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Der
Schatz (1923)
Die DVD-Hülle verspricht nicht zu viel – wo
„Der Schatz“ draufsteht, ist auch einer drin: der Regie-Erstling von Georg Wilhelm
Pabst, 1923 in Dresden uraufgeführt und 1999 auf dem Festival in Karlsbad
dem Vergessen entrissen. Was Kritiker des Films wie Siegfried Kracauer und Lotte
Eisner einst als stilistische Uneinheitlichkeit bemängelten, wurde anlässlich
der Rekonstruktion und Wiederaufführung als kulturkritische Botschaft dieses
in der Tat auffällig zwischen expressiver und naturalistischer Darstellung
oszillierenden Kammerspielfilms begriffen. Auf einmalige Weise wird nämlich
der Weg heraus aus dem filmischen Expressionismus vorgezeichnet, ein Weg, der
G.W. Pabst und andere Künstler in die Neue Sachlichkeit führte. Als
filmische Allegorie des Alten, Überkommenen fungiert eine slowenische Glockengießerei,
die seit Jahrhunderten einen unentdeckten Goldschatz birgt. Ähnlich dem
„Cabinet
des Dr. Caligari“ ist das Dekor labyrinthisch,
bizarr verformt, von dämonischen Schatten bestimmt.
Die Opposition gegenläufiger Kräfte wird
zum strukturellen Moment des Films. Die Ankunft des jungen Goldschmieds Arno
bringt Unruhe in die alteingesessene Glockengießer-Familie. Nun suchen
zwei Männer nach dem Gold und werben zugleich um den anderen „Schatz“,
die Tochter des Meisters: Während der finstere Hausgeselle Svetelenz (grandios:
Werner Krauß) erfolglos mit der Wünschelrute herumgeistert, findet
schließlich Arno (stürmisch: Hans Brausewetter) den Schatz dank kühler
Logik, zieht aber doch lieber mit der schönen Beate von dannen. Svetelenz
und das Glockengießerpaar machen sich mit teuflischer Gier über das
Gold her, bis das einstürzende Haus sie unter sich begräbt. Das überlebende
junge Paar lässt Pabst im bühnenartig perspektivisch verkürzten
Schlussbild so lange weiterlaufen, bis sie im Hintergrund gleichsam aus dem
Landschaftsdekor herauswachsen – Ein anti-illusionistischer „Fehler“, der hintersinnig
das Ende des Expressionismus einläutet.
Neben der packenden Visualität und den überzeugenden
Darstellerleistungen ist die neu eingespielte Originalmusik ein starkes Plädoyer
für den Film. Der Komponist Max Deutsch (1892-1982) – ein Schüler
Arnold Schönbergs –, würzte seinen eklektizistischen Score mit Zwölfton-Klängen,
blieb im Großen und Ganzen aber der Spätromantik verpflichtet, wobei
Gustav Mahlers Sprünge zwischen symphonischer Strenge und Volksliedcharakter
tonangebend sind. Die Musik, schrieb Volker Scherliess in der „Neuen Zeitschrift
für Musik“ schon 1984: „untermalt nicht nur, sondern malt selbst mit, wobei
das Orchester (...) teils kräftige, teils subtile Farben setzt.“ Sie lässt
sich von daher auch in einer zeitgleich zur DVD erschienenen, vollständigen
CD-Einspielung beim Label cpo genießen. Hier wie dort heißt der
bewährte Dirigent Frank Strobel, der sich hier auf eine komplette Originalpartitur
stützen konnte, während – wenn überhaupt – sonst nur Klavierauszüge
von Stummfilm-Begleitmusiken vorliegen. Über das Abenteuer einer Neueinrichtung
für den Film, der aufgrund der zeitbedingten Lücken nicht mehr ohne
weiteres zum Notenmaterial passte, berichtet Strobel im Zusatzmaterial. Überhaupt
geizt die Bonus-DVD nicht mit Informationen über die Rekonstruktion des
Films und über den Regisseur (sein Sohn Michael Pabst gibt Auskunft in
einem Feature von Robert Fischer). Erhellend auch der Booklet-Text vom Pabst-Experten (und filmzentralen-Mitarbeiter - die fz-Redaktion) Klaus Kreimeier
und ein zuschaltbarer Audiokommentar zum Film. Der Tonwertreichtum der über
70 Jahre alten, in Prag aufgefundenen Nitratkopie ist bestechend. Für die
wachsende Gemeinde der Stummfilm-Fans ist dieser „Schatz“ ein Muss.
Jens Hinrichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Zu diesem Film gibt's im archiv der filmzentrale mehrere Texte
Der
Schatz (1923)
Deutschland
- 1923 - 80 min. – schwarzweiß - Verleih: offen - Erstaufführung:
14.10.1999 arte - Produktionsfirma: Froelich Film - Produktion: Carl Froelich
Regie:
Georg Wilhelm Pabst
Buch:
Willy Hennings, Georg Wilhelm Pabst
Vorlage:
nach einer Novelle von Rudolf Hans Bartsch
Kamera:
Otto Tober
Musik:
Max Deutsch
Darsteller:
Albert
Steinrück (Svetocar Badalic)
Lucie
Mannheim (Beate)
Ilka
Grüning (Anna)
Werner
Krauss (Svetelenz)
Hans
Brausewetter (Arno)
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