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Der
schwarze Falke
Is that you?
Ethan Edwards (John Wayne) kehrt drei Jahre nach
dem Ende des Bürgerkriegs nach Texas auf die Ranch seines Bruders Aaron
(Walter Coy) zurück. Die Ranch wird von Komantschen überfallen und
die Familie ermordet, die jüngste Tochter Debbie (Lana Wood) von den Komantschen
verschleppt. Ethan und Martin Pawley (Jeffrey Hunter) begeben sich auf die Suche
nach dem Komantschenstamm, in der zunehmend schwindenden Hoffnung, Debbie noch
retten zu können. Als sie nach fünf Jahren den Stamm unter Häuptling
Scar (in der deutschen Fassung: "Schwarzer Falke", Henry Brandon)
finden, sieht der Indianerhasser Ethan in der erwachsenen Debbie (Natalie Wood)
nur noch eine "Komantschenbraut" und will sie erschießen...
"That'll be
the day"
Es ist kein Wunder, daß dieser Film in den
sechziger und siebziger Jahren unter Regisseuren wie Spielberg, Lucas und Godard
zum Kultobjekt wurde. Scorsese
äußerte sich darüber: "The dialogue is like poetry! And
the changes of expression are so subtle, so magnificent! I see it once or twice
a year." [2] Eine Liste der Filme, die Motive aus "The Searchers"
aufgriffen, findet man in [3]. Hembus
[1] bewertete Westernfilme nach dem Einfluß, den sie auf die Entwicklung
des Genres hatten, mit ein bis drei Sternen, einzig "The Searchers"
bekommt von ihm vier.
Dabei ist er erschreckend, verstörend und für
seine Zeit (1956) ungewöhnlich brutal: "The Searchers" ist kein
Western, den man im Kinderprogramm aufführen könnte. Ford bringt hier
ohne Beschönigung die rassistischen Vorurteile und den abgrundtiefen Haß
auf die Leinwand, von denen sich Weiße und Indianer in ihrem Vernichtungskrieg
gleichermaßen leiten und auffressen lassen.
Im Unterschied zu den damals festgelegten Rollenklischees
spielt John Wayne, und das ist ihm nicht hoch genug anzurechnen, einmal nicht
den guten und zuverlässigen Überhelden, sondern einen komplexen, extrem
zwiespältigen Charakter, in dem Bürgerkrieg, Indianerkämpfe und
Trauer um seine Toten ihre Spuren hinterlassen haben. Daß er eine Karriere
im Dienst der siegreichen Nordstaaten ablehnt, weil er der Meinung ist, ein
Fahneneid im Leben sei genug, daß nicht klar ist, woher er sich nach dem
Krieg die frischgeprägten Yankee-Dollars beschafft hat, ist an dieser Figur
noch eine harmlose Marotte.
Ethan ist dem brutalen Indianerhäuptling Scar
viel ähnlicher als dem jungen Martin Pawley, den er nur widerwillig auf
die jahrelange Suche mitnimmt. Er beurteilt die Menschen nicht nach ihrem Verhalten,
sondern nach ihrer Hautfarbe und sogar danach, ob sie Anteile von nichtweißem
Blut in sich tragen: Martin wurde selber als Kind von Ethan gerettet, nachdem
seine eigenen Eltern von Indianern getötet worden waren, wuchs auf Aarons
Ranch auf und betrachtet die Edwards' als seine Familie und Debbie als seine
kleine Schwester, die er auf keinen Fall aufgeben wird. Aber Martin ist "ein
Achtel Cherokee", und daher für Ethan nicht hundertprozentig vertrauenswürdig
-- die Urheber der Nürnberger Rassegesetze hätten ihre Freude daran.
