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Der
schwarze Falke
In der ersten Szene
von John Fords Western „The Searchers“ wird ein Fenster aufgestoßen und
eine Frau blickt in die Ferne, aus der ein einsamer Reiter näher kommt.
Es ist Ethan Edwards (John Wayne), der drei Jahre nach dem Bürgerkrieg
zur Farm seines Bruders heimkehrt. Zuhause sein und nach Hause kommen, das ist
das zentrale Motiv dieses Films. Die Menschen müssen ihr Zuhause verteidigen
und sie müssen nach Hause gebracht werden. Das Zuhause, das John Ford uns
präsentiert, ist die Farm des weißen Siedlers im Indianerland, und
dieses Zuhause ist bedroht durch eben diese Indianer.
Der Film „The Searchers“
wird in den ewigen Bestenlisten der Filmgeschichte gewöhnlich sehr hoch
eingestuft. Sogar in den Top Ten der Zeitschrift „Sight and Sound“ war er bereits
vertreten. Dies ist eine Einschätzung, die v.a. den europäischen Zuschauer
befremden muss. Ohne Zweifel beherrscht John Ford das Handwerk des Filmemachers
perfekt. Es ist beispielhaft, wie etwa in den Anfangsszenen ganz beiläufig
angedeutet wird, dass Martha (Dorothy Jordan), die Frau seines Bruders,
mehr für Ethan bedeutet, als einfach nur eine Schwägerin, oder wie
in kleinen Äußerungen deutlich wird, dass die drei Jahre seit dem
Bürgerkrieg ein dunkles Geheimnis in Ethans Leben enthalten. Die Dramatik
der Handlung, die prägnante Zeichnung der Figuren, das alles macht „The
Searchers“ zu einem soliden Western, zu mehr jedoch nicht. An keiner Stelle
ragt der Film über die Grenzen seines Genres hinaus, wie etwa Fred Zinnemanns
Klassiker „High Noon.“
Bewunderer des Films
stellen in der Regel die Figur Ethans in den Mittelpunkt, in dessen gebrochenem
Charakter John Ford angeblich den Indianerhass hinterfragt. Ethan hasst die
Indianer, das ist zu Beginn des Films schon so und das verstärkt sich noch,
als die Komantschen die Farm überfallen und seinen Bruder und seine Schwägerin
töten. Als einzige Überlebende bleibt die kleine Debbie, die von den
Komantschen verschleppt wird. Die Suche nach Debbie (Natalie Wood ) bildet den eigentlichen
Inhalt des Films. Diese Suche, die sich über fünf Jahre hinzieht wird
zum einzigen Lebensinhalt Ethans. Begleitet wird er von dem jungen Martin (Jeffrey
Hunter), einem Achtel-Cherokee, den Ethan als Kind rettete und der bei der
Familie seines Bruders wie ein Familienmitglied lebte. Trotzdem akzeptiert Ethan
ihn nie wirklich, da er kein reinrassiger Weißer ist.
In Ethan verkörpert
Ford den Wilden Westen im vorzivilisatorischen Zustand. Ethan ist der heimatlose
Rächer, der die heimatlos gemachten Indianer hasst und sie zugleich besser
kennt, als jeder andere. Diese Gemeinsamkeit führt ihn aber nur dazu, die
Indianer noch mehr zu hassen. Er weiß, wie man einen toten Komantschen
schändet, damit er nach Indianerglauben nicht in die ewigen Jagdgründe
einzieht und er tötet in einem Gemetzel zahllose Büffel, damit die
Komantschen sie nicht mehr essen können.
Die einzige Spur,
der Ethan und Martin folgen, ist ein Name. Der Häuptling des gesuchten
Stammes heißt Scar (Henry Brandon), woraus in der deutschen Synchronisation der Schwarze Falke wird,
zugleich der Filmtitel der deutschen Fassung. Im Laufe der Jahre ändert
sich der Grund der Suche. Ethan will Debbie nicht mehr retten, sondern erlösen,
d.h. töten. Als er und Martin bei einem Trupp Soldaten, die ein Indianerdorf
massakrierten, zwei „befreite“ weiße Frauen finden, die nur kindisch lachen,
kommentiert Ethan das mit dem Satz: „Das sind keine Weißen mehr.“ Und
er sagt es in einem Ton, der bedeutet: Das sind keine Menschen mehr.
