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The
Score
Als mehrheitsfähigen Kompromiss
zwischen der hermeneutisch abgedichteten Glätte eines aus bewährten
Genre-Analekten wahllos zusammenbuchstabierten Mainstream- und Blockbusterkinos
und dem eigenbrötlerischen Genius wirklich unabhängiger Filme (von
Regisseuren wie etwa Ingmar Bergman oder David Lynch), - der sich übrigens
daran ablesen lässt, dass er dem gedämpft avantgardistischen Geist
eines Teils feuilletonistischer Schreiber entweder zu konsequent ist oder ihm
nur undifferenzierte Bewunderung für den Chic des Unerhörten abpresst,
ohne wirklich verstanden zu werden -, lassen sich inhaltlich vorsätzlich
angedickte Filme wie „American
Beauty“ oder „L.A. Crash“ bezeichnen, die aufgrund
widerstreitender Interessen zwischen Stromlinienförmigkeit und Scharfkantigkeit
pendeln.
Das veredelnde Prädikat „Tiefgang“
mit Konkretheit zu füllen und trotzdem kommerziell einträglich zu
sein, scheint dabei ebenso problematisch wie das gern genommene Modell, dem
Zuschauer Identifikationstypen anzubieten, um dann hinterrücks einen Abgesang
auf das postmoderne Subjekt, also auf die Kundschaft dieser als aufklärerisch
verkauften pathetischen Gesellschaftsdramen, zu feiern. Wirklich heikel ist
dieses Pseudo-Dilemma allerdings nicht, denn das angesprochene Massenpublikum
(als zentrales Planungsstück der Vermarktung) wird in seiner unreflektierenden
passiven Konsumentenhaltung bedient (weil eben alles vorgekaut wird) und auf
die Folgerung gelenkt, die Geißelung kultureller Missstände vorsichtshalber
lieber als übertriebene Satire zu empfinden oder auf eine fremde Gesellschaft
auszulegen, anstatt sich einer unangenehmen Selbstüberprüfung zu unterziehen,
die über die selbstsüchtige Erfahrung eines flüchtigen schlechten
Gewissens hinausgeht. Damit verkommen derartige Filme, trotz ihrer handwerklichen
und dramaturgischen Elaboriertheit, weil sie sich lieber verkaufen, denn bemüht
sind, irgendetwas Ernstgemeintes auszusagen, zu fatalen Abbildern der von ihnen
gerne thematisierten (gesellschaftlichen) Heuchelei, die letztlich bloß
noch als gemeinsamer Nenner von Zuschauer (dessen bigotte Wahrnehmung/Verarbeitung
des Gesehenen eben ausgenutzt wird), filmischem Gegenstand und Film selbst fungiert.
Sympathischer und herausfordernder
sind dagegen jene Produktionen, die sich zuerst ganz uneitel nur als pure Zerstreuung
ohne hineinkonstruierten Anspruch lesen lassen wollen, dann aber, scheinbar
ungewollt, in jedem Fall aber unaufdringlich, Risse in ihrer blanken Hülle
aufweisen, in die man mit dem nötigen Ehrgeiz Widerhaken schlagen und dann
doch Einiges an die Oberfläche ziehen kann (z.B. ein „Nicht auflegen!“
mit seinen Mini-Exkursen zum Handy als Allegorie des kulturellen Wandels, zu
Schnelllebigkeit, Mobdynamik, polizeilichem Kompetenzgerangel etc.). Und da
man dieses inhaltliche Potenzial als Material zur Bildung einer authentischen,
zeitlich einordnenden Kulisse rechtfertigen darf, kann man sich kaum darüber
beschweren, dass vielleicht nicht alles zu Ende gedacht wird.
