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Sex
and the City
Schwelgen
und Schwallen
»Sex
and the City« kommt in die Kinos.
Die Leinwandfassung dehnt
die TV-Serie ins Monströse
Es ist wie bei Wagner. Nicht Konflikte
und Entwicklungen treiben die Chose voran, sondern es gibt nur zwei Pole derselben
Sache, zwischen denen alles wogt und wallt. Diese Pole heißen – die vertraute
Offstimme von Sarah Jessica Parker lässt es uns Sekunden nach dem Beginn
von fast zweieinhalb Stunden Sex
and the City – Der Film
wissen –: Labels und Liebe! Da mit einer Entscheidung für eine der beiden
Seiten das Konzept der Serie zusammenbrechen würde, wird die Suppenschüssel,
in der alles schwelgt und schwappt, nur sanft bewegt, mal in die eine Richtung,
dann wieder in die andere. Dafür ist das Serienformat ideal. In der Serie
wird aber auch die Spießigkeit des Grundgedankens zu offensichtlich: Der
versprochene totale Durchbruch zum wohldurchgeknallten Warenfetischismus muss
immer wieder in letzter Sekunde abgebremst werden, von »menschlichen Werten«
und heteronormativen Stereotypen.
Dann gibt es doch den einen, auf den die
guten Frauen warten. Die, die sich nur für Sex und Waren interessiert,
kriegt Krebs. Von dem erst die Liebe sie erlöst. Und so fort.
Auf 180 Minuten gedehnt, ist das Schwelgen
und Schwallen vor allem monströs. Und monströs ist ja ganz okay: Carrie
und Mr. Big wollen heiraten. Eine Stunde und zehn Minuten Vorlust. Zwei Plotpoints:
Vivienne Westwood stiftet ein Originalmodell als Hochzeitskleid, weil Carrie
in einem Vogue-Pictorial so hinreißend drin ausgesehen hat. Und Mr. Big
stiftet endlich den begehbaren Schuhschrank. In dem findet nach zwei Stunden
und 30 Minuten auch die Versöhnung statt, nachdem die erste Eheschließung
nicht klappte. Hätte sie doch einen Schuh geheiratet! Menschen, die sich
zu Objekten hingezogen fühlen und diese auch ehelichen, sind der letzte
Schrei (Stichwort: Objektophilie). Aber zum letzten Schrei reicht es hier nicht.
In mancher Hinsicht.
Zum einen: Die Mittvierzigerinnen hören
nicht auf, sich alle Augenblicke kreischend zu begrüßen, als wäre
ihr Leben eine einzige Kunstmesse. Auf den letzten Schrei hofft man vergebens.
Ebenso auf ein schnell wirksames Verbot des Wortes gorgeous. Eine andere HBO-Produktion heißt
genau wie die Mahnung, die man rufen möchte: »Bitte leinen Sie Ihren
Enthusiasmus an!« Zum anderen: Das gewissenlos
glamouröse New York, die »City« dieses Sexes, ist von vorgestern.
Das verraten schon Details dieses bei Setdesign und – natürlich! – Kostümen
durchaus liebevoll gemachten Filmchens, wenn etwa eine Zeitungsheadline sich
um die Stabilität der Immobilienpreise sorgt. Diese vier Gentrifizierungsgewinnlerinnen
werden als typische Vertreterinnen der Schicht in die Geschichte eingehen, für
deren Dauershopping Rudy Giuliani und die Immobilienspekulation einen einzigartigen
Ort des Geistes und der Künste geopfert haben. Man nannte ihn Manhattan.
Die Zeit aber, auf diese Zerstörung auch noch stolz zu sein, ist heute
vorbei. Deswegen findet die zweite Hochzeit ganz schlicht auf dem Standesamt
statt. Damit sind wir am öde protestantischen Pol des Kapitalismus angelangt.
Auf dem Weg zum Standesamt: Soul, Gospel.
Für die Ausgestaltung der Menschlichkeit ist wieder mal der Afroamerikaner
zuständig. Carrie stellt, am seelischen Tiefpunkt angekommen, eine Assistentin
an. Die Weißen wissen nicht wie das Leben geht, ihre Hunde ficken mit
Kopfkissen und ihre Ehemänner nicht mal das. Aber dann kommt ein rundliches
schwarzes Mädel aus St. Louis, das so was von das
Herz auf dem rechten Fleck hat, und alles wird wieder gut. Wie die schwarzen
Zugehfrauen in den Filmen aus dem alten Süden. Rührend, wie sie sich
über eine Louis-Vuitton-Tasche freut!
Diedrich
Diederichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen in: DIE ZEIT, vom 21.05.2008 (Nr. 22)
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Sex
and the City
USA 2008 - Originaltitel: Sex and the City: The Movie - Regie: Michael Patrick King - Darsteller: Sarah Jessica Parker, Kim Cattrall, Kristin Davis, Cynthia Nixon, Chris Noth, David Eigenberg, Evan Handler, Jason Lewis, Lynn Cohen - FSK: ab 12 - Länge: 145 min. - Start: 29.5.2008
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