Der
schmale Grat
KIRCHGANG
Terrence
Malicks Verfilmung des "Why"-Plakats
Auf
der Berlinale kamen die Ehrfurchtsbekundungen gegenüber dem Regisseur Terrence
Malick einem Gottesdienst gleich, und auch seine mit dem Goldenen Bären
ausgezeichnete Verfilmung des James-Jones-Romans "The Thin Red Line"
hat viel von einem Kirchgang. Natürlich in einer schönen und reich
verzierten Kirche, denn Malick, ist nach zwanzig Jahren zum Filmgeschäft
zurückgekehrt, um von der Großartigkeit der Schöpfung zu künden.
DER
SCHMALE GRAT, so der deutsche Titel, beginnt und endet ganz behutsam. Eine amerikanische
Einheit (darunter Woody Harrelson, Nick Nolte und Sean Penn) landet im zweiten
Weltkrieg auf einer Insel im Südpazifik. Nach einer gespannten Weile der
Vorbereitung, beginnt sie, ein diffuses militärisches Ziel, nämlich
einen Hügel, zu erobern und nach einem kurzen exzessiven Kampf mit vielen
Verlusten auf beiden Seiten, mutet der Sieg der Amerikaner wie ein wertloser
Triumph an. In der darauf folgenden Pause haben die Soldaten Zeit zur seelischen
Bestandsaufnahme.
Der
Unterschied zu Spielbergs dröhnendem SAVING
PRIVATE RYAN
ist beträchtlich. Bei Spielberg, der nie den Verkauf seiner Geschichte
außer acht läßt, sind im Grunde lauter tapfere Burschen unterwegs,
die militärischen Aktivitäten sind in der Gesamtwertung höchst
sinnvoll und am Ende wird eine Brücke triumphal und tränenreich gerettet.
'So war das damals', behauptet Spielberg und 'Mensch, waren wir tapfer!'. Dagegen
der Zweifler Malick, der künstlerisch kompromißloser ist, nimmt keine
Rücksicht auf den üblichen Erzählrhythmus. Er läßt
auf- und abtreten, wie es ihm paßt, pfeift auf Spannungskurven und reiht
am Ende ca. vierzehn Schlußworte aneinander. Einzelne, ob Melancholiker,
Barbaren oder Ängstlinge, werden aus dem Wirrwarr herausgepickt und offenbaren
mittels Offstimmen ihre Gedankenströme. Auch der Kerl, der den japanischen
Kriegsgefangenen die Goldzähne rausschneidet, kommt zu Wort. Durch viele
nebulösen Erwägungen über Tod, Schuld und Liebe verwabert DER
SCHMALE GRAT zu einer ausufernden Verfilmung des "Why"-Plakats, jenes
Siebziger-Jahre-Posters mit dem sterbenden Soldaten. Selbst die privaten Rettungsanker
sind hier nicht sicher: Nach einem Exkurs über die Macht der Liebe erhält
jener Rekrut, der sich durch die Erinnerung an seine Frau stets neu motiviert
hat, die briefliche Bitte um Scheidung.
Während
der Film also inhaltlich keine Antworten gibt, so tun es doch die Bilder. Malick
betritt seine Schauplätze wie eine Kathedrale. Er preist die Unschuld und
Ewigkeit der Natur im Kontrast mit den mickrigen menschlichen Belangen. Die
wiederholte Montage des Kampfes mit der unverdorbenen Parallelwelt vermittelt
hinlänglich den Eindruck von Ewigkeit, denn die Idee wirkt spätestens
nach zwei Stunden platt. Starke Momente bleiben aber nicht aus, z.B. wenn die
Soldaten mit angehaltenem Atem durch den Dschungel schleichen, und unvermittelt
ein lustwandelnder Eingeborener an ihnen vorbeilatscht. Einmal fangen sie gar
ein Krokodil und starren es schweigend und fasziniert an. So war's wenigstens
eine Bestie, die sie zähmen konnten.
Richard
Oehmann
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
artechock : FILM- UND KUNSTMAGAZIN
Der schmale Grat (The Thin Red Line)
USA
1998 - 172 Minuten -
Regie:
Terence Malick
Kamera: John Toll
Drehbuch:
Terence Malick
Besetzung:
Sean Penn, Adrien Brody, Ben Chaplin, Nick Nolte u.a.