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Shanghai Knights
Fortsetzungen überall. Wo man hinblickt, werden
die erfolgreichen Filme der letzten Jahre mit Sequels, Prequels oder Ablegern
sonstiger Art versehen, die den vermeintlichen Wünschen des Publikums entgegen
kommen sollen.
Dabei haben es offenbar nicht nur die kassenträchtigen
Blockbuster den Produzenten angetan, fortgesetzt wird alles, was nicht an der
Kinokasse in Grund und Boden versank. So findet mit Shanghai Knights auch ein Film seine Fortsetzung, der dem inzwischen
beinahe zum eigenen Subgenre mutierten Korpus an Jackie-Chan-Filmen angehörte:
Shanghai Noon hieß vor einigen Jahren ein netter, aber relativ
gewöhnlicher Genremix aus postmodernem Western und Kung-Fu Action mit seinem
inzwischen für jene Art von Rolle etwas zu sehr in die Jahre gekommenen
Star. Shanghai Knights arbeitet mit der gleichen Doppelbesetzung, mit Jackie
Chan und Owen Wilson als Partner in einer Mischung aus Kung-Fu-Flic und Bud
Spencer-Terence-Hill-Buddy-Movie, von dem man meinen könnte, dass es ihn
in dieser Form zu Zeiten so exzessiver Actioneskapaden wie Charlies Angels oder so überwältigender Kung-Fu Revivals wie
Tarantinos Kill Bill gar nicht mehr geben dürfe.
Shanghai Knights passt dabei seinen Starttermin durchaus geschickt so
ab, dass der vor einigen Monaten angelaufene Kill Bill die Möglichkeit hatte, den Hunger auf Kung-Fu und
Schwertkämpfe zu schüren, einen Hunger, der auch vor der zweiten Hälfte
von Kill Bill gestillt sein will. Während sich jedoch Kill Bill in großartig choreografierten, ästhetisch
überwältigenden Gewaltorgien ergeht, die die Leinwand zum Gemälde
werden lassen, bewegen sich Chan und Wilson auf dem weitaus sichereren Boden
nicht wirklich übertretener Genregrenzen und einer überschaubar simplen
Geschichte:
Das kaiserliche Siegel wird aus der verbotenen Stadt
gestohlen, der Wächter des Siegels getötet. Jener Wächter war,
ärgerlich für den Dieb, der Vater Chon Wangs (Jackie Chan) und seiner
Schwester Lin (Fann Wong). Chon Wang (dessen Name in der Aussprache sicher nicht
zufällig eine überdeutliche Ähnlichkeit
mit John Wayne aufweist) begibt sich vom Schauplatz des ersten Teils -
dem wilden Westen, in dem er als Sheriff für Recht und Ordnung sorgt -
ins viktorianische England, wohin sich der Dieb samt seiner Beute geflüchtet
hat, um dort gemeinsam mit Helfer und Freund Roy O'Bannon (Owen Wilson) das
Siegel zurückzuerobern und den Tod des Vaters zu rächen.
Das Rezept des Hybriden, das im ersten Teil zwei Genres
- Western und Martial Arts - kollidieren ließ, wird hier auf die Kulturen
angewendet, und in einigen Szenen funktioniert das auch recht gut: etwa, wenn
die Hintergrundmusik einer aufwändigen Kampfszene, die sich den ordinären
Regenschirm als Waffe auserkoren hat, Singin’ in the Rain als Begleitung der tänzelnd-fechtenden Helden zum
Besten gibt. Hier kollidiert das amerikanische Musical mit englischen Kostümen
und fernöstlicher Kampfkunst, und das Resultat versteht durchaus zu unterhalten.
Auch Sir Arthur Conan Doyle und Charlie Chaplin begegnen einem in Shanghai Knights an unerwarteten Stellen, und jene (wenigen) Augenblicke
retten den Film auch davor, gänzlich in die Belanglosigkeit abzurutschen.
Doch auch wenn die Mixtur aus Genreeinflüssen, jene
Kollission von Popkulturen, den Bruch mit dem Genre vorgaukelt, wird die Grenze
der Actionkomödie niemals wirklich überschritten: zu durchschaubar
bleiben die Charaktere, zu konventionell geriert sich die Ästhetik und
zu einfach gestrickt bleibt der Plot. Wo Tarantinos Kill Bill ein komplexes Netz aus dem Bildreservoir der Filmgeschichte
und den Namen des Hong Kong Kinos spinnt, bleiben die Anspielungen von Regisseur
Dobkin zu plump und zu rar gesät, um den barocken Überschwang des
farbenprächtigen Konkurrenten Tarantino auch nur annähernd zu erreichen.
Wo Kill Bill eine Geschichte, die einfach genug ist, in ihrem Titel
erzählt zu werden, dennoch so zwischen atemberaubende Kamerafahrten und
einen stilsicheren Soundtrack bettet, dass dem Zuschauer keine
Zeit bleibt, darüber nachzudenken, ob ihn die Erzählung möglicherweise
unterfordern könnte, ist einem dies kleine Detail der mangelnden Storydichte
in Shanghai Knights ständig präsent.
David Dobkins Werk kündet vom langsamen Ende einer
Ära, der Ära einer Sorte kleiner Actionfilme, die dem Griff der Großproduktionen
nach dem ihnen angestammten Bildvorrat möglicherweise nicht überleben
werden. So betrachtet, wird dann Shanghai Knights zu einem beinahe nostalgischen Überbleibsel einer
Zeit, in der weder kreiselnde Kameras noch Matrix-artige Zeitlupen nötig waren, um den Kung-Fu Kampf
zwischen zwei Helden zu inszenieren; einer Zeit, in der es nichts weiter brauchte,
als ein paar unsichtbare Seile, an denen die Kämpfenden hingen, um die
Wände empor zu laufen und besser Saltos schlagen zu können.
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
David
Dobkin
USA/UK/CZ,
2003
Kinostart:
25. Dezember 2003
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