagt Tony einmal - wenig verwunderlich, dass Scarface
so ziemlich der einzige Hollywood-Mainstreamfilm ist, der Fidel Castro das erste
Wort überlässt. Hinter
seinen epischen Kamerafahrten, der seifigen Musik (Giorgio Moroders Soundtrack
klingt wie discofizierter Morricone - nicht zufällig gilt Scarface mit seinen Neonwelten, Luxuskarossen
und dem Selbstermächtigungstraum seines Helden auch als die Mutter aller
Hip-Hop-Filme, eine Kunstform, wo ähnlich widersprüchlich kapitalistische
Strategien verhandelt werden), den oft fast arhythmisch bombastischen set pieces und der nahezu aufdringlichen
Reflexivität im Umgang mit dem Genre (Autor Oliver Stone versucht sich
an einem Gangsterfilm, um alle Gangsterfilme zu beenden: "The Gangster
As Tragic Hero", wie das Standardwerk zum Thema heißt) zeigt sich
aber neben der Liebe zum extravaganten Spektakel ("The World Is Yours",
die Leitzeile beider Scarfaces, surrt auf einem riesigen Zeppelin
zum ersten Mal ins Bild) auch die ganze, perfektionistische, unter der stilisierten
Oberfläche oft verborgene subtile Inszenierungskunst De Palmas, dem immer
nur Hitchcock nachgesagt wird, obwohl diese Irrsinnsverbindung ebenso Welles
(insbesondere Touch Of Evil) nahe legen würde.
Zum Beispiel so: Tony im Kämmerlein
bei seinem Chef Frank, eine Grundsatzdiskussion. Hinter Frank: Zwei Gemälde,
die eigentlich eine Landschaft zu zeigen scheinen. Der Spalt dazwischen wird
von ihm blockiert. Nach ein paar Bewegungen offenbart sich, dass die Küste
auf den Bildern, die eins zu sein scheint, nicht zusammenpasst: trompe l´oeil.
Hinter Tony: eine Fototapete mit Südseepalmen, in der sich erst am Ende
der Szene, beim Verlassen des Raumes, eine Tür offenbart. Ein Fluchtweg,
ein Ausgang aus der vorgezeichneten, unvermeidlichen Bahn des Gangsters: trompe
l´oeil.
Christoph Huber
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.allesfilm.com
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Scarface
USA
1983. R: Brian de Palma. B: Oliver Stone. K: John A. Alonzo. S: Jerry Greenberg,
David Ray. M:
Giorgio Moroder. P: Universal. D: Al Pacino, Michelle Pfeiffer, Mary Elisabeth
Mastrantonio, Robert Loggia u.a. 170 Min.
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