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Simple
Men
Pierrot
auf Long Island
Wenn
man sich auf die Suche nach seinem Vater macht und ihn schließlich findet,
muss man auf Überraschungen gefasst sein. Vielleicht ist er nur ein aus
dem Käfig entflohener Oberpapagei, der die Lektion aus „Fahrenheit
451“
gelernt hat. Die Lektion besteht darin, dass man sie immer wiederholen muss,
nachdem man sie beendet hat, denn sonst würde man sie vergessen. Anwenden
kann man die Lektion dann allerdings nicht mehr. Aber vielleicht ist die Bootsszene
nur der letzte der skurrilen Momente dieses an skurrilen Personen reichen Films.
Ein Mann, Bill, der von seiner Freundin nicht im Bett betrogen wird, sondern
abwechslungshalber bei einem Überfall. Dennis, der jüngere Bruder
des betrogenen Betrügers, der philosophische Aufklärung eher von seinem
Vater erwartet als von seinem Studium. Ein angeblicher Topterrorist, der Vater
der beiden, als Football-Nationalheld. Manches Skurrile geht ins Abstruse oder
Slapstickhafte, so die Nonne, die aus dem Nonnenschema fällt. Schöne
junge Frauen als Novizinnen gehen der Welt verloren oder leiden an Epilepsie,
was sie so geheimnisvoll macht.
Skurriles
kann auch in Tragik übergehen, aber wer kennt das nicht, das Motorrad bockt,
und schon geht die Welt unter. Oder der Polizist, der, statt Fragen zu stellen,
ungefragt sich als Versager outet und dann doch Glück hat, den Fisch zu
fangen, nach dem er gar nicht geangelt hat. Manches wirkt ein bisschen wie bei
Jacques Rivette, zum Beispiel die „Verfolgungsjagd“ zwischen Dennis (Bill Sage)
und der Epileptikerin (Elina Löwensohn). Reiner augenblickshafter Zauber
ohne Anschluss. Wenn ein Bogen lang gespannt wird, kann man schon fast sicher
sein, dass er nicht hält, was er verspricht, so die Szene mit Jack (Joe
Stevens), der die ganze Zeit schon um das Haus seiner Ex-Frau Kate (Karen Sillas)
zieht, aber man hat es eben nicht mit einem David-Lynch-Film zu tun. Jack ist
kein Monster, sondern nur ein armer Schlucker, dem kalt um die Schultern ist.
Bei all dem vergisst man leicht, dass „Simple Men“ ein Liebesfilm ist, der leider
„schlecht“ endet, dadurch aber zeigt, dass die Liebe echt ist. Wenn Bill, aufgebaut
wie ein Westernheld, am Bootssteg vor seinem Vater steht und man erleichtert
feststellt, dass nun auch dieses Genre als Portion gereicht wird, glaubt man
tatsächlich, dass gleich die Pistolen gezogen werden, so sehr haben sich
solche Bilder verselbständigt. Aber das war’s dann auch schon vom Showdown,
Bill zieht gleich wieder ab und legt die letzte Strecke seines Road-Movies zurück,
zurück zu seiner zwei Tage alten Liebe Kate, die aber nicht allein ist,
denn die Polizei ist auch schon da. Den Möchtegernverführer haben
wie Valmont die eigenen Gefühle überwältigt, und am Ende steht
mal wieder die alte Wahrheit, Frauen wollen überzeugt, Männer müssen
verführt werden.
Mit
das Schönste an „Simple Men“ sind die musikalischen Einlagen, die die Melancholie
mit Gitarrenklängen auf die Zerreißprobe stellen. Und so gut wie
hier Dennis und Elina tanzen erst wieder John Travolta und seine drogenbeschwerte
Partnerin in „Pulp
Fiction“.
Dieter
Wenk (11.04)
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Simple
Men
SIMPLE
MEN
USA
- 1992 - 105 min. – Drama - FSK: ab 12; feiertagsfrei - Verleih: Impuls, VMP
(Video) - Erstaufführung: 19.1.1993/16.8.1993 Video - Fd-Nummer: 29997
- Produktionsfirma: Fine Line/American Playhouse Theatrical Films
Produktion:
Ted Hope, Hal Hartley
Regie:
Hal Hartley
Buch:
Hal Hartley
Kamera:
Michael Spiller
Musik:
Ned Rifle
Schnitt:
Steven Hamilton
Darsteller:
Robert
Burke (Bill)
William
Sage (Dennis)
Karen
Sillas (Kate)
Elina
Löwensohn (Elina)
Martin
Donovan (Martin)
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