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Spider
Er ist ziemlich unselbständig, dieser Ralph Fiennes, den
wir schon aus dem Englischen Patient oder als dünnen, aber kugelbäuchigen, wahllos leutewegknallenden
Nazi von Schindlers Liste her kennen. Richtig reden tut er diesmal nicht was ihn endlich
doch symphatisch macht (wir wissen ja, wohin relativ wohlartikulierte Sprechakte
führen: in sowas wie unsere strukturstarke westliche oder globale Gegenwart):
richtig gegenwärtig ist er auch nicht, aber dafür voll vergangenheitsverhaftet.
(er ist so süß und sehenswert, wie der liebe Penner, den wir seit
Jahren in der City studiert haben, der, dem wir auch schon mal eine kleine Pulle
Billigkorn ausgegeben haben.)
Und seine Vergangenheit ist die eines jeden Jungen, der seine
Mama wirklich liebte, die des Einzigen und selbstlos Umarmten. Wir alle also
wir Jungs alle, haben danach gelernt, dass Mama auch Papa liebt, undzwar aber
auf eine etwas andere Weise als uns. Nämlich auf die Weise mit dem schlimmen,
bösen, unmütterlichen Lachen, das immer lauert, wenn körperliche
Lust sich auszudrücken in der Frau im Begriff ist. Damit klar kommt nur
ein Teil, Ödipus fand das z.B. so scheiße, dass er Vater killen und
Mama heiraten wollte.
Wenn das unser Fiennes andersrum macht, ist das nur ein gradueller
Unterschied, aber einer, den wir alle natürlich würdigen können.
Wir wissen ja um den Konflikt und haben uns alle drauf eingestellt: Lieber die
Frauen hassen und die Männerrolle annehmen, und danach so tun, als wäre
alles klar. Heiraten und auch nicht klar kommen. Nicht nur mit dieser, auch
nicht mit diversen anderen gesellschaftlichen Zuweisungen. Oder eben doch, so
es eben geht. Denn alternativ geht kaum mehr was, seit alle 68er bestenfalls
Träumer (Bertolucci) geworden sind.
David Cronenberg, das subversiv stark geschätzte und konservativ
kritisierte, aber schließlich endlich in den Olymp der Regie aufgenommene
Mitglied neuerer Filmgestaltung, präsentiert uns mit Spider einen Film,
der wenig mit seinem anarchischen und überbordenden Hauptwerk zu tun hat,
denn er schenkt uns nichts weiter als den ödipalen Traum seiner analen
Phase. Das macht er in meinen Augen besser als in so manchen früheren
Filmen weil er z.B. den plakativen Ekelfaktor so gut wie ausblendet. Er schafft
es besser, weil er erstmals in meinen Augen eine völlig hermetische
Welt aus einer einzigen Perspektive kreiert. Aber was er mir sagt ist verdammt
alt. Cronenberg goes Freud goes Ödipus, und ich habe NICHTS, aber auch
rein gar nichts dazu gelernt, weil das Thema entweder 100 oder über 2000
Jahre lang immer wieder diskutiert worden ist. Irgendwie finde ich es süß,
dass er das macht, aber irgendwie auch sehr ernüchternd. Dann doch mehr
von Cronenberg gesehen und gelernt habe ich in diesen, von mir nicht sehr geliebten,
aber nicht zuende diskutierbaren Zweifelsfällen: Crash, Videodrome, Existenz, Die Fliege, oder dieser Verfilmung
von Burroughs, auf deren Titel ich komischerweise meist nicht komme, aber manchmal:
Naked Lunch. Mein Problem bei Cronenberg immer, glaube ich: Zuerst war die
Theorie, dann kam der Film. Und der den Film machte, war nicht zu sehr begnadet
in seinem Metier, auch wenn seine Idee gut war. Auch Spider ist nicht wirklich
gut gefilmt, oder? Überzeugt euch lieber selbst, denn besser als äh
(beliebig einsetzbar: fast jede DVD-Neuerscheinung) ist Spider auf alle Fälle.
Andreas Thomas
zuerst erschienen bei: ww.ciao.de, dann bei www.filmzentrale.com
zu diesem Film gibt es im archiv der filmzentrale schon mehrere Kritiken
Spider
Frankreich
/ Kanda / Großbritannien 2002 - Regie: David Cronenberg - Darsteller:
Ralph Fiennes, Miranda Richardson, Gabriel Byrne, Lynn Redgrave, John Neville,
Bradley Hall, Gary Reineke, Philip Craig, Cliff Saunders - FSK: ab 12 - Länge:
98 min. - Start: 10.6.2004
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