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Strajk - Die Heldin von Danzig
Filmautorin Silke Rene Meyer hat
herausgefunden, wer es gewesen war, der, als der Streik der Werftarbeiter auf
der Kippe stand, zum Kampf motivierte – und zur Gründung der Gewerkschaft
Solidarnosz. Lech Walesa? Nein, eine Frau war es gewesen, vor kurzem noch unbekannt:
„Wer ist Anna Walentynowicz?“ (Dokumentarfilm von 2000). Jetzt, im Spielfilm
von Volker Schlöndorff, heißt sie Agnieszka, und Katharina Thalbach
leiht ihr ihr Gesicht, repräsentativ. Das Drehbuch wurde „in permanenter
Rückkopplung“ mit Polen entwickelt (Produzent Professor Haase). Dreißig
Jahre lang ist die Nahtschweißerin Heldin. 1970 Heldin der Arbeit. 1980
Heldin des Streiks in Danzig. Im Jahr 2000 geht sie heldenhaft am Stock. In
Polen gibt es freie Wahlen, „doch Ungerechtigkeit gibt es noch immer“. Lech
Walesa spielt eine Rolle am Rande. Er reagiert auf schmutzige Politik. Unsere
Heldin aber agiert. Sie hat das Herz auf dem rechten Fleck. Sie ist resolut
und gläubig.
Vor dem Monitor kniet sie und
bekreuzigt sich. Karol Wojtyla, der neue Papst ist in Polen! Die Polen sind
Papst! Paul Johannes II. betet im staatlichen Fernsehen: “Komm über uns,
Hl. Geist, und wende das Antlitz dieser Erde zu.“ Erfüllt mit geistlicher
Nahrung eilt die Heldin zur Werft und motiviert die zögerlichen Arbeiter:
„Der Papst hat gesagt, wir brauchen die Solidarität der Menschenherzen“.
Letztlich also war es der polnische Papst, der Solidarnosz gegründet hat.
Wir wissen es jetzt, dank Schlöndorffs rückgekoppeltem Film, und wir
können die Heldin, die hl. Agnieszka, verehren.
Solidarnosz wie es wirklich war.
Um aufkeimende Zweifel zu beseitigen, legitimiert der Film seine Fiktionen durch
zahlreiche dokumentarische Sechs-Sekunden-Einschnitte. Wir sehen sogar Brandt
im Warschauer Getto knien, und bitteschön, das weiß jeder, dass er
das tat. Allerdings fehlt eine solche Beglaubigung für die Wunder, die
der Heiligen von Danzig widerfahren sind. Wir beten in der Bibel zur Gottesmutter:
gebenedeit sei die Frucht deines Leibes. - „Du bist die Frucht dieser Liebe“,
klärt Mutter Agnieszka ihren ungläubigen Sohn auf, und da es wir auch
nicht vorher wussten, wissen wir es jetzt: Vater des Kindes ist nicht etwa Joseph,
sondern Lech Walesa! Das ist eines frommen Spielfilm-Traktates würdig.
Doch es kommt noch wunderlicher. „Ich hab Krebs“, seufzt sie, völlig am
Boden. Dann die Nachuntersuchung. Die Ärzte, am Boden zerstört, sind
fassungslos. Der Krebs ist weg, einfach weg, und dafür gibt es weder eine
medizinische noch sonstwie eine naturwissenschaftliche Erklärung. „Freuen
Sie sich“, fällt dem Chefarzt noch ein, säuerlich lächelnd. Sie,
die auf der Stelle genas, stand auf und wandelte zum Vater ihrer Leibesfrucht,
„einer Persönlichkeit ähnlich der des Papstes“ (Walesa-Darsteller
Andrzej Chyra). Und wieder orgelt es hoch, das erbauliche Großorchester
des Jean Michel Jarre. Er hatte schon 1986 dem Papst persönlich vorgespielt.
Und wenn zum Schluss des Films dokumentarisch die Mauer fällt, dann wissen
wir auch dies: diese unsere deutsche Einheit haben wir dem hl. Geist, der hl.
Agnieszka sowie den Päpsten Paul Johannes II. und Lech Walesa zu danken.
Amen.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: Konkret
Strajk - Die Heldin von Danzig
Deutschland / Polen 2006 - Regie: Volker Schlöndorff - Darsteller: Katharina Thalbach, Andrzej Chyra, Dominique Horwitz, Andrzej Grabowski, Krzysztof Kiersznowski, Dariusz Kowalski - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 104 min. - Start: 8.3.2007
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