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Scream
3
Der Mörder
mit der Munch-Maske ist wieder unterwegs - diesmal rund um ein Filmset.
Schlechter Tag für Cotton Weary (Liev Schreiber).
Eben glaubt der erfolgreiche Talkshowmoderator noch mit einem weiblichen Fan
zu flirten, da stellt sich der Anrufer als psychopathischer Mörder heraus,
der um jeden Preis die Adresse von Sidney Prescott (Neve Campbell) haben will.
Die nicht herauszugeben, erweist sich natürlich als fatale Entscheidung.
Die Spur des Mörders führt auf das Filmset von Stab 3, wo Regisseur
Roman Bridger (Scott Foley) gerade noch aus den vorherigen Maskenmorden einen
Film zusammenstellen wollte. Und alsbald heißt es wieder: Jeder ist in
Gefahr, jeder ist verdächtig. Alte Bekannte wie die Journalistin Gale Weathers
(Courtney Cox) und Dwight Riley (David Arquette) machen sich ebenso auf die
Suche nach dem Mörder wie der Polizeidetektiv Mark Kincaid (Patrick Dempsey).
Und wie es sich für einen dritten Teil gehört, muss dabei die Vorgeschichte
nochmal umgeschrieben werden.
Hier kommt keiner durch. Wenn noch vor dem Vorspann
Liev Schreibers Handy läutet, ist zumindest eines klar: Das erste Opfer
des Maskenmörders wird diesmal eine Figur aus dem Vorgänger sein.
Der Witz der Scream-Filme liegt nicht, wie gern behauptet, im gleichzeitigen
Spiel mit und Sichtbarmachen von Horrorregeln, tatsächlich ist hier einfach
ein halbtotes Genre an seinen Grenzen angelangt. Die postmoderne Zitatenhölle,
die seit den Achtzigern in den Genen jedes Hollywoodregisseurs liegt, hatte
schlichtweg ihren neuen Hype gefunden. Sein Name hieß Kevin Williamson,
sein Zuhause sind Fernsehserien wie Dawsons
Creek, und als er aus einer persönlichen
Vorliebe heraus für Genreveteran Wes Craven das Drehbuch zu Scream ablieferte, war eine neue "hot property"
entdeckt. Glücklicherweise fand Williamson auch genau den richtigen Tonfall
für seine entzückende Marginalie: Die selbstironische Struktur seiner
Drehbücher (die in Scream 2 gelegentlich einen etwas oberschlauen Tonfall annahm)
hatte schon immer die Reaktion auf den Film miteingedacht (und im kompetenten
Handwerker Wes Craven den idealen Regisseur gefunden) - für Scream 3
hatte er jetzt keine Zeit mehr, Ehren Kruger übernahm seinen Job als Drehbuchautor
und der Film springt kopfüber in die Selbstauslöschung.
Zurück zum Anfang: Schreiber (inklusive Freundin)
nimmt den ersten Platz auf der Todesliste ein, sein Ableben gibt den Ausgangspunkt
für die kreiselnde Struktur von Scream
3: In Stab 3, der Film-im-Film-Adaption
der tödlichen Vorgänge bisher, hätte er auch eine kleine Nebenrolle
gehabt. Die Aufnahmen werden gestoppt und die Untersuchung begibt sich in den
eigenen Entstehungsprozeß. Fast ausschließlich in Hollywood spielt
dieser Film (und macht sich eine Freude daraus, nach blutigen Morden gern mit
einer sonnigen Totale der umliegenden Hügellandschaft die nächste
Szene zu eröffnen) und in seiner ersten Hälfte baut er eine Schachtelwelt
aus Referenzen, die im Stakkatotempo eine erstklassige Komödie herunterrattern.
Auch Scream
3 verzichtet nicht auf den augenzwinkernden
Scherz, der manchmal bewusst um die richtige Ecke biegt (wenn etwa Carrie Fisher
meint, sie habe keine Star
Wars-Rolle bekommen, weil sie
sich geweigert habe, mit George Lucas zu schlafen) und manchmal bewusst um die
falsche (eine zur Fleischbeschau engagierte Nebendarstellerin, die über
die Abgegriffenheit der Duschszene in Vertigo meckert). Der Genrefundus wird geplündert,
die Filmplakate wuchern an allen Wänden (natürlich selbst der Polizeistation)
und gleichzeitig setzt sich der dritte Teil über seine Vorgänger hinweg,
indem er sich ständig selbst Sand ins Getriebe schüttet.
Wie gespaltene Persönlichkeiten hetzen hier
die Figuren zweimal durch den Film: Einmal als "sie selbst", also
die wirklichen Helden des Films und seiner Vorgänger, ein zweites Mal als
ihre eigenen Doppelgänger in Gestalt der sie in der Stab-Serie verkörpernden
Schauspieler. Die Geschwindigkeit, mit der sich der Witz hier dupliziert, ist
an der Grenze des Machbaren: So besessen von der Chance jemand anders zu sein,
ist diese Zweitbesetzung, dass sie zunehmends ins eigene Verschwinden vorwärts
rennt, am idealsten realisiert in der doppelten Gale Weathers - was nicht von
der "echten" Courtney Cox zustande gebracht wird, dafür springt
die "falsche" Parker Posey ein. Im zunehmenden Ineinandergehen der
Figuren verschwindet das in den Vorgängern noch klar vorhandene Bewusstsein
des "Ist-nur-ein-Film"-Spaßes. Hier ist die ganze Welt ein Film
und konsequenterweise ist der Spaß die Angst. Rund um die wuchernden Gags
setzt ein Rhythmus ein, in dem sich die doppelbödigenen Welten einer Horrortrilogie
in der eigenen Film-im-Film-Referenz aufheben in ökonomisch zwischen den
Spaß gesetzten Morden: Scream-Stab-Scream-Stab in der Endlosschleife.
