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Sex
is ...
In
SEX IS ... reden 17 schwule Männer über ihre Sexualität - in
immer der gleichen Einstellung, den Blick fest in die Kamera. Dazwischen geschnitten
sind illustrierte Dokumente, die jeden Zweifel darüber ausschließen,
worüber hier geredet wird. Durch eine glückliche Fügung entgeht
der Film allen Gefahren, die von talking
heads,
Gesprächstherapien und Betroffenenleid ausgehen. SEX IS ... ist ein informatives,
unterhaltsames, sympathisches und befreiendes Dokument, so richtig, um jemandem
hinterher die Hand zu schütteln und „Dank Dir auch" zu sagen. Das
Glück, einen Film gemacht zu haben, der von der ersten bis zur letzten
Minute stark anspricht, hat sich Regisseur Marc Huestis dadurch verdient, daß
er konsequent auf jegliche Schnörkel und Kommentierungen verzichtet. Es
wird sofort und ganz direkt zur Sache geredet, nämlich über die sexuelle
Karriere als die normalste Sache der Welt. Vom Pfarrer der Homosexuellenkirche
MCC über einen Studenten bis zum Porno-Star hören wir Statements,
die unverklemmt sind, nicht larmoyant, jeden Bekennerton vermeidend. Wir sind
offensichtlich in der Zeit des PostComing-Outs. Unter den 17 Erzählern
ist auch Marc Huestis selbst. Ihm zufolge müßten wir in der Aids-Ära
die Postpanikzeit erreicht haben. Denn es klingt nach allem anderen als nach
Angst und Furcht, wenn er berichtet, daß er es bei seinen häufigen
Sexkontakten aufgegeben habe, von sich aus zu warnen: „Nur wenn ich gefragt
werde, sage ich, daß ich positiv bin", aber „wenn ich Sex habe, dann
nur safe.“
Daß
die neue Normalität, auch der normale Umgang mit der Seuche, mühevoll
erworben sind, zeigt der Film in den kurzen Archivbildsequenzen zwischen den
redenden Köpfen, die Ruhe und Selbstsicherheit ausstrahlen und die Hauptsache
bleiben. Der Schwulenhasser Jesse Helms erscheint als böser Kasper; die
wilden siebziger Jahre in San Francisco werden zum historischen Panorama; der
Schock der achtziger Aids-Jahre wird erinnert. Ganz Gegenwart und ganz im Vordergrund
sind jedoch die vielen Bildeinschübe, die belegen, worüber gesprochen
wird: über den Sex und seine Organe.
Es
ist schwer zu ergründen, was die geradezu hypnotische Wirkung dieses so
einfach strukturierten und doch wie ein Kunstwerk funktionierenden Dokumentarfilms
ausmacht. Sicherlich ist dies seine unverkrampfte, ehrliche, direkte Sprache.
Für den deutschen Film scheint eine solche Sofortadresse ungewöhnlich
zu sein (Mir fällt eher ein vergleichbares literarisches Werk ein: „Barfuß
als Prinz" vom Schauspieler und Salonbetreiber Knut Koch, der 'Marlene'
in Schroeters ersten Filmen, 1993 in der Edition diá). In SEX IS ...
wird niemand von filmenden Pädagogen verpflichtet, sich gefälligst
für eine betroffene Minderheit zu engagieren. Statt dessen wendet sich
Marc Huestis ohne Inanspruchnahme irgendwelcher Vermittler unmittelbar an sein
Publikum. Das dankt es ihm. SEX IS ... wurde 1993 während der Berliner
Filmfestspiele mit dem schwulen Publikumspreis, dem „Gay Teddy Bear" ausgezeichnet.
Dietrich
Kuhlbrodt
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd film
6/94
SEX
IS ...
SEX
IS ...
USA
1993. R: Marc Huestis. P:
Peter Gowdy, Cheryl Swannaek. K: Fawn Yakker. Sch:
Lara Mac, Hrabba Gunnarsdottir. M: Mark Cliser, Donna Viscuso, M.J. Lallo, Johny
Morales. T: Lauretta Molitar. A: Vola Ruben. Pg:
Outsider Productions. V:
Salzgeber. L: SO Min. DEA: Berlinale 1993. St: Frühjahr 1994.
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