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Schräger
als Fiktion
Let’s
Twist Again
Nachdem Charlie Kaufman mit Preisen geradezu gesteinigt
wurde, konnte es nicht lange dauern, bis die ersten Epigonen am Horizont sichtbar
werden. Zach Helm tritt als erster in die Fußstapfen des Meisters, ersinnt
eigene schwindelerregende Plotkonstellationen – und scheitert an den gleichen
Problemen, mit denen auch sein Vorgänger regelmäßig zu kämpfen
hat.
Das Rezept dieser neuen Stilrichtung (nennen wir
sie "den Hirndreherfilm") ist klar: Eine absurd-fantastische Vorgabe
(hier: ein Steuerbeamter, der plötzlich eine Erzählerstimme in seinem
Kopf hört, die sich tatsächlich als Autorin mit gottgleicher Macht
über ihn herausstellt) wird mit beinahe unangebrachtem Ernst bis in die
letzte Konsequenz durchgespielt und verschärft, bis... ja, bis der dritte
Akt kommt, in dem dann eigentlich Fantasie und Realität zusammengeführt
werden müßten. Was sich leider regelmäßig als völlig
unmöglich herausstellt.
Kaufman reagiert auf diese Schwierigkeit meist mit
einem letzten (manche sagen: alles zerstörenden) Gedankensalto, Helm dagegen
setzt auf abrupte Deeskalation, um sein gewähltes Genre der romantischen
Komödie wenigstens abschließend zu bedienen. Dieses Happy End per
Nicht-Klimax ist flach und ignoriert quasi alles Vorangegangene; und Marc Forster,
der Allrounder unter den alljährlichen Oscaranwärtern, hat dazu passend
viele kuriose Kamerawinkel und Inszenierungsideen (wie die Einführung von
graphischen Animationen ins Bild), die ebenso wie die Handlung, nicht wirklich
irgendwohin führen, sondern ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach liegenbleiben
und sterben.
Daß man den Film trotzdem irgendwie liebhat,
liegt vor allem an den Darstellern. Neben einem zurückgenommenen Ferrell
und einer bezaubernden Gyllenhaal (als tätowierte Bäckerei-Anarchistin!)
findet hier vor allem Emma Thompson die Rolle ihres Lebens. Als gequälte
Autorin übersteigert sie das Klischee der ketterauchenden, morbiden, möbelrückenden
Literatin bis in den Himmel der Hollywood-Exzentrik (wo Pacino und Nicholson
schon auf sie warten). Allein sie macht aus einem süßen Datefilm
auch eine, wenngleich gedämpfte, Frage nach Macht und Verantwortung in
der Kunst.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Schräger
als Fiktion
Stranger
Than Fiction. USA 2006. R: Marc Forster. B: Zach Helm. K: Roberto Schaefer.
S: Matt Cheese. M: Britt Daniel, Brian Reitzell. P: Crick Pictures, L.L.C. D:
Will Ferrell, Dustin Hoffman, Emma Thompson, Maggie Gyllenhaal u.a. 97 Min.
Sony ab 8.2.07
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