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Sharkwater
Der Mensch ist
des Menschen Hai
Der große Rundum-Zyniker Denis Leary hat in
seiner Weisheit einmal festgestellt, was ihn am Tierschutz so auf die Senkel
geht: Man will immer nur die Wesen retten, die entsprechend süß sind.
Otter zum Beispiel finden alle super, was können die auch für tolle
kleine Bewegungen mit ihren Pfoten machen! Eine Kuh dagegen ist im Prinzip ein
Baseballhandschuh, der nur auf seine Verarbeitung wartet.
Ähnlich trostlos präsentiert Filmemacher
Patrick Moore das Schicksal der Haie, immerhin eine der ältesten Arten
des Planeten: Während sich Greenpeace rührend um Wale und Delphine
kümmert, kommt keiner auf die Idee, die Haie retten zu wollen. Dabei wäre
das angebracht, in Asien (und zunehmend auch im Westen) kommen die armen Tiere
buchstäblich in die Suppe – Haifischflossen gelten inzwischen von Seoul
bis Singapur als derart kostspielige Delikatesse, daß Handel und Schmuggel
der abgetrennten Schwimmhilfen längst in Mafiahänden und im Volumen
vergleichbar mit dem Elfenbeingeschäft ist. Welche absurden Situationen
sich daraus ergeben, zeigt sich beispielsweise in Guatemala, wo die Jagd auf
den vom Aussterben bedrohten Hai längst verboten ist, und Moore sich dem
Meeresschutz-Veteranen Paul Watson anschließt, um auf besondere Einladung
des Präsidenten dort die Einhaltung des Verbots zu überwachen. Der
staatliche Segen allerdings scheint im tristen Alltag einer chaotischen Region
nicht allzuviel wert zu sein: Was folgt, sind Rammversuche und Kanonenbootjagden
mit eindringenden costarikanischen Fangschiffen ohne Jagderlaubnis, die an Land
ein erstaunliches Nachspiel haben: Die örtliche Justiz, die sich nicht
sonderlich viel Mühe gibt, die offensichtliche Korruption auch nur zu leugnen,
legt den Umweltschützern nahe, das Land besser gleich zu verlassen, sonst
würden empfindliche Haftstrafen drohen, Präsident hin oder her.
Hier hat der Film seine stärksten
Momente: Die unheilvollen Verknüpfungen internationaler Profitsucht für
ein nutzloses Luxusobjekt mit lokalen Strukturproblemen und globalem Desinteresse
führt zielstrebig zur Ausrottung einer ökologisch immens wichtigen
Art. Absurderweise spielt dabei ein Imageproblem noch immer die Hauptrolle:
Die Menschen haben den Meeressäugern, das macht dieser Film mehr als deutlich,
das Image des blutrünstigen Räubers nach ihrem eigenen Abbild geformt
– inzwischen dient es einer vollkommen grundlosen, aber medial immer wieder
gerne ausgeschlachteten Panikmache an Stränden und im Kino. Und wer will
schon menschenfressende Monsterbestien schützen?
Aber hier verfängt sich Patrick
Moores Film dann auch im eigenen Netz. Ein nüchterner Film mit all diesen
Fakten hätte ein aufrüttelndes Dokument menschlicher Ignoranz abgegeben;
aber Moore ist seit Kindestagen Unterwasserfilmer und Haifetischist, das Thema
geht dem Dokumentaristen näher als das seinem Film guttun würde. Mit
endlosen Wiederholungen der immergleichen Fakten und Forschungsergebnissen will Moore
lieber kräftig hämmern als tief bohren, das wiederholt überhandnehmende
Pathos in Musik und Bildern tut ein Übriges. So wird aus Sharkwater leider
mehr Anklage und Predigt als Mahnung und Dokument.
Bei den gloriosen Unterwasseraufnahmen
ist
Moore dagegen buchstäblich in seinem Element. Der traurige Effekt, dass
manche Einstellungen so außerirdisch bunt und exotisch aussehen, dass
man sie in jedem anderen Film für CGI halten würde, gerät glücklicherweise
bald in den Hintergrund zugunsten der erstaunten Bewunderung für einen
geborenen Naturfilmer, der sich hier nur etwas zu weit in den Thesenfilm hinuntergetraut
hat und deswegen manchmal erheblich ins Husten und Stottern gerät.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Sharkwater
Kanada 2006 - Regie: Rob Stewart - Darsteller: (Mitwirkende) Paul Watson, Erich K. Ritter, Boris Worm, Carlos Pérez Cembrero, Patrick Moore, Rob Stewart - Prädikat: wertvoll - Start: 10.4.2008
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