Kritisiert Ford diesen
Indianerhass seiner Hauptfigur? Der Film weicht dieser Möglichkeit aus.
Ethan ist zwar ein gebrochener Charakter, aber er bleibt immer Sympathieträger.
Die Indianer dagegen sind eine gesichtlose Bande, mit der Ausnahme einer Squaw,
die als komische Figur auftritt. Der angebliche Hintersinn des Films wird noch
mehr verwässert, wenn man berücksichtigt, dass Ford die Suche Ethans
und Martins mit einer komödiantischen Parallelhandlung vermischt. Zu Hause
in Texas gibt es nämlich die Nachbarsfamilie Jorgensen. Und Laurie (Vera
Miles), die Tochter dieser Familie wartet auf die Rückkehr Martins
und auf seine spärlichen Briefe. Sie wird von einem singenden Cowboy mit
Gitarre umworben. Und dann gibt es noch den Pfarrer Reverend Clayton (Ward Bond),
der zugleich Chef der Bürgerwehr ist, einen raubeinigen liebenswerten Alten,
der Gewehr und Bibel als Einheit behandelt. Wir sehen ländliche Familienpossen
und humorvolle Prügeleien und auch noch einen trotteligen Leutnant.
Bei all dem wird klar,
wo John Ford steht. Er identifiziert sich vollständig mit seinen Farmern
und idealisiert ihr Leben. Es ist eine einfache, raue und herzliche Welt, von
der Ford uns allen Ernstes glauben machen will, sie sei in Ordnung. Diese Welt
ist das Zuhause der Farmer und sie haben jedes Recht ihr Zuhause mit der Waffe
zu verteidigen. Für John Ford sind die Weißen die rechtmäßigen
Herren dieses Landes. An einer Stelle sagt Frau Jorgensen (Olive
Carey) über dieses Land. „Vielleicht braucht
es unsere Opfer, um sich selbst zu finden“. So tiefsinnig dieser Satz gesprochen
wird, enthüllt er doch den ganzen Zynismus dieser Ideologie. Dieses Land
muss sich noch finden, es muss seiner Bestimmung zugeführt werden, und
die „Opfer“ sind natürlich nur die getöteten Weißen. Der Völkermord
an den Ureinwohnern wird hier noch zur tragischen Bürde des weißen
Mannes stilisiert.
Am Ende werden die
Komantschen massakriert und Ethan, der Debbie zuerst töten wollte, nimmt
sie schließlich in seine Arme und trägt sie in ihr Zuhause zurück.
Ethan selbst bleibt der einsame Held. Wie er anfangs aus der Ferne auf die Farm
zuritt, so reitet er am Ende wieder davon. Er bleibt heimatlos. Die Welt der
Farmer und Bürger ist nicht seine Welt, sondern seine Welt ist der Kampf.
Der untergehende Wilde
Westen ist die Welt der einsamen Wölfe, wie Ethan Edward. Nicht einmal
diese Welt wird als eine Welt der Indianer dargestellt. Nicht einmal diese Tragik
lässt ihnen John Ford. Das Klischee des „Wilden“ wird an keiner Stelle
durchbrochen. Die Indianer müssen der vermeintlichen Zivilisation weichen.
An der Rechtmäßigkeit der Siedler wird kein Zweifel zugelassen.
Siegfried König
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Der schwarze Falke
The Searchers
USA; 1956, Regie: John Ford, Buch: Frank Nugent, Jeffrey Hunter, Kamera: Winton C. Hoch, Musik: Max Steiner, Produzent: Merian C. Cooper und C.V. Whitney. Mit: John Wayne, Jeffrey Hunter, Vera Miles, Ward Bond, Natalie Wood, John Qualen, Patrick Wayne, Dorothy Jordan, Olive Carey, Henry Brandon.
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