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Später
Frühling
Es
beginnt mit den Bildern einer traditionellen Teezeremonie: dem kleinsten Handgriff
gilt die größte Aufmerksamkeit. Dazwischen: hohe Baumwipfel, Wälder,
Bilder, die wiederkehren. Schnitt auf Professor Shukichi mit seinem Assistenten
Hattori, sie beschäftigen sich mit dem deutschen Ökonomen Friedrich
List (später hat Shukichi ein Buch von Nietzsche in der Hand). Dieselbe
Sorgfalt wie bei der Teezeremonie, will einem scheinen, im Umgang mit den Büchern.
Hinein aber platzt der Ableser von den Elektrizitätswerken. Dies der erste
Kontrast: das Vergangene, Friedliche, Hochkodierte, eine Ordnung, aus der so
leicht nicht zu fallen ist (später: der Besuch im No-Theater von Vater
und Tochter) - und auf der anderen Seite: das Ende dieser Ordnung, die Großstadt,
der Weg dahin im Zug vorbei an einem Gasometer (das gut und gerne das aus dem
letzten Film sein kann).
Gewendet
wird die vorgeführte Auflösung einer statischen gesellschaftlichen
Ordnung ins Private. Voneinander trennen müssen sich Vater Shukichi und
Tochter Noriko, die nach dem Tod der Mutter geradezu symbiotisch zusammenleben.
Die Geschichte ihres langsamen und schmerzhaften Abschieds erzählt "Banshun"
mit vielen kleinen Motivvariationen: da gibt es den Kollegen des Vaters, der
wieder geheiratet hat, schmutzig ist das, findet Noriko; oder ihre beste Freundin,
die sich hat scheiden lassen und nun einen denkbar nüchternen Blick auf
die Ehe hat. Es kommt zu Konfrontationen, zwischen Vater und Tochter und zwischen
ihr und der Freundin: Ozu montiert sie im schroff frontalen, halbnahen Schuss
und Gegenschuss. Ansonsten beobachtet er viel aus der charakteristischen Knapp-einen-Meter-über-
dem-Boden-Perspektive - hält das Geschehen auf Abstand zum einen, entwirft
zum anderen einen klaren, präzise (mit David Bordwell zu sprechen) in die
Tiefe inszenierten Raum. Über den wiederum er sich zugleich lustig machen
kann: bei einem Gespräch gerät die Orientierung des Gastes durcheinander:
in welche Richtung liegt das Meer, in welche Tokio? Hände weisen von hier
nach da, die Kamera sorgt im Achsensprung nicht gerade für Klarheit.
Die
Narration zerfällt in Szenen. Des Kontrasts: Teezeremonie und Elektrizität,
Land (später ein Ausflug nach Kioto) und Großstadt. Des Zusammenseins:
vor allem, immer wieder, von Vater und Tochter. Einmal auch ein Ausflug ans
Meer von Noriko und Hattori, die Kamera folgt den Rädern auf dem Fuß,
setzt die fahrenden Oberkörper bewegt ins Bild und findet auch hier - wie
in den Baumwipfeln immer wieder - zum Stilleben: Die Räder stehen auf einer
Böschung, Spuren im Sand. Völlig abwesend bleibt der Ehemann, wir
hören nur: er sieht aus wie Gary Cooper. Er hat Noriko gefallen, ihren
Vater verlassen möchte sie dennoch nicht. Der, erfahren wir, hat ohnehin
zur Lüge gegriffen und beabsichtigt keineswegs, selbst wieder zu heiraten.
Wenngleich Norikos geschiedene beste Freundin ihm verspricht, ihn oft zu besuchen.
Er kehrt zurück ins Haus, das nun seines ist. Er setzt sich hin und schält
einen Apfel, vielleicht die berühmteste Ozu-Einstellung. Danach: Das Meer.
Und Ende. (Übrigens nie die Schwarzblende, sondern die Wiederkehr der Anfangstextur
des Hintergrunds. Zum Verzicht aufs Abrupte gehört auch das.)
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in:
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diesem Film gibt es im filmzentralen-archiv
mehrere Kritiken
Später
Frühling
Late
Spring
BANSHUN
Japan
- 1949 - 105 min.
Verleih:
offen
Erstaufführung:
15.3.1972 ARD
Produktionsfirma:
Shochiku
Regie:Yasujirô
Ozu
Buch:
Kôgo Noda, Yasujirô Ozu
Kamera:
Yûshun Atsuta
Musik:
Senji Ito
Schnitt:
Yoshiyasu Hamamura
Darsteller:
Chishû
Ryû (Der Vater, Shukichi Somiya)
Setsuko
Hara (Die Tochter, Noriko)
Yumeji
Tsukioka (Aya Kitagawa)
Haruko
Sukimura (Die Tante, Masa Taguchi)
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