Zu dieser Spezies von Filmen kann
man auch das 2001 erschienene Heistmovie „The Score“ zählen, das sich erst
sklavisch an die Standards des Genres hält, um dann mit teils halbgaren,
teils klischeehaften, oft unfreiwilligen, aber auch solchen Statements aufzuwarten,
die von einer gewissen Beobachtungsgabe zeugen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie
zwar ehrlich sind und von der Haltung ihrer Macher erzählen, den Film aber
so als ziemlich gestrig entlarven – er wirkt trotz seiner frischen Optik in
etwa so wie die Krimis eines Herbert Reinecker, der seine kniffligen Plots immer
auch mit, oftmals amüsant schiefen, Annotationen zu aktuellen Themen verwoben
hatte. (Bei der damaligen Reichweite des öffentlich-rechtlichen TV-Monopols
sollte man seinen Einfluss auf das Jugendbild der 70er nicht unterschätzen.)
Zunächst sollte man aber
bemerken, dass „The Score“ ohne seinem zugkräftigen Darsteller-Triumvirat
wahrscheinlich nur wenig Aufmerksamkeit beschieden gewesen wäre. Und obwohl
Marlon Brando (geb. 1924), Robert De Niro (1943) und Edward Norton (1969) hier
natürlich nicht an die Bedeutungsschwere (Brando und Norton werden sich
kaum über Gangsterethos und latente apokalyptische Sehnsüchte unterhalten)
und die Intensität ihrer größten Rollen anknüpfen, wissen
doch alle drei, jeder auf seine Art, zu beeindrucken. Der Film erfordert auch
keine bedeutenden Gesten oder unvergesslich griffige Dialoge, sondern zieht
seinen Reiz aus den Figurenkonstellationen und dem Faktum, dass alle drei verschiedenen
Generationen angehören.
Ein Brando, als Edel-Hehler Max
Baron, ist einfach mal nur anwesend, kämpft mit Alter, Gewicht und seinem
Partner Nick Wells (De Niro), der lieber heute als morgen in den Ruhestand treten
möchte und eben keine Lust mehr darauf hat, spät nachts im Arbeitsoverall
(erinnert an Harry Tuttle in „Brazil“) an sicherheitsempfindlichen Tresoren
herumzufrickeln. Widerwillig lässt er sich dann doch umstimmen, als der
von Norton gespielte aufstrebende Jack Teller auftritt und einen patenten Plan
präsentiert, wie man das hiesige Zollgebäude - in dem er in seiner
Zweitidentität als körperlich und geistig Behinderter Brian dem altersschwachen
Hausmeister Danny bei der Nachtschicht assistiert - um ein äußerst
wertvolles französisches Königszepter erleichtern könnte. - Wir
befinden uns in Montreal, einer - wenn man so will - Nahtstelle von amerikanischer
und französischer Kultur. Ein De Niro, wenn er leicht befremdet „Ca va?“
haucht, ist schon einmalig. (Fußnote: Man ist fast geneigt, dem Film als
überholt anzukreiden, dass Nicks dunkelhäutige Lebensgefährtin
Diane (Angela Bassett) nicht beliebig, sondern zur Behauptung eines liberaleren
Spirits der kanadischen Millionenstadt gewählt worden ist, um dann auf
das längst abgelaufene Verfallsdatum einer ethnisch gemischten Partnerschaft
als Symptom für einen freiheitlichen Geist zu verweisen.)
Was die drei verbindet und das
manifeste Misstrauen unterläuft, ist lediglich die geteilte Motivlage,
die sich zum Teil auch aus den (Wohn-)Verhältnissen des Trios herauslesen
lässt. Max ist Geld schuldig, das er sich für den Bau seiner noch
nicht fertig gestellten Villa (die übrigens farblich seiner beigen Kleidung
entspricht) gepumpt hat. Jack lebt in einem einigermaßen schäbigen
Apartment – kein Dauerzustand, wenn es nach ihm geht. Einzig Nick könnte
den riskanten Coup sausen lassen; seine Möbelpolitur-aufgewertete holzlastige
Wohnung hat Stil, sein Restaurant, das seine prinzipielle Bodenständigkeit
repräsentiert, würde er aber doch gerne rascher abbezahlen.
