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Straight
Shooter
Irgendwann
in den 60er Jahren beschloß das westdeutsche Kino, sich von den Fesseln
der nationalen Begrenztheit zu befreien. Die große weite Welt sollte Einzug
halten in die vertraute Heimeligkeit und ein bißchen von ihrem Glamour
mitbringen – ein bißchen nur, denn so ganz wollte man auf den alten, aber
immerhin eigenen Muff nicht verzichten.
Die
große weite Welt war natürlich Hollywood. Was da glänzte, waren
die Stars, und eben die ( d.h. die erschwinglichen) wurden eingekauft. Den Anfang
machte Ex-Tarzan Lex Barker, der schon bevor er als Old Shatterhand unsterblich
wurde, als FBI-Agent Joe Como erfolgreich Im
Stahlnetz des Dr. Mabuse
(1961) und gegen Die
unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse
(1962) kämpfte. Der alternde Mantel&Degen-Held Stewart Granger wurde
unser Old
Surehand
und durfte außerdem die Edgar-Wallace-Serie sowie Krimis mit so großartigen
Titeln wie Wie
tötet man eine Dame? (1966)
namentlich aufwerten. Während Mitte der 60er Jahre Hollywood-Haudegen Rod
Cameron als Old Firehand kläglich scheiterte, eilte George Nader in den
„Jerry Cotton"- Serials von Erfolg zu Erfolg.
Mehr
als dreißig Jahre sind seitdem vergangen, doch dank Thomas Bohns Regiedebüt
Straight
Shooter
wird die Uhr noch einmal zurückgedreht. Oder hat sich seit damals gar nicht
soviel getan? German Classics auf ewig? Diesmal jedenfalls heißt der Import-Star
Dennis Hopper, der aber in Deutschland schon öfter gedreht hat, bei Klick
und Wenders.
Als
Amerikaner und Ex-Söldner Frank Hector hat er den heiklen Auftrag, seinen
ehemaligen Untergebenen in der Fremdenlegion, Volker Bretz (Heino Ferch) alias
„Straight Shooter" zu erwischen. Der nämlich bedroht ganz Deutschland,
weil er durch perfekte Morde die Stillegung eines Atomkraftwerks erpressen will,
das den Tod seiner Tochter mitbewirkt hat. Beide, Hector und sein ehemaliger
Scharfschütze („Er war zu kampfgeil"), haben natürlich traumatische
Kriegserfahrungen hinter sich, die uns Straight
Shooter
bei jeder Gelegenheit um die Ohren haut. Außerdem darf sich Katja Flint
als Oberstaatsanwältin in den etliche Jahrzehnte älteren Dennis Hopper
vergucken, damit sie zum Medium der Schmerzen eines echten Kerls werden kann:
„Ihr habt doch keine Ahnung, was Krieg ist, ihr Clowns. No
fucking idea!"
So
wie seinerzeit die Stars Granger und Barker ihre Krimis tragen sollten, wird
Hopper die ganze Last des Films aufgebürdet. Starker Auftritt, kleine Affäre,
große Gesten – und auch ansonsten geht Straight
Shooter
auf seine Art jenen Weg, den Filme wie Mister
Dynamit – Morgen küsst euch der Tod (1966)
vorgezeichnet haben. Allein Titel und Beschaffenheit der nicht einmal heimlichen
Vorbilder haben sich seitdem geändert, das unfreiwillig Komische der filmischen
Annäherungsversuche bleibt. Weil die Kamera weiß, wie ein US-Erfolg
der 90er Jahre aussieht, hängt sie manchmal unter der Decke, schießt
auch mal aus der Kniehöhe, freut sich über gelungene Actionszenen,
integriert Assoziationsfetzen à la „Millenium" und kopiert in der
Titelsequenz die extremen Close-Ups und Fahrten aus Blue
Steel.
Die Musik, wesentlich einfallsloser als in den 60er Jahren, erhebt jedes Stirnrunzeln
Hoppers zum Drama, und mit der obligaten Zeitlupe (wenn es um Erinnerungen geht,
natürlich in Schwarzweiß) wird schon gar nicht gespart.
Alle
logischen Fehler der Geschichte, die inspirationslose Dramaturgie und der Versuch,
aus Heino Ferch jetzt doch endlich einen verzweifelteren (also deutschen?) Bruce
Willis zu machen, werden jedoch durch die Dialoge in den Schatten gestellt.
„Amerika? Da sind Sie nicht mehr gefragt, Honey. Sie fliegen nach Deutschland",
eröffnet zu Beginn ein waschechter CIA-Agent mit Kaugummi-Akzent dem verblüfften
Hector. Während einer Lagebesprechung auf allerhöchster Ebene müssen
Katja Flint, ein Kriminalrat (Jürgen Schornagel), ein Staatssekretär
(Ulrich Mühe) und eine Innenministerin (Hannelore Hoger) den lächerlichen
Namen „Straight Shooter" so oft wiederholen, bis auch der letzte Tiefschläfer
weiß, in welchem Film er eigentlich sitzt. Endgültig alle Fragen
aber beseitigt erst ein Gespräch zwischen Dennis Hopper und Katja Flint,
dessen Echo-Charakter an Herbert Reinecker heranreicht: „Wissen Sie", beginnt
Dennis Hopper, „woher der Name 'Straight Shooter' kommt?" – „Das wollte
ich Sie gerade fragen." – „Das ist ein Kampfname. Jeder, der im Krieg war,
bekam einen Kampfnamen. Und so einer war Straight Shooter. Er hat ihn gehaßt!"–
„Wen?" – „Seinen Kampfnamen."
Natürlich
ist es verführerisch, den Charme des Vergangenen gegen den neuen Versuch
auszuspielen. Schon allein, weil eine ganze Fernsehgeneration (und ich mit ihr)
mit Lex Barker, George Nader und Stewart Granger aufgewachsen ist, haben Joe
Como, Jerry Cotton und die anderen gegen Frank Hector vergleichsweise leichtes
Spiel. Das macht den Trash der 60er Jahre nicht besser, gibt aber auch nicht
gerade Anlaß zu großen Hoffnungen auf ein neues hiesiges Thriller-Kino.
Noch einmal ein Dialog aus Straight Shooter: „Was hat das zu bedeuten?"–
„Nichts Gutes!"
Jan
Distelmeyer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Straight
Shooter
BRD
1998. R und B: Thomas Bohn. P: Joseph Vilsmaier, Hanno Huth. K: Peter von Haller.
Sch: Norbert Herzner. M: Ulrich Reuter. T: Wolfgang Wirtz. A: Matthias Kammermeier.
Ko:
Hella Toersiep. Pg: Perathon/Senator. V: Senator/Central. L: 90 Min. St: 15.4.1999.
D: Dennis Hopper (Frank Hector), Heino Ferch (Volker Bretz/ Straight Shooter),
Katja Flint (Regina Toelle), Jürgen Schornagel (Andreas Berndt), Hannelore
Hoger (Lena Hoeldobler), Ulrich Mühe (Markus Paufler), Bernhard Bettermann
(Ingolf Pasternak), Nicole Léon (Sanna), Stefan Hunsten (Tom-Tom).
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