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Standard
Operating Procedure
Investigativer
Journalismus at it’s best. And at it’s worst. Errol
Morris (“A Thin Blue Line”, 1988; “The
Fog of War”, 2003) benutzt
die berüchtigten Abu Ghraib-Fotos, um Lynndie England und den anderen Angehörigen
der US-Army, die sich beim Foltern und Demütigen der Gefangenen fotografieren
ließen, das letzte Wort zu gewähren. Ja, viele Fotos waren gestellt,
wird uns versichert. Aber die Stills geben
gleichwohl den Blick frei auf die Anordnungen und Vorschriften zur alltäglichen
Verhör- und Folterpraxis.
Das Portal öffnet sich für das,
was Standard ist. Der Film entlastet Lynndie England und die anderen. Sie berufen
sich darauf, Befehlsempfänger gewesen zu sein. Glaubhaft? Vor die Kamera
tritt Brenn Pack, der Sachverständige der Militärstaatsanwaltschaft.
Und jetzt das Ungeheuerliche. Er sortiert das Bildmaterial nach erlaubten Verhörmethoden
und nach kriminellen. Standard ist, jemanden mit einer Kapuze auf dem Kopf auf
eine kleine Box zu stellen und ihn mit ausgestreckten Arme bloße Drähte
halten zu lassen. Wann kommt der Stromstoß? - Das bekannte Foto: normal.
Doch jemanden nach dem CIA-Verhör als Leiche heimlich nachts aus der blutigen
Dusche wegzuschaffen: kriminell. Das Foto wird gezeigt, die Fotografin Sabrina
Harman sagt was dazu („Pulitzer-Preis-würdig“: Errol Morris). Der Kopf
des Ermordeten ist zu sehen, im Leichensack, ungestellt. Gestellt wird die Frage
nach den Verantwortlichen. Nach den Werten der amerikanischen Gesellschaft.
Was der Film an Statements zusammenbringt, ist empörend. Auf welche Art
und Weise er das tut, reicht zu einer zweiten Empörung.
Schnöde bedient sich das Filmdesign
der originalen Fotos. Der an tv
commercials geschulte
Produktionsdesigner Steve Hardie stellt seinerseits nach, was die Fotos zeigen.
Aber jetzt in brillanten Großaufnahmen. Was aus dem Duschkopf quillt,
sind kostbare Perlen, in slow
motion, wunderbar ausgeleuchtet.
Sie werben für welches Produkt? Für Juwelen? Für Villeroy &
Boch? Bad- und Wellness? – Der Schlüssel, der in übergroßer
Aufnahme ins Schloss gesteckt wird, wirbt er
für besten Schlüsseldienst? – Für mich waren die vielen schicken
Einsprengsel gefühlte Werbepausen. Sie missbrauchen die originalen Fotos,
die doch das Portal zu ganz Anderem öffnen: zum Horror des normalen Verwaltungshandeln
in Abu Ghraib und den anderen Anstalten. – Diese Werbeästhetik entlastet
und entwirklicht, und sie erhöht sicherlich die Akzeptanz des Produkts
Film. Auf Kosten dessen, was man sagen wollte. Wenn überhaupt.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text erscheint auch
in: Konkret 6/2008
Standard
Operating Procedure
USA
2008 - Regie: Errol Morris - Darsteller: (Mitwirkende) Joshua Feinman, Zhubin
Rahbar, Merry Grissom, Cyrus King, Sarah Denning - Start: 29.5.2008
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