Debbie hat das umgekehrte Schicksal hinter sich:
Als Elfjährige von den Komantschen entführt, sieht sie fünf Jahre
später in diesen ihre Familie, "ihr Volk". Für den von Haß
und Vorurteilen geblendeten Ethan ist das Grund genug, sie lieber erschießen
zu wollen, als sie so -- als "Rote" -- weiterleben zu lassen, und
damit gibt er ziemlich genau die Sichtweise der "christlichen" Siedler
dieser Epoche wieder. Die übrigen Weißen stehen ihm darin in nichts
nach; die in Martin verliebte Laurie (Vera Miles) wirft ihm vor, sein und ihr
Leben sinnlos mit der Suche nach "einer Komantschenbraut, die sicher schon
an den Meistbietenden versteigert wurde" zu verschwenden: "Ethan würde
ihr eine Kugel in den Kopf jagen, und Martha [Debbies tote Mutter] würde
ihm recht geben."
Ford läßt wenige Gelegenheiten aus, Ethans
an Wahnsinn grenzenden Haß auf die Indianer zu illustrieren: Er schießt
einem toten Komantschen in die Augen, weil der dann dem indianischen Glauben
zufolge nicht seinen Frieden im Nachleben finden kann. Als Martin und er im
Winter auf Büffeljagd gehen, schießt Ethan die Tiere gleich reihenweise
ab, damit sie keinem Komantschen mehr als Nahrung dienen können. Nachdem
Martin den Häuptling in Notwehr erschossen hat, skalpiert Ethan den Toten
- die einzige Skalpierung, die der Film zeigt.
Nicht anders verfahren die Komantschen: Debbies ältere
Schwester Lucy wird zunächst auch von ihnen entführt; Ethan findet
später ihre vergewaltigte Leiche in den Bergen. Scar tötet und skalpiert
Weiße, weil Weiße seine Söhne getötet haben; Debbie, inzwischen
eine seiner Squaws, muß Ethan und Martin die Lanze mit den Trophäen
vorführen. Dabei ist es bereits eine Ungeheuerlichkeit für das Hollywood
der fünfziger Jahre, daß Ford die Brutalität der Indianer nicht
einfach wie üblich mit deren Primitivität erklärt, sondern mit
einer menschlich nachvollziehbaren Motivation unterlegt. Überhaupt hat
Ford den Häuptling Scar als eine ungeheuer eindrucks- und würdevolle
Kriegergestalt gezeichnet. Und Joe Hembus [1] hat auf ein bemerkenswertes Detail
dieser Szene hingewiesen: Scar kann den Satz "For each son, I take many..."
nicht zuendesprechen, weil er kein Wort für "Skalp" hat; das
Skalpieren ist eine Erfindung der Weißen, und die Indianer haben mit dieser
Methode der Leichenschändung ihre Feinde nur imitiert.
Das alles läuft ab vor einem Hintergrund, dessen
Lebensfeindlichkeit die Verachtung menschlichen Lebens zur Normalität hat
werden lassen: Die Ranchhäuser der Weißen und die Tipis der Komantschen
stehen inmitten der texanischen Wüste, der Boden ist sandig, die Luft heiß
und staubig, und Abwechslung bringt nur die klirrende Kälte des Winters.
Durch den reiten die "Suchenden", um in einem Kavallerie-Fort die
Überlebenden einer "Strafexpedition" gegen die Komantschen zu
finden, ein paar dem Wahnsinn verfallene weiße Frauen, die Ethan voller
Abscheu betrachtet: "They're not white any more -- they're Comanche!"
Man kann nicht entscheiden, ob seine Verachtung den Indianern gilt, die ihnen
das angetan haben, oder den traumatisierten Frauen selbst, die so lange unter
Roten überlebt haben.
Als Martin sich statt einer Decke aus Versehen eine
Indianersquaw einhandelt, sieht das zunächst nach einem als komisch angedachten
Zwischenspiel aus: Ethan lacht sich darüber halb tot, und Martin befördert
die liebevolle "Braut" mit Fußtritten von seiner Schlafdecke.
