Die schöne Hochzeit
Eine junge Frau im Zug, die liest. Schnitt. Ein junger Mann im Zug, der
schreibt. Schnitt. Das geht noch einmal so, dann steigt sie aus, bevor es
zum Kontakt gekommen wäre. Ihre Geschichte wird erzählt werden, seine
nicht. Sie werden sich wiederbegegnen, als wäre nichts gewesen, alles
geht noch einmal von vorne los mit den ersten Blicken, die wir noch sehen
werden: am Ende.
Sabine steckt in einer Beziehung mit einem verheirateten Mann, einem
Maler. Beim Sex klingelt das Telefon, der Sohn ist dran. Sabine fasst
einen Entschluss: Aus und vorbei mit dieser Beziehung, sie will heiraten.
Also sucht sie einen Mann. Eine Freundin ist ihr behilflich, sie hat da
einen Cousin, Rechtsanwalt, die beiden lernen sich kennen, Sabine ist er
recht. Verliebtheit, Liebe, all das kann warten: geheiratet werden soll
er auf jeden Fall. Sabine diskutiert, mit ihrer Freundin, mit ihrer
Mutter, mit einem Freund, über Geschlechterverhältnisse, über ihr Recht
auf diesen Wunsch. Am wenigsten spricht sie mit dem Auserkorenen. Er ruft
nicht zurück, also ruft sie zurück. Sie fährt von LeMans, wo sie lebt,
nach Paris, wo er lebt, er scheint zurückhaltend, sie belagert ihn,
umsonst. Auf ihrer Geburtstagsparty kommt er spät und verschwindet
wieder, bevor es zur Annäherung kommt. Sie ruft ihn an, die Sekretärin
vertröstet sie ein ums andere Mal, schließlich stellt sie ihn in seinem
Büro zur Rede. Aus ihrer Phantasie, an deren Umsetzung in die
Wirklichkeit sie so lange gearbeitet hat, wird nichts: er will ungebunden
bleiben. Sie macht ihm eine Szene, verschwindet. Kurz darauf sehen wir
sie wieder im Zug - der ein Leitmotiv ist, Auslauf sozusagen für den
entschiedenen Wunsch, der das Ziel zunächst verfehlt -, wieder der junge
Mann vom Anfang, die Blicke zwischen ihnen.
Diskurs einer Sprache des Heiratswunsches. Hierhin und dorthin werden
Vorstellungen über das Leben, Abhängigkeit und Unabhängigkeit, den
Wunsch, eine Aufgabe zu haben, gewendet. Es wird viel geredet, aber das
ist kein Geplapper, sondern Entfaltung einer Situierung: Sabine, die dies
denkt und das will. Ein Überschuss ja, des Gesprochenen über das Gewagte,
des Phantasierten über das Gelebte, aber in diesem Überschuss, wie immer
bei Rohmer, auch eine Utopie der Versprachlichung, des Entwurfs von - sei
es monomanischen - Möglichkeitswelten. Als diese Möglichkeitsform
entwirft sich auch der Film selbst: das Scheitern ist vorläufig, das Ende
ein neuer Anfang.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Die schöne Hochzeit
(F 1981)
Regie: Eric Rohmer
Dies ist der zweite Film des Zyklus der "Komödien und Sprichwörter"