zur startseite
zum archiv
Schmalspurganoven
Erfolg
und andere Kleinigkeiten
Woody
Allens "Schmalspurganoven" verdienen ihr Geld mit Keksen
Das
Problem, über diesen Film zu sprechen, liegt genau darin, dass es eigentlich
kein Problem sein sollte. Alles scheint klar - der neue Woody Allen eben. Nach
30 Filmen ist so ziemlich alles über Allens Arbeit als Regisseur, Drehbuchautor
und Hauptdarsteller gesagt worden, sein Name ist Markenzeichen und Kriterienkatalog
zugleich. Seit Ewigkeiten wird der neue Woody Allen mit seinen Vorgängern
verglichen, man entdeckt Zitate und Autobiografisches. Es wird abgeglichen.
Wie aber kann dieser eingefahrene Trott des Redens über Woody-Allen-Filme,
einem Film gerecht werden, der alles andere als langweilig und eingefahren ist?
Was erzählt es über die Leichtigkeit und den wundervollen Rhythmus
von Schmalspurganoven,
wenn man ihn kundig als verlagerte Fortsetzung von Woody,
der Unglücksrabe (1969)
vorstellte? Muss man womöglich, um vom Zauber dieses Films zu reden, noch
einmal ganz neu ohne den Woody-Allen-Kanon beginnen?
Altern
als Problem für Straftäter
Vielleicht
mit der Geschichte: Allen spielt den nahezu mittellosen Kleinkriminellen Ray,
der mit seiner Frau Frenchy (Tracey Ullman) in einer kleinen Bude irgendwo in
New Jersey lebt. Das soll sich ändern, und darum hat der "gealterte
jugendliche Straftäter" einen kühnen Plan ausgeheckt. "Was
für eine tolle Idee soll das schon sein, willst du vielleicht 'ne Bank
ausrauben?!" - "Woher weißt du das?" Aus einem als Keksgeschäft
getarnten Hauptquartier wollen sich Ray und seine Kollegen Benny (Jon Lovitz),
Tommy (Tony Darrow) und Danny (Michael Rapaport) in den angrenzenden Tresorraum
durchwühlen. Das dauert länger als vorgesehen. Und mittlerweile ist
die Kekstarnung längst zum Bombengeschäft geworden: "Limit: three
cookies a person, sorry!"
Ray
gräbt in die falsche Richtung, die leicht unzurechnungsfähige Anverwandte
und Keksverkäuferin May (Elaine May) verplappert sich, "Wir bauen
nämlich an!", und ein Polizist überrascht die drei Panzerknacker
nach ihrem Durchbruch in der angrenzenden Modeboutique. Der aber nimmt keine
Verhaftung vor, sondern will rein ins Keksgeschäft. Ein Jahr später
ist Sunset Farms zum nationalen Keksimperium aufgestiegen. Old
Economy, sozusagen.
Jetzt
beginnt Schmalspurganoven
quasi noch einmal, denn Frenchy will über ihren plötzlichen Reichtum
in die New Yorker High Society einziehen. Da aber ihre Grundkenntnisse in Sachen
Benimm und Kultur eher verheerend sind, wird der Feingeist und Kunsthändler
David (Hugh Grant) engagiert, soziale Wiedergeburtshilfe zu leisten. Daran aber
hat das Verbrechergenie Ray überhaupt kein Interesse. Und je mehr sich
Frenchy für David interessiert, desto enger kommen Ray und May zusammen.
Letztere sitzen mit fast food vor dem Fernseher, Frenchy macht mit David in
Hochkultur, während sich der britische Schnösel Hoffnung auf ihr Vermögen
macht. Erst als Rays und Frenchys Ehe zu zerbrechen droht und der Kekskonzern
bankrott macht, kommt es noch einmal ganz auf Liebe und Diebstahl an. What's
so funny about love, peace and understanding? Der
Weg dorthin, könnte man mit diesem Film antworten. Etwa Woody Allens unglaublich
geschmacklosen Versace-Anzüge, Tracey Ullmans Schlagfertigkeit, Elaine
Mays trockene Dummheiten.
Der
Rhythmus, das perfekte Timing einer Komödie hat einerseits immer mit Beschränkung
zu tun und andererseits mit dem richtigen Zeitpunkt, die totale Absurdität
ausbrechen zu lassen. Zwischen Überfülle und Knappheit muss ein Weg
gefunden werden, der uns in beides mitnimmt. Während die Mehrzahl neuerer
Komödien auf dieser Suche bestenfalls zu einem Mittelweg kommt, hat Schmalspurganoven
den goldenen Schnitt gefunden.
Jan
Distelmeyer
Diese Kritik ist zuerst erschienen in der: Zeit
Schmalspurganoven
USA
2000 - Originaltitel: Small Time Crooks - Regie: Woody Allen - Darsteller: Woody
Allen, Tracey Ullman, Hugh Grant, Elaine May, Michael Rapaport, Tony Darrow,
Jon Lovitz, George Grizzard - Länge: 94 min. - Start: 30.11.2000
zur startseite
zum archiv