Und tatsächlich findet Scream
3 ein Bild für den luftleeren
Raum, in dem er schwebt: Neve Campbell kehrt zurück nach Hollywood, zurück
aufs Gelände des Stab 3-Films und muß dort auf dem nachgebauten Set
die Jagd aus dem "echten" Vorgänger durchleben. Ganz plötzlich
steht Scream 3
vor dem Bild des ewigen Gefangenseins in der Möbiusschleife wie Lost Highway. Da müsste er eigentlich aufhören. Das
tut er leider nicht. Vom Büro des Hollywoodproduzenten, den Lance Henriksen
gibt, kann man hinter den großen Glasfenstern ein Sprungbrett sehen, das
ins Nichts geht: Der Pool, zu dem es gehören könnte, ist viel zu weit
weg. Im Zuge des Showdowns wird eines der Opfer genau den Sturz vollziehen,
den dieses Bild ankündigt und Scream
3 springt genauso ins Leere.
Die letzte Dreiviertelstunde ist ein langgezogenenes
Katz-und-Maus-Spiel mit dem Mörder, das gleichzeitig ernst serviert wird
und den eigenen Wahnwitz weit jenseits des Glaubhaften hinausschnellen läßt.
Da gehen die Hauptfiguren zum dritten Mal allein in den Keller, da wird der
(nach den Filmregeln zwingend logische) Mörder gleichzeitig überzogen
aufgebaut und beiläufig abserviert. Craven ist nur ein Mann für die
Kompetenz (und so gut wie seine Drehbücher) - die Meisterschaft, mit der
sich etwa John Carpenter in Die Mächte
des Wahnsinns über die zwingende
Dualität (entweder Spaß oder Ernst für den jeweiligen Moment)
des Horrorfilms hinwegsetzen konnte, geht ihm ab. Der Schluss von Scream 3
wird zu ernst präsentiert, um als Komödie zu funktionieren und ist
zu dämlich geschrieben, um sich als Schreck verkaufen zu lassen.
Entweder feiert sich hier der postmoderne Witz also
endgültig zu Tode (zurück in die Angstfabrik) oder hier ist einfach
die Luft ausgegangen. Letzteres legt das Ende nahe, das gleich wieder nach einer
Fortsetzung schreit, ersteres ein paar der schönsten set-pieces dieses
Jahres. Jamie Kennedys cameo im Fernseher mit einem absolut durchgeknallten
Monolog zum Wesen des dritten Teils an sich ist schon kaum zu überbieten,
aber in einer weiteren Sequenz übertrifft Craven vielleicht sogar noch
die oben erwähnte Neve-Campbell-Szene. Eine Gruppe von Hauptfiguren ist
in einem Haus beisammen und bekommt übers Fax Drehbuchseiten vom Mörder
geschickt. Die Logik der Scream 3-Morde, so der Filmtenor bisher, folgt dem
Stab 3-Drehbuch (unglücklicherweise weiß man nicht welcher Version
- man hat vorsichtshalber ein paar verbreitet, um zu verhindern, dass per Internet
der Schluss verraten wird) und seine Figuren verwandeln sich in einen hysterischen
Haufen, der verunsichert herumrennt zwischen Fax und Tür. Wo der Tod lauert,
drinnen oder draußen, bei Bekannten oder Fremden, in den Seiten von Scream 3
oder Stab 3, das weiß hier niemand mehr zu sagen (zusätzlich verkompliziert
wird das Ganze, weil hier Craven auch noch seinen letzten Nightmare-Film zitiert) und es entsteht ein Gewirr, das die
psychischen Schäden der verdoppelten Figuren nochmal um Längen schlägt.
So überlaufen ist diese Szene, dass es nur noch eine einzige Möglichkeit
gibt, den Wahnsinn zu beenden: Die völlige Vernichtung des Orts. Das passiert
eben noch haltlos überzogen und fällt sofort zurück in den nächsten
Suspense-Moment: Hier kommt keiner durch.
Fazit: Leider kann Scream
3 dann doch den Spaß, den die
erste Hälfte bereitet, nicht durchhalten und wird gegen Ende eine, ein
bisschen langatmige, wenn auch nicht langweilige Exkursion in altbekannte Horrormuster.
Nichtdestotrotz kann man ihn durchaus dem zweiten Teil vorziehen - an den ersten
kommt er aber nicht heran.
Christoph Huber
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei: www.allesfilm.com
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Scream
3
USA 2000 - ca.
118 min. -
Regie:
Wes Craven
Drehbuch:
Kevin Williamson, Ehren Kruger
Produktion:
Nicholas Mastandrea, Harvey Weinstein, Bob Weinstein
Kamera: Peter
Deming
Musik: Marco
Beltrami
Schnitt:
Patrick Lussier
Regieassistenz:
Nicholas Mastandrea
Produktion:
Craven-Maddalena Films, Dimension Films, Konrad Pictures
Verleih:
Kinowelt
Darsteller:
Jenny McCarthy, Emily Mortimer, Parker Posey, Deon Richmond, David Arquette,
Kelly Rutherford, Neve Campbell, Liev Schreiber, Courteney Cox u.a.
Kinostart
Deutschland: 22.06.2000
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