zur
startseite
zum
archiv
Simone
Digital
ist besser
oder:
Die simulierte Mediensatire
Altmeister
Al Pacino spielt Victor Taransky, einen abgehalfterten Kitschfilmer in Hollywood
mit kunstgewerblichem Hintergrund. Nicht nur der in diesem Zusammenhang eher
fremd klingende Name kennzeichnet ihn als Parodie auf den Typus des (ost-)europäischen
Autorenfilmers, der Schauspieler lediglich als frei verfügbare Modelliermasse
für eigene künstlerische Ansinnen ansieht, für den gemeinen Zuschauer
(aber auch für seine Darsteller) kaum verständliche Bilder inszeniert
und lange, bedeutungsschwangere (Phrasen-)Monologe vorzieht. Kurzum: Ein Narziss,
der sich hinter hohen, längst schon hohlen eigentlich Kunstidealen versteckt.
Logisch, dass ihm die Schauspieler - auch diese freilich keinen Deut besser,
was den eigenen Narzismus betrifft - haufenweise davon rennen, dass er kurz
vor dem künstlerischen Aus steht. Ein rettender Strohhalm in der Krise
bietet sich dem runtergekommenem Filmemacher mit dem Computerbastler Hank an,
der ihm eine Festplatte überlässt. Darauf: "Simulation One",
kurz: Simone, eine komplett computergenerierte Schauspielerin, selbst für
den Laien noch leicht über ein benutzerfreundliches Interface zu steuern
und zu bearbeiten. Bald schon gibt es den ersten Film mit der digitalen Aktrice,
weder Kritik noch Publikum riechen den Braten und feiern den neuen Star euphorisch.
Ein kleiner Schwindel, der für den nunmehr endlich im Rampenlicht stehenden
Taransky schnell zur Lebenslüge anschwillt: Die Medien reißen sich
um die neue Diva, immer neue, brenzlige Situationen - Dreharbeiten, Interviews,
Oscarverleihungen - wollen gemeistert, eine längst schon geschiedene Ehe
- Ironie des Schicksals: Seine Ex-Gattin ist die Studiochefin - wieder gekittet
werden. Den neuerlangten Ruhm (im Schatten seiner Kreatur freilich) überhaupt
noch zu genießen fällt da schon aus Zeitgründen flach, bald
schon bemerkt Taransky, dass auch er die Geister, die er rief, nicht allzu leicht
wieder los werden würde.
Ohne
Zweifel ein reizvoller Stoff, den sich Gattaca-Regisseur
und Truman-Show-Autor
Niccol da zur Brust genommen hat. Die Frage nach der Realität in den Medien
und deren Authentizität ist eine im medienphilosophischen Bereich heiß
debattierte. Theoretiker wie Marshall McLuhan und Jean Baudrillard schrieben
bändeweise Bücher zum Thema, die zur Grundlektüre jedes Studenten
der Medienwissenschaft gehören. Dass Filme wie die MATRIX-Trilogie
so einen immensen Erfolg haben, ist unter anderem auch Indiz dafür, dass
das Topos einen gewissen Nerv im Zeitgeist trifft. Umso bedauerlicher, dass
SIMONE fast schon so flach wie die Bildschirme und Leinwände ist, auf der
wir im Film die titelgebende Protagonistin ausschließlich zu Gesicht bekommen.
Gewiss
ist eine Satire anderen Bedingungen unterworfen als das klassische Erzählkino,
doch selbst mit diesem Gedanken im Hinterkopf erscheint die Geschichte als zu
aalglatt, zu offensichtlich konstruiert. Die Klischees, die ein solches Projekt
notwendig mit sich bringt, werden über den Scheitelpunkt hinaus bemüht,
bis zu dem eine Überspitzung noch strategisch günstig gewesen wäre.