Aber die Komik endet, als Ethan die Squaw nach Häuptling Scar und Debbie
befragt. Völlig verängstigt macht sie sich noch in der Nacht davon,
und als die beiden ihre Leiche finden -- unter den von der Kavallerie abgeschlachteten
Komantschen --, fragt sich Martin, ob sie ihnen wohl helfen wollte, Debbie zu
finden, oder ob sie geflüchtet ist, um Scar vor den beiden Weißen
zu warnen: "There's no way of knowin'."
Bezieht der Film, bezieht Ford eine Position, stellt
er sich auf irgendeine Seite? "There's no way of knowin'."
"The Searchers" ist nicht etwa aus Ethans
Perspektive erzählt, sondern wechselt zwischen der Sichtweise verschiedener
Personen, und spätestens wenn Ethan dem toten Komantschen die Augen ausschießt,
wird klar, daß es das althergebrachte, simple Weiß-Rot-/Gut-Böse-Schema
hier nicht geben wird. Die Indianer werden noch nicht als gute und friedfertige
Naturmenschen verklärt, wie das seit den siebziger Jahren zunehmend üblich
wurde, Scar und seine Krieger sind rücksichtslos und unmenschlich grausam.
Aber, und das ist entscheidend, die weißen Landeroberer werden gerade
nicht mehr beschönigend als unschuldige Opfer der brutalen Wilden dargestellt:
Ihr Rassismus ist allgegenwärtig, sie waren es, die ursprünglich mit
dem Skalpieren angefangen haben, und Ethan ist eben gerade nicht der typische
John-Wayne-Held, nicht die exzentrische aber sympathische Vaterfigur seiner
späteren Rollen, sondern ein brutaler, vom Haß zerfressener Außenseiter
und Verlierer, der sich selbstherrlich zum Racheengel aufschwingen will und
dabei beinahe jedes Maß an Menschlichkeit verliert.
Ethan kennt die Komantschen außerordentlich
gut und versteht ihre Sprache, ihre Zeichen und Gewohnheiten besser als jeder
andere Weiße im Film. Aber sein Wissen ist für ihn nur eine Waffe
in einem gnadenlosen Vernichtungskrieg auf Leben und Tod; kein Gedanke etwa
von Verständigung oder Annäherung durch gegenseitiges Kennenlernen.
Sein Denken ist notfalls von tödlicher Klarheit, aber Haß und Rachedurst
vernebeln zunehmend sein Urteilsvermögen, bis schließlich Täter
und Opfer vor seinen Augen nicht mehr unterscheidbar sind.
Ford erlaubt ihm nur wenige Szenen, die ihn überhaupt
annehmbar und menschlich machen. Eine davon ist die am Ende, als er Debbie findet
und in die Arme nimmt. Auch Ethans Heimkehr, ganz zu Anfang, zeigt ihn menschlich,
als er Debbie, die er für seine Lieblingsnichte Lucy hält, glücklich
in die Arme nimmt, und die wichtigste dieser Szenen kann leicht übersehen
werden: Als Ethan noch vor dem Überfall der Komantschen die Ranch verläßt,
holt seine Schwägerin Martha seinen Mantel aus ihrer Aussteuerkommode und
streicht zärtlich über den Stoff, bevor sie ihn Ethan übergibt,
der sie zum Abschied auf die Stirn küßt. Hier wird wortlos klar,
daß die beiden weit mehr füreinander empfinden, als allgemein zwischen
Schwägerin und Schwager üblich sein darf. Da der Film zu seiner Zeit
die Grausamkeiten unmöglich direkt zeigen und nur andeuten konnte, erscheint
Ethans Haß auf die Komantschen und Häuptling Scar einem heutigen
Betrachter womöglich unmotivert, rührt aber natürlich daher,
daß er es ist, der die verstümmelten Leichen der vom ihm geliebten
Martha und Lucy findet - und daß bereits 16 Jahre zuvor seine Mutter von
den Komantschen ermordet wurde, wie man auf dem Grabstein hinter Aarons Ranch
lesen kann, vgl. [4].
