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Shadow
of the Vampire
Gäbe
es einen Preis für Obskurität zu gewinnen, "Shadow of the Vampire"
hätte alle Chancen darauf. Kaum ein Film kommt so konfus, so verzettelt
und schlichtweg seltsam daher wie dieser. Dabei beginnt der Film recht geradlinig
als Semi-Biographie von einem der Meisterregisseure des deutschen Expressionistischen
Films, Friedrich Wilhelm Murnau.
Murnau
(John Malkovich), ein so exzentrisches wie fanatisches Genie, will unter den
Augen seines Produzenten Albin Grau (Udo Kier) sein Meisterwerk drehen: Eine
Dracula-Adaption namens "Nosferatu", in der der Vampir Graf Orlock
sein Unwesen treibt. Mit seiner kleinen Crew bricht Murnau in die damalige Tschechoslowakei
auf, um dort seinen Titelstar zu treffen, einen in der Filmwelt völlig
Unbekannten namens Max Schreck (Willem Dafoe). "Er wird nur in vollem Kostüm
und Make Up antreten und möchte nur mit seinem Rollennamen angesprochen
werden" erklärt Murnau den verdutzten Beteiligten. Als sie Schreck
erstmals leibhaftig begegnen, wird aus Verdutzen pure Verstörung, besonders
bei seinem ständigen Bühnenpartner Gustav von Wanngerheim (Eddie Izzard).
Zu echt wirken Schrecks bleiches Gesicht mit den rattenartigen Zähnen,
seine langen Fingernägel und sein leichenstarrer Blick. Schreck, so scheint
es, treibt das Prinzip des Method Actings auf die Spitze: Seine Gruft verlässt
er nur bei Nacht, zu trinken gibt es Fledermausblut und auf Regieanweisungen
reagiert er vornehmlich mit Grunzlauten. Die Wahrheit ist natürlich erschreckend
einfach: Schreck ist ein richtiger Vampir, der mit Murnau einen faustianischen
Pakt geschlossen hat: Als Gegenleistung für seine atemberaubend realistische
Darstellung, darf er in der Schlußszene des Films Hauptdarstellerin Greta
Schröder (Catherine McCormack) zur Ader lassen...
Was
passiert, wenn ein Film zwar eine interessante und faszinierende Idee als Ursprung
hat, diese sich aber kaum adäquat umsetzen lässt? Man bekommt einen
Film wie "Shadow of the Vampire", dessen Grundidee zu seiner größten
Schwäche wird. Die Idee, daß Schreck ein wirklicher Vampir war ist
ohne Zweifel ein interessantes Gedankenspiel.
Und
mit Willem Dafoe hat man einen Schauspieler gefunden, der eine perfekte Max
Schreck-Kopie liefert. Scheitern tut dieser Film an seinen inhärenten Schwächen,
die Drehbuchschreiber und Regisseur geflissentlich ignoriert haben: Als ernsthaftes
Drama oder Horrorfilm kann "Shadow of the Vampire" nicht funktionieren.
Die Liste von Faktoren, die dies verhindern ist lang: Zum Beispiel wirkt das
von Eddie Izzard als Schrecks Bühnenpartner genau reproduzierte Schauspiel
der Zeit mit dem übertriebenen Make Up, dem camp acting und der inneliegenden
Theatralik kontraproduktiv zum Schrecken, den Schrecks Mimiken und Gestiken
verbreiten sollen, diese verpuffen weitestgehend wirkungslos. Noch wesentlich
schlimmer: In vielen Szenen wirkt nichts an diesem Vampir erschreckend oder
furchterregend sondern einfach nur lächerlich, etwa wenn Schreck vor Nervosität
und Vorfreude wild mit seinen Fingernägeln schwingend hin- und herwackelt.
