Shrek
Lustvoller Synkretismus ist das Prinzip von Shrek. Munter hineingerührt
in die Geschichte werden alle Märchen, derer man beim Verfassen des
Drehbuchs habhaft werden konnte. Das Arsenal der Figuren umfasst den
bösen Rotkäppchenwolf, Schneewittchen und die sieben Zwerge ebenso wie
Pinocchio. Die Prinzessinnen-Eroberungsgeschichte folgt dagegen, mit
gewissen Modifikationen, einen bald liebeskranken Drachen betreffend
etwa, dem Dornröschen-Motiv. In den Topoi der Märchenstruktur hat man
fürs Publikum der Gegenwart so manche Verschiebung, Verzerrung
vorgenommen: ins Groteske mitunter, ins allzu Alberne leider auch: die
schlechtere Hälfte des heldischen Buddy-Paars von Oger und Esel erinnert
an keine Figur der jüngeren Mythologie so sehr wie an Jar-Jar Binks.
Manchmal integriert der Film vorhandenes Material fast nur als Zitat
(Pinocchio etwa), anderes wird parodiert oder in neuere
Darstellungsformen komisch hinüberpersifliert (die Werbespots um die
Prinzessinnen). Keines der Motive aber gewinnt dabei ein zu starkes
Eigengewicht, zur Klasse von Shrek gehört das gute Gespür für Timing;
keine kleine Kunst, da im Zusammenführen von eigenständigen und von
Materialbearbeitung lebenden Pointen durchaus komplizierte Kalkulationen
notwendig sein dürften: der Film rechnet immer wieder mit der Intelligenz
des Betrachters, nur um in einer den Produktionsbedingungen geschuldeten
Form von Double Speak prompt darauf wieder die schlichteren Ansprüche an
filmische Komik zu bedienen.
Nicht nur wird nebenher eine erstaunlicherweise nie in ihre Bestandteile
zerfallende Geschichte erzählt, man leistet auch noch eifrige Umbauarbeit
an tradierter Märchenideologie. Die Sache mit der Prinzessin und dem
Frosch und dem Kuss (nicht alles ganz wörtlich genommen) macht hier
eigenwillige Metamorphosen durch, bis zum anders als erwartet glücklichen
Ende. Mit großer Freude nimmt Shrek - von der ersten, ganz schön
widerlichen Sekunde an - die ganze Disney-Welt auf die Schippe, arbeitet
damit und dagegen, zieht sein Gelingen aus der Veralberung der Klischees,
der Verschärfung des Knuddeligen ins beinahe Realistische und rührt dann
doch ein ums andere Mal in fremd-vertrauter Weise ans Gemüt.
Ekkehard Knörer
Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht in:
Shrek
USA 2001
Regie: Andrew Adamson, Victoria Jenson