Die Gemeinsamkeiten, die Abhängigkeiten,
die Altersstruktur und die grundsätzliche Hierarchie spiegeln sich auch
in den Kommunikationsverhältnissen wider (insgesamt bleiben alle drei zwar
nicht so einsilbig wie ihre Namen, reden aber fast ausschließlich übers
Geschäft). Eine knappe Kommunikation kommt nur zwischen Nick und Max oder
Nick und Jack zustande. Letzterer wird von Max einmal kurz runtergeputzt („Zum
Scheißen zu blöd!“) und hält sich in der Folge lieber an seinen
ungleichen Partner (das bessere, weil deutlich variantenreichere Konzept als
blinde Harmonie), von dem er sich vergeblich Respekt einzufordern versucht.
Immerhin teilen beide ein Verständnis für komplexe Technik, - Nick
im traditionellen Sinn, Jack in Sachen Hightech - während Max davon keinen
Schimmer hat.
Stichwort Hightech. Da bietet
„The Score“ noch die üblichen skeptischen Klischeevorstellungen bezüglich
seines kulturellen Einflusses, die sich dann bei näherer Betrachtung und
Ausblendung der Überhöhung doch nicht als so hohl erweisen, aber dennoch
als engstirnig und rückschrittlich gelten: So konsultiert man, um an die
Codes zur Lahmlegung des Sicherheitssystems zu kommen, einen lichtscheuen jugendlichen
Computerfreak, der, im Keller des Elternhauses sitzend, exzessiv Ego-Shooter
spielt und gelegentlich die Off-Stimme seiner Mutter harsch abwimmelt. Als er
sich in den Server hackt, wird er rüde von dessen Administrator rausgeschmissen,
der jetzt seinerseits an der Sache mitverdienen will. Bei der Übergabe
im Park (auch wieder so ein Klischee, das vielleicht gar keines ist) fällt
dann die aggressive Netzwerkmaskerade und enthüllt einen unbeholfenen Buchhaltertyp,
dem der Angstschweiß fast die Brille beschlägt. Sein ihn begleitender
ebenfalls hypernervöser Cousin ist ihm auch keine große Unterstützung.
Wer im Genre firm ist, dem ist
bekannt, dass überraschende Wendungen konstitutiv sind. Danach richtet
sich auch „The Score“ pflichtbewusst und greift am Ende, wo die Dichte der Twists
besonders hoch sein sollte, sogar gleich zweimal auf solche zurück. Kurzum:
Es kommt alles zusammen. Jack hat das Respekt-Ding noch nicht so ganz verdaut
und stänkert jetzt ein bisschen herum, was Nick erst recht gegen ihn aufbringt.
Zudem wird er von Danny erwischt (der es schon als angenehm anrüchig empfindet,
wenn er seine gewissenhaft ausgeführte Arbeit schneller erledigt, um den
Dienst früher zu beenden), der nach allgemeinem Bekanntwerden des Überfalls
auf die Straße rennt, um sich schaut, seinen ehemals gehandicapten Protegé
aber nicht mehr entdecken kann. Handlungstechnisch wird am Schluss nur noch
die Frage beantwortet, ob „The Score“ Dumme-Jungen-Streiche verzeihen kann und
dem Nachwuchs eine Chance gibt oder doch lieber noch einmal einen verdienten
Recken einer alternden Generation gewinnen lässt. Das gefühlte Alter
des Films lässt nur einen Schluss zu.
Erik Pfeiffer
The
Score
THE
SCORE
USA
2001 - 124 min. - Erstaufführung: 9.8.2001/11.3.2002 Video & DVD
Regie:
Frank Oz
Buch:
Lem Dobbs, Kario Salem, Scott Marshall Smith
Kamera:
Rob Hahn
Schnitt:
Richard Pearson
Musik:
Howard Shore
Darsteller:
Robert
De Niro (Nick Wells), Edward Norton (Jack Teller/Brian), Marlon Brando (Max
Baron), Angela Bassett (Diane), Gary Garmer (Burt), Andrew Walker (Jeff), David
L. McCallum (reicher Mann)
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