Shakespeare in Love
Die Liebe, mal wieder. Die große, romantische Liebe, aufgesucht da, wo
sie (womöglich) erfunden wurde. Weil aber diese Erfindung eine der
Literatur ist, oder gar der Rhetorik, also eine Sprache der Liebe, gilt
es, per Hollywood-Kostümfilm die Dinge wieder zurechtrücken. Die
Strategie ist so einfach wie bis zum Überdruß vertraut und besteht in
biografischer Konstruktion.
Shakespeare, über den man bekanntlich nichts weiß (na gut, es gibt da
Anne Hathaway, aber mit der gibt sich der Film gar nicht ab), wird mitten
hineinversetzt ins London kurz vor 1600 und mitsamt dem kostümhistorisch
realistisch aufgebauten Elisabethanischen Zeitalter mit Haut und Haaren
dem heutigen unmittelbaren Verstehen angeeignet. Und so wenig es
historisch falsch sein mag, die romantische - d.h. in ihrer Rhetorik und
manchen ihrer Praktiken: absolute und asoziale - Liebe genau hier zu
verorten, so falsch, und immer wieder falsch, ist es doch, so zu tun, als
sei dies die einzige, wahre, echte Form der Liebe, auf die es die
Weltgeschichte immer schon abgesehen hatte.
Es wird sich da aber weiter kein Gedanke gemacht, alle Cleverness
beschränkt sich darauf, die Romeo- und-Julia-Geschichte zu einer
Bill-Shakespeare-und-Viola-Geschichte zurückzuverlängern und das Werk
metaleptisch, also rückwärts projizierend, aus des Dichters Leben heraus
zu kausalisieren. Reflexionen über dieses Verfahren erübrigen sich für
den Film ganz offensichtlich, stattdessen der Griff hinein ins pralle
Leben, das die Akteure durch Chargieren dem Hollywood-Code von echter
Lebenslust einordnen sollen. Besonders schwer erträglich ist dabei Joseph
Fiennes, glutäugiger Poet und Schwerenöter. Überraschend angenehm
dagegen, weil des schauspielerischen Understatements fähig, ist Gwyneth
Paltrow.
Immerhin rutscht das ganze selten nur auf Klamotten-Niveau und rundet
sich hin und wieder zu einer ganz netten Komödie, mit altvertrauten
Versatzstücken. Womit aber Lob und Preis und Oscarnominierungen verdient
sein mögen, das bleibt unerfindlich.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Shakespeare in Love
USA 1998
Regie: John Madden
Mit Gwyneth Paltrow, Joseph Fiennes