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The
Statement
Traue
keinem über 80
Das
banale Böse: Norman Jewisons Nazi-Thriller „The Statement“
„Statement:
Dieser Mann ist Pierre Brossard, ein Nazi-Kollaborateur“. Das maschinengetippte
Blatt im Revers der Leiche lässt die Tat wie späte Rache aussehen.
Fast 50 Jahre zuvor war Pierre Brossard wegen Mordes an sieben Juden schon einmal
zum Tode verurteilt worden, offiziell vom französischen Staat. Doch damals
konnte er vor der Vollstreckung fliehen. Wer ihm half, blieb im Dunkeln. Später
wurde er begnadigt, hielt sich aber dennoch weiter in provenzalischen Klöstern
versteckt.
Wohl
zu Recht: Zu Beginn des Films, 1992, sind Brossard gleich mehrere Verfolger
auf der Spur. Neben den Killern auch die von Tilda Swinton mit kühler Leidenschaft
ausgestattete Pariser Richterin Livi. Sie ist überzeugt, dass neben der
Kirche auch höchste Staatsbeamte mit Brossard verstrickt sind. Auch Ronald
Harwoods Drehbuch – nach einem Roman von Brian Moore – hat keinen begründeten
Zweifel an dieser Deutung, kann ihr aber nicht viel hinzufügen.
Von
leerer Spannung und Überdetermination konditionierte Fernsehkrimischauer
mögen diese Gelassenheit erst mal goutieren. Wenn der Film aber bei seinem
Stationenweg von Kloster zu Kloster gar nicht vorankommt, wächst die Ungeduld
– und mit ihr das Gefühl, die realpolitischen Implikationen des Themas
hätten die Kraft der Ausführung gelähmt. Vielleicht war der bisher
mit Filmen von „Anatevka“ bis „Mondsüchtig“ erfolgreiche Regisseur Norman
Jewison vom historischen Gewicht seiner Geschichte überfordert. Der Film
jedenfalls scheint sich für die moralischen wie politischen Fragen nur
vordergründig zu interessieren: ein bisschen Politthriller, ein bisschen
katholisches Schulddrama, aufbereitet mit Action.
Als
politischer Film versagt „The Statement“, weil er keinerlei neue Tatsachen aufdeckt;
und weil er bei Motiven und Zusammenhängen schändlich schludert. Für
die Frage nach der Moral fehlt dem von Michael Caine mit ergreifender Hinfälligkeit
gespieltem Täteropfer jenes Quäntchen aufrichtiger Reue, die ihn überhaupt
erst zum Kandidaten für mögliche Vergebung machen könnte. Und
Brossards fromme Monologe sind im Ergebnis so banal, dass auch das Wissen um
das Böse dahinter sie leider nicht interessanter macht. So haben wir nur
manchmal etwas Mitleid mit dem gehetzten kranken Mann, der gegenüber seinen
kirchlichen Gönnern kleinmütig und leise auftritt.
Silvia
Hallensleben
Dieser
Text ist zuerst erschienen im Tagesspiegel
The
Statement
Kanada
/ Frankreich / Großbritannien 2003 - Regie: Norman Jewison - Darsteller:
Michael Caine, Tilda Swinton, Alan Bates, Jeremy Northam, Charlotte Rampling,
John Boswall, Matt Craven - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 -
Länge: 120 min. - Start: 23.6.2005
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