Wäre eine Groteske das Ziel gewesen, gäbe es damit weiter kein Problem,
doch für eine solche bleibt man wiederum zu brav und belässt es bei
saloppen Allgemeinplätzen von Medienkritik, die nun wahrlich keinem Menschen
neu sein sollten, und Karikaturen von Klischees, die mehr über die Autoren
des Films selbst als über die Wirklichkeit da draußen aussagen. Längst
schon hat in den Medien die ironische Selbstreflexivität Einzug erhalten:
Dass Stars von findigen Investoren gemacht werden, dient als abendfüllendes
TV-Format mit Quotengarantie, Reality-Shows installieren den Langeweiler und
Sesselpupser von nebenan als neue Starikone und Harald Schmidts Late-Night-Show
erhebt seit Jahren schon die eigene redaktionelle Arbeit hinter den Kulissen
zum Kult und bestimmenden Thema. Und in den Staaten ist's gewiss nicht anders,
ja die Existenz von SIMONE selbst ist eigentlich schon Indiz dafür. Das
Starmodell "Madonna", meinetwegen auch "Britney Spears",
funktioniert nur noch in den seltensten Fällen und selbst dann meist nur
unter Zuhilfenahme augenzwinkernder Ironie. Von dieser Perspektive aus gesehen
erscheint SIMONE, angesichts der selbst behaupteten Smartness, fast schon bedenklich
hausbacken und anachronistisch. Es wundert dann auch kaum weiter, dass man sich
dramaturgisch damit begnügt, eine ganze Weile lang lediglich eine "verzwickte
Situation" nach der anderen aneinanderzufügen, aus denen sich Pacino
winden muss, ohne aber nennenswerten humoristischen oder dramatischen Mehrwert
zu produzieren.
Hinzu
kommt der gallige Beigeschmack, tritt ein Film zwar als bis zu einem gewissen
Grad mahnende Medienkritik auf, ohne aber dabei die eigene Rolle zu thematisieren.
Das war auch schon bei MATRIX nicht anders, dessen Szenario von der äußerlichen
Welt als einer gigantischen CGI-Illusion überhaupt erst mit immer perfektionierteren
CGI-Effekten auch ästhetisch befriedigend erzählbar wurde. SIMONE
ist eigentlich schon fast dreist, wenn er zwar die Sphäre bloßer
Künstlichkeit in Hollywood und im "Celebrity Milieu" ein wenig
persiflieren möchte, dabei aber selbst die Perspektive eines äußeren
Beobachters einnimt. Da war der kanadische Regisseur David Cronenberg im Jahr
1982 schon wesentlich weiter, als er mit VIDEODROME
eine in das Gewand eines Horrorfilms gekleidete Meditation über das Verhältnis
von inner- und außermedialer Realität inszenierte, die notwendig
auch auf der Ebene des Plots Brüche in den Realitätsebenen aufweist,
welche sich für den Zuschauer oft nicht mehr nachvollziehen lassen, um
sich so in die formulierte Kritik miteinzubeziehen.
SIMONE
begnügt sich indes damit, ein stinknormaler Hollywood-Film mit etwas kritischem
Kolorit zur Tarnung des einschlägigen Projekts zu sein: Letztendlich und
nach allen Widrigkeiten dreht sich doch nur wieder alles um die Rekonstruktion
der Familie, man scheint auch eigentlich nichts anderes im Sinn gehabt zu haben.
Oh, Al Pacino - was für ein faules Kuckucksei hast Du Dir da bloß
in Deine Filmografie gelegt?
Thomas
Groh,
2003
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei: www.ciao.de
Zur
DVD:
Die
DVD ist qualitativ überzeugend: Bild und Ton kratzen zwar nicht an bisherigen
Referenzen, fallen aber auch nicht negativ auf. Als Extras gibt es die üblichen
Beigaben: Making-Ofs, die man sich kaum ein zweites Mal ansehen wird, Trailer
und ein paar "Deleted Scenes", die nach erster Sichtung auch spürbar
an Reiz verlieren. Ein solider Release.
-
Sprachen: Deutsch (Dolby Digital 5.1) Englisch (Dolby Digital 5.1)
-
Untertitel: Deutsch, Englisch
-
Bildformat: 2.35:1
Simone
(S1mOne,
USA 2002)
Regie:
Andrew Niccol
Drehbuch:
Andrew Niccol
Kamera:
Derek Grover, Edward Lachmann
Schnitt:
Paul Rubell
Musik:
Samuel Barber, Carter Burwell
Darsteller:
Al Pacino, Benjamin Salisbury, Winona Ryder, Darnell Williams, Jim Rash, Ron
Perkins, Jason Schwartzman, u.a.
Laufzeit:
112 Minuten
zur
startseite
zum
archiv