Das größte Problem aber ist das Grundwissen des Zuschauers. Daß
er um die wahre Identität des Vampirs weiß sorgt für Szenen
voller (unfreiwilliger) Komik, etwa als der Regisseur verkündet, daß
es vier Uhr und damit Drehschluß sei, und Schreck, der zuvor wie tot auf
dem Boden liegt wie vom Hafer gestochen aufspringt und entsetzt schreit "Vier
Uhr?".
Offensichtlich
entschloß man sich dann, den so offensichtlichen und kaum zu verbergenden
humoristischen Aspekt noch weiter zu betonen, um aus der Not eine Tugend zu
machen. So schreit dann Murnau Schreck an "Wie kannst Du meinen Kameramann
zerstören! Warum hast Du nicht, ähm, die Drehbuchassistentin genommen?"
und Schreck mit süffisantem Grinsen nachdenkt: "Die Drehbuchassistentin?
Die esse ich später." Das Groteske dieser Situation, in der Murnau
und Schreck darum feilschen, welcher Teil der Crew entbehrlich ist und angeknabbert
werden darf, ist für sich genommen herrlich komisch und wahnsinnig unterhaltsam.
Dem Film aber schadet sie eher als das sie nützt. Spätestens wenn
dann ausgerechnet "Hot Shot"-Cary Elwes gnadenlos chargierend als
Ersatzkameramann Fritz Wagner auftaucht, der sich wie eine Comicfigur aus den
Pulpheften der Dreißiger gebärdet, wirft der Film jeglichen Anspruch
auf Glaubwürdigkeit und Ernsthaftigkeit über Bord. Das Abgleiten in
unfreiwillige Selbstparodie verträgt sich dann allerdings überhaupt
nicht mit dem recht bösen und gewalttätigen Ende des Films.
Dementsprechend
steht man "Shadow of the Vampire" denn auch reichlich ratlos gegenüber.
Was erwartet dieser zutiefst seltsame Film von uns? Lachen? Weinen? Fürchten?
Den Film als großartige Kasperei genießen, als Leslie Nielsens Draculafilmchen
ohne Leslie Nielsen? Den in der zweiten Hälfte des Films völlig vergessenen
Aspekt, daß zuviel Ehrgeiz und Besessenheit ins Verderben führt,
als roten Faden nehmen und sich dann wundern, daß Malkovichs Figur im
Grunde null ausgearbeitet ist? Oder die eigenen Ansprüche senken und diesen
Film einfach als das genießen, was er ist - eine unausgegorene Obskurität
mit unfreiwillig hohem Spaßfaktor. Der Rezensent tendiert ganz eindeutig
zu letzterem. Denn trotz aller genannten Kritikpunkte ist "Shadow of the
Vampire" immer noch bessere und auch intelligentere Unterhaltung als die
Unmengen an Schrott, die Hollywood gemeinhin so verzapft. Und auch die Meriten
des Films sind nicht zu vergessen: Die Ausstattung ist großartig, Dafoes
Präsenz beeindruckend und der Film gerade in seiner Zerrissenheit interessant.
Man
kann und sollte "Shadow of the Vampire" als das nehmen, was er ist
und letztendlich nur sein kann, also als teilweise grandios komische Unterhaltung
genießen. Daß er damit sein eigenes Ziel und seinen eigenen Anspruch
um Meilen verfehlt, ist offensichtlich und bedauerlich. Aber es gibt Trost:
Selten hat ein Film im nahezu völligen Scheitern so viel Spaß gemacht.
Simon
Staake
Dieser Text ist zuerst erschienen bei: filmszene
Shadow
of the Vampire
USA
/ Großbritannien 2000 - Regie: E. Elias Merhige - Darsteller: John Malkovich,
Willem Dafoe, Udo Kier, Cary Elwes, Catherine McCormack, Eddie Izzard, John
Aden Gillet, Nicholas Elliot, Ronan Vibert, Sophie Langevin, Myriam Muller -
Länge: 95 min. - Start: 21.6.2001
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