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Sieben
Frauen
Eine
wilde Jagd durch die Steppe, Bewegung von rechts nach links, das erste Bild.
Es wird die letzte rasante Bewegung vor dem Horizont der Wüste bleiben,
korrespondieren wird nur eine Abfahrt, am Ende, in eine offene Zukunft hinein,
eine Prozession beinahe, Symbolbewegung für die Prozesse, um die es Ford
hier geht.
Das
zweite Bild: Einfahrt eines Autos in die christliche Mission. (In der chinesischen
Steppe, nahe der Mongolei, das sagt der Vorspann.) Es wird die letzte Bewegung
von außen nach innen bleiben, der Rest wird die Bewegung hinein in die
Mission nur noch als Eindringen eines Äußeren ins Innere beschreiben
können. Es geht dabei um Prozesse, die der Fremdkörper im Inneren
auslöst, wie eine Infektion, vielleicht tödlich wie die Cholera, jedenfalls
- mit einer Ausnahme - bewusstseinsverändernd.
Das
dritte Bild. Von rechts nach links schreitet zügig und bestimmt die Leiterin
der Mission, um sie herum in den Raum gestaffelt findet sich das Personal wie
Staffage. Eve, die unschuldige Lehrerin, die an Gott glaubt und von der Leiterin
mit gierigen Blicken und zitternden Handberührungen begehrt wird. Das alte
Paar, die Frau, die gebiert, der Mann, der sich zum sinnlosen Heldentod entschließt.
Der Film betont das Heldische, nicht das Sinnlose daran, weil er zuvor die Welfremdheit
und Wirklichkeitsblindheit des Mannes herausstreicht. Der erste Kontakt mit
der Wirklichkeit freilich wird tödlich enden: Ambivalenter Optimismus.
Die
Mission ist ein Rückzugsraum, der seine (als scheinhaft sich erweisende)
Stabilität der Ausblendung der Realität verdankt. Verkörperung
dieses Willens zur Blindheit bleibt, bis zum Schluss, die - betont amerikanische
- Leiterin der Mission, die - anders als die anderen - nur einen Prozess der
Zerrüttung durchmacht, keinen der Einsicht und Erkenntnis. Drei Infektionen
wird es geben. Zuerst Doktor Cartwright, die Frau, die ein Mann sein sollte,
die Frau in Männerkleidung, im Männerberuf, mit dem Männerton
am Leib, die Frau, die vor dem Mann aus der Zivilisation in die Steppe geflohen
ist. Natürlich aber ist sie kein Mann, das ist für die Konstruktion
des Ganzen von essenzieller Wichtigkeit. Als Frau nämlich ist sie der Fremdkörper
als Ähnliches, das nicht Assimilierbare in zugleich nicht ausgrenzbarer
Gestalt. Sie taugt, gerade indem sie all die rigiden Regeln der künstlichen
Binnenwelt mit einer Hand- und einer Mundbewegung bricht, zum role model. Und
nur als Frau wird sie am Ende alle retten können: nur sich nicht. Die Befreiung
der Zivilisation aus den Fesseln der erstickenden Tradition erfordert das heroische
Selbstopfer der Frau.
Und
den Barbaren. Der Barbar löst gerade in seiner namenlosen Barbarei, das
ist der hoch ambivalente Kern der hoch ambivalenten Befreiungserzählung
von "Seven Women", den entscheidenden Zivilisationsprozess aus, der
einzig eine Zukunft, einen Weg ins Offene ermöglicht - wohin immer er führen
mag. Es ist bezeichnend, dass der Indianer dieser Barbar hier nicht mehr sein
kann. Es braucht das exotische Gegenbild zur amerikanischen Zivilisation. Dass
der imaginierte Kostümmongole da recht kommt, hat mit Rassismus im Grunde
nichts zu tun. Der Barbar ist reine Funktion, Katalysator eines Erkenntnisprozesses,
der Amerika gilt. Gebrochen wird die tyrannische Anführerin ("you're
a small time dictator", sagt Anne Bancroft einmal), aber das ist weiß
Gott keine einfache Sache: Sie erfordert den eisernen Willen der zivilisierenden
Frau zur Unterwerfung unter die schiere, vergewaltigende Barbarei. Sie wird
sterben müssen, als mythische Gründungsfigur, die den Barbaren tötet
wie sich selbst, auf dass Amerika eine Zukunft hat, im Wirklichen vor offenem
Horizont.
Ekkehard
Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
Sieben
Frauen
(1965)
SEVEN
WOMEN
USA
- 1965 - 87 min. - Scope
Literaturverfilmung
FSK:
ab 18; feiertagsfrei
Verleih:
MGM
Erstaufführung:
24.3.1966
Fd-Nummer:
13953
Produktionsfirma:
Ford/Smith
Produktion:
Bernard Smith, John Ford
Regie:
John Ford
Buch:
Janet Green, John McCormick
Vorlage:
nach der Erzählung "Chinese Finale" von Norah Lofts
Kamera:
Joseph LaShelle
Musik:
Elmer Bernstein
Schnitt:
Otho Lovering
Darsteller:
Anne
Bancroft (Dr. D. R. Cartwright)
Margaret
Leighton (Agatha Andrews)
Sue
Lyon (Emma Clark)
Flora
Robson (Miss Binns)
Mildred
Dunnock (Jane Argent)
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