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Schock-Korridor
Der
Titel-Korridor öffnet sich nur auf den Wahnsinn. Der tritt auf, drei Mal,
als Farbbild im Schwarz-Weißen, als Fantasie von der Ferne im Zwischenschnitt.
Ein Mal noch regnet es in der Anstalt, sonst aber sind die Bilder als objektive
furchtbar genug. Nichts anderes als das amerikanische Unbewusste kehrt Sam Fuller
in seinem Korridor hervor, führt vor, wie die blanke Unvernunft aussieht,
wenn sie alle Verkleidung fahren lässt: Der Schwarze wird zum glühenden
Verfechter des Ku-Klux-Klan, der Soldat führt die Kriege der Vergangenheit,
der Nuklearforscher regrediert ins Infantile. Fuller kennt hier kein symbolisches
Vertun, hält das Gezeigte nie auf parabolischer Distanz. Der Wahnsinn ist
keine Metapher, aber doch nicht schieres, unerklärliches Irresein, sondern
ein fataler Schutzmechanismus gegen Entmenschung.
Der
Mord, der hineinführt, ist reiner McGuffin, das Motiv aber des Reporters
ist die unverstellte Gier nach Ruhm, eine weitere Perversion. Deshalb ist der
falsche Ort, an den der Held sich schmuggelt, gerade der richtige, als Schauplatz
amerikanischer Krankheiten. Ein Traum von Machbarkeit, eineWarnung vor dieser
Hybris der Aufklärung. Die Stricke des Verstandes, mit denen dieser neue
Odysseus sich an seinen Schiffsmast fest gebunden glaubt, müssen reißen.
Er wird, oh ja, den Gesang zu hören bekommen, aber der, der ihn hört,
ist nicht mehr der, der ihn um jeden Preis hören wollte. Der Preis, den
er zahlt, für den Pulitzer-Preis und den Ruhm in der Welt, ist der Verlust
der Frau wie des eigenen Verstandes.
Radikal
verweigert Fuller jede Erlösung und macht die Titelfigur zum Gegenteil
eines Hollywood-Helden. Dieser gelangt, über Widerstände hinweg, auch
gegen das, was in ihm selbst ihn hemmt, zum Triumph als Überwinder. Hier
wird die Überwindung der Widerstände nicht mehr belohnt. Der Kampf
wird vergeblich gewesen sein. Kein Zufall, sondern Konsequenz des Glaubens an
die Durchsichtigkeit des Selbst. Das ungetrübte Selbstbewusstsein glaubt
daran, noch sich selbst beliebig und unbeschadet manipulieren zu können.
Dadurch aber wird Johnny zu einem, der noch zu sich selbst in ein instrumentelles
Verhältnis tritt. Ein Schauspieler, der aber mit dem Verhängnis nicht
rechnet: Der Shock Corridor ist der Inbegriff dessen, was keine Bühne mehr
ist, ein Ort, an dem die distanzierende Kraft der theatralischen Fiktion erlahmt.
Alles Fiktive wird vielmehr pathologisch: Als exotischer Zwischenschnitt in
Farbe, als Gegenteil des Realen. Als regellose Vermischung und Überblendung
der Bilder im Moment des Elektroschocks. Der Plot kommt zur Ruhe, der Held findet
seinen Platz in der Welt: Im Shock Corridor, in der katatonischen Starre, Entmenschter
unter Entmenschten.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Schock-Korridor
SHOCK
CORRIDOR
USA
- 1963 - 101 min. – schwarzweiß – Psychothriller - Verleih: Atlas - Erstaufführung:
24.3.1973 West 3 - Produktionsfirma: Allied Artists
Regie:
Samuel Fuller
Buch:
Samuel Fuller
Kamera:
Stanley Cortez
Musik:
Paul Dunlap
Darsteller:
Peter
Breck (Johnny Barrett)
Constance
Towers (Cathy)
Gene
Evans
James
Best
Hari
Rhodes
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