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Sommerblüten
Der
Ernst und Unernst der Konstellation hängt hier an einer beides scheidenden
Figur: dem Vater, der die Entscheidung zu treffen hat, ob seine Tochter den
Mann heiraten darf, den sie haben will, ohne ihn, den Vater, um seinen Rat gefragt
zu haben. Ein klares "Nein" hieße: Tragödie. Ein klares
"Ja" wäre das Ende der Geschichte. Zur Komödie - mit stets
präsent gehaltenem tragischen Potenzial - wird Equinox
Flower
durchs Hin- und Hergerissensein des Vaters. Der wird so zum hermeneutischen
Rätsel, zum Objekt von Argumentationen und Tricks, die ihn erweichen sollen
- und wandelt als Riss durch den Film, der freilich von Anfang an geneigt scheint,
den Patriarchen im Herbst seiner Macht als bellenden, nicht beißenden
Hund zu porträtieren.
Es
treffen, idealtypisch geradezu, in der Figur des Vaters das traditionelle und
das moderne Japan aufeinander: er verkörpert, wie es Ozus Filme tun (und
insofern ist er so etwas wie ihre Allegorie), einen melancholischen Blick aufs
Neue, ein Verhaftetsein am Alten und vor allem den Konflikt zwischen beidem,
den er in sich auszutragen hat. Er hat keine Scheu, den Töchtern seiner
Freunde gütige Toleranz entgegenzubringen, und fällt als Vater - und
das heißt hier immer auch: im traditionellen Heim, in dem er keine Radiomusik
erträgt, in dem ihm seine Frau die auf den Boden geworfene Kleidung aufklaubt
- zurück in die Vormoderne. Andere Orte, anderes Verhalten: geradezu gelöst
gibt er sich in der Bar, in der er die Tochter seines Freundes aufsucht. Es
endet dann der Film, als Komödie, mit einer Bewegung, einer Zugfahrt zur
eigenen Tochter (und mit Gesang).
Man
ist versucht, diese erstaunlich optimistische Variante der höchst vertrauten
und andernorts sehr viel düsterer behandelten Problematik nicht zuletzt
der Farbe zuzuschreiben, mit der Ozu hier erstmals arbeitet. Sie lenkt ab von
der Strenge der Form, es tritt, um eines von Ozus Lieblingsmotiven zu nennen,
die Stange mit der im Wind wehenden Wäsche nicht mehr nur als strukturiertes
Bild auf: die einzelnen Kleidungsstücke springen heraus und ins Auge als
buntes Einzelding. Nicht minder der berühmte rote Teekessel, der noch in
der unteren Ecke des Bildrands die Tatami-Einstellung pointiert. Das Gleichgewicht
im Kader geht nicht verloren, aber Vorder- und Hintergründe treten doch
deutlicher auseinander. Es kommt dazu: die Kamera ist den Figuren hier oft nahe;
auch dies Korrelat des guten Muts, mit dem die Tragödie auf Distanz gehalten
wird.
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Sommerblüten
(Equinox
Flower)
HIGANBANA
Japan
- 1958 - 100 min.
Erstaufführung:
10.2.1995 arte
Produktionsfirma:
Shokiku
Regie:
Yasujirô Ozu
Buch:
Kôgo Noda, Yasujirô Ozu
Vorlage:
nach einem Roman von Satomi Ton
Kamera:
Akira Aomatsu
Schnitt:
Yoshiyasu Hamamura
Darsteller:
Shin
Saburi
Kinuyo
Tanaka
Ineko
Arima
Keiji
Sada
Teiju
Takahashi
Miyuki
Kuwano
Chishû
Ryû
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