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Schwerter
des Königs
B steht für
Bollywood
Uwe Boll stellt die traditionelle
Filmkritik vor ein Problem. Nun besteht dieses nicht darin (wie einige Kollegen
unken), daß Boll als vermeintlich schlechtester Regisseur unserer Zeit
im Wortsinne unbeschreibliche Ware abliefert – in Wirklichkeit gibt es eine
ganze Reihe ärgerlicherer und untalentierterer Filmemacher als Boll, und
selbst zu denen fällt dem geneigten Rezensenten noch das eine oder andere
polemische Adjektiv ein. Das Problem liegt eher in Bolls Attitüde, für
die tatsächlich die Worte fehlen.
Beim Anblick eines Machwerks wie
Schwerter
des Königs
wird erst klar, wie sehr selbst die manipulativsten Hollywoodblockbuster und
die popularitätsgeilsten Teeniesexklamotten noch von einem inhärenten
Stilwillen getrieben sind – und wie tief noch in den schamlosesten Söldnerregisseuren
der Traum vom Film als Kunstform verwurzelt ist. Boll dagegen provoziert nicht
durch Unwissen, sondern durch bewußte Verweigerung jeglichen künstlerischen
Transzendenzstrebens – mit uninspirierten Regisseuren kann die Kritik umgehen,
aber was sagt man zu einem, der seinen mangelnden Kunstwillen so stolz ausstellt?
Und, noch viel mysteriöser: Warum empfindet man beim Anschauen seiner Filme
zumindest über kurze Strecken eine masochistisch gefärbte Komik aufsteigen?
Es sind wohl die massiven qualitativen
Gefälle (wenn auch ausschließlich innerhalb der negativen Skala),
die durch ihre Reibung miteinander den belustigenden Effekt von Schwerter des Königs erzeugen. Wenn in den unzähligen
Matrix-, Highlander- und vor allem Herr der Ringe-Zitaten eine grunzende Gruppe aus 25 Statisten in erkennbaren
Gummianzügen als Erinnerung an Orc-Armeen dienen soll oder die unglaubwürdigen
Bauernhelden in Superzeitlupe an der Kamera vorbei einen Berggrat passieren,
läßt sich eine gewisse Bachtinsche Profanierung nicht verleugnen.
Zugleich führt der ebenso verzweifelte wie vergebliche Versuch der Montage,
Spannung oder auch nur Gleichzeitigkeit der visuell aufgepumpten, aber stark
stimmungsschwankenden Szenen zu suggerieren, zu ebenso haarsträubenden
wie karnevalesken Mesalliancen. Und auch das Zusammenspiel aus nur halbschlechten
Spezialeffekten und einem Drehbuch auf Abendkursniveau, das zudem angereichert
wurde mit nichtssagenden Pathosklatschen (eines unter vielen Highlights: »Ich
bin froh, daß wir seine Familie sind.«) löst neben ständigen,
stirnrunzelnden »Was?!«-Ausrufen auch manch gequältes Amüsement
aus. Unfreiwillig wird Boll so zum König der Karnevalskategorien.
Einen positiven Nebeneffekt hat
das ganze Spektakel immerhin: Bolls Regieverweigerung dient als Lackmustest
für die Eigenständigkeit aktueller B-Schauspieler, mit teils erstaunlichen
Ergebnissen. Während verwöhnte Edel-Aktricen wie Leelee Sobieski oder
Claire Forlani ohne führende Regisseurshand hilflos durch die Emotionsposen
irren und Ray Liotta, Jason Statham und Burt Reynolds in ihren über Jahre
hinweg antrainierten Rollenklischees versteinern wie saftlose Batteriehäschen,
gelingt es nur den routinierten B-Recken Ron Perlman und John Rhys-Davies, ohne
fremde Hilfe einen vollständigen Charakter aufzubauen – und einzig Matthew
Lillard kann wirklich brillieren. Ausgerechnet der berüchtigte Blödelkomödiant
tut das einzig Angebrachte und nutzt das stilistische Vakuum, um dem Affen ordentlich
Zucker zu geben und von unfreiwilliger kurzerhand zu freiwilliger Komik überzuwechseln.
In schönster Rampensaumanier ruiniert er dabei als herrlich verzogener,
abwechselnd sabbernder und flehender Königssproß in jeder Szene die
Glaubwürdigkeit des eigenen und mindestens eines weiteren umstehenden Charakters
– aber in einem solchen Film ist der dadurch angerichtete Schaden überschaubar
gegenüber der ungleich größeren Unterhaltsamkeitssteigerung.
Was man dagegen nun zu Uwe Boll
sagen soll, ist weiterhin unklar. Vielleicht sollte man ihn aufrufen, nach einem guten
Dutzend Filmen, in denen er nominell Regisseur war, doch endlich auch mal als
solcher zu agieren. Sein später gedrehter Film Postal war da schon ein Schritt
in die richtige Richtung: eine grauenvoll unkomische Satire voller grotesk falscher
Entscheidungen – aber eben auch so etwas wie ein Regiedebüt mit unverwechselbarer
Handschrift und konkretem Stilwillen. Vielleicht kann Boll diesen ja für
das mit Sicherheit folgende direct-to-video-Sequel von Schwerter
des Königs noch einmal aufbringen.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Schwerter
des Königs
In the Name of the King - A Dungeon Siege Tale. D/CAN/USA
2006 R: Uwe Boll. B: Doug Taylor. K: Mathias Neumann. S: David M. Richardson. M: Henning
Lohner, Jessica de Rooij. P: Boll AG, Brightlights Pict. u.a. D: Jason Statham, Ron Perlman, Ray Liotta, Matthew Lillard, Leelee
Sobieski
127 Min. Fox ab 29.11.07
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