Aber ist Ethan mit seinem Zorn und seiner rachsüchtigen
Mordlust damit gerechtfertigt? Die einfache Antwort wäre Martins "There's
no way of knowin'". Aber Ford drückt sich nicht davor, uns eine andere
anzubieten: Der Film beginnt und endet mit den berühmten Szenen der sich
öffnenden und der sich schließenden Tür einer Ranch. Am Ende
nimmt diese Tür Martin und Debbie auf, die dahinter eine neue Heimat finden
werden, so wie der verrückte alte Scout Mose Harper dort bereits seinen
ersehnten Schaukelstuhl gefunden hat. Und es sind Debbie, Martin und Mose, die
einzigen durchweg sympathisch gezeichneten Figuren, die im Verlauf der Handlung
immer tiefer zwischen die Fronten von Roten und Weißen geraten sind. Die
aber auch ihre Loyalität nicht an der ethnischen Zugehörigkeit ihrer
Mitmenschen ausgerichtet haben, sondern zuallererst daran, ob diese Mitmenschen
ihnen geholfen haben, zu überleben. Für Ethan, den von Vorurteilen,
Trauer, Haß und Wut zerfressenen, bleibt diese Heimat, bleibt diese Menschlichkeit
unerreichbar. Er kehrt zurück in die Wüste und die Tür schließt
sich hinter ihm.
Der Film zeigt keine flache Rettergeschichte, keine
kitschige Erlösungslegende, keine Glorifizierung der "Eroberung"
des Westens durch die weiße Zivilisation -- was man von einem Western
dieser Zeit alles erwarten dürfte und auch später noch oft genug geboten
bekam --, sondern die Tragik eines Menschens, der keinen Frieden mehr findet,
weil er dem Haß und der Rache in seinem Leben zuviel Raum gelassen hat,
in der furchtbaren Illusion, damit seiner Trauer gerecht zu werden.
Ford stellt mit dem Film letzlich nur eine einfache
Frage. Am Anfang sehen wir eine Gestalt, die aus der Wüste heraus auf die
Türe zureitet und von Martha empfangen wird. Die Review in CineBooks [5]
legt ihr dazu eine Frage in den Mund, die sie im Film gar nicht ausspricht,
aber die (viel besser als das "What makes a man go wander?" des Titellieds)
den Film auf den Punkt bringt:
"Is that
you, Ethan?"
Steffen
Pohlen
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei: www.ciao.de
Zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale mehrere Texte
[1] Joe Hembus:
Western-Lexikon, München 1976.
[2] Scott
McGee: "The Searchers" http://www.tcm.com/thismonth/article/?cid=1093
[3] Emanuel
Levy: "The Searchers (1956):
[4] Tim Dirks
Review http://www.filmsite.org/images/prevpage.gif
[5] The Searchers
- CineBooks' Motion Picture Guide Review
[6]
Script: http://www.weeklyscript.com/Searchers,%20The.txt
Der
schwarze Falke
THE
SEARCHERS
USA
- 1956 - 119 min. – Scope - Erstaufführung: 5.10.1956/13.5.1972 ARD
Regie:
John Ford
Buch:
Frank Nugent
Vorlage:
nach einem Roman von Alan LeMay
Kamera:
Winton C. Hoch
Musik:
Max Steiner
Schnitt:
Jack Murray
Darsteller:
John
Wayne (Ethan Edwards)
Jeffrey
Hunter (Martin Pawley)
Vera
Miles (Laurie Jorgensen)
Ward
Bond (Capt. Rev. Samuel Clayton)
Natalie
Wood (Debbie Edwards)
John
Qualen (Lars Jorgensen)
Olive
Carey (Mrs. Jorgensen)
Henry
Brandon (Chief Scar)
Ken
Curtis (Charlie McCorry)
Harry
Carey jr. (Brad Jorgensen)
Hank
Worden (Mose Harper)
Ruth
Clifford
Mae
Marsh
Dan Borzage (Akkordeonspieler)
Patrick
Wayne (Lt. Greenhill)
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