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Street
Kings
Kein Zweifel, David Ayer hat sein Thema gefunden.
Ob als Drehbuchautor oder als Regisseur: Seine Geschichten kreisen mit Vorliebe
um die Arbeit der Polizei in Los Angeles (LAPD). Gesetzeshüter und -beuger
zwischen Charisma und Korruption stehen im Mittelpunkt seiner Drehbücher
für „Training Day" (2001) und „Dark Blue" (2002), während
der psychotische Ex-Soldat in Ayers Regie-Erstling „Harsh Times" (2006)
vergeblich von einem Job beim Police Department träumte und mit seinen
Halbweltkontakten sozusagen vorauseilend korrupt handelte.
Interessant sind diese Filme (auch) als Varianten
des „Buddy Movie": Das Männerduo rekrutiert sich regelmäßig
aus einem jungen Idealisten und einem reiferen Kollegen, der allzu tief in den
Asphaltdschungel eingedrungen ist. Nur: sind die bösen Älteren wirklich
so schlimm? Braucht der Großstadtsumpf nicht einen Antihelden, der im
Zuge der Trockenlegung mit dem Teufel paktiert? Berechtigt sind solche Fragen
vor allem bei „Dark Blue" und bei Ayers zweiter Regiearbeit „Street Kings".
Die Vorlagen stammen vom Neo-Noir-Autor James Ellroy („The
Black Dahlia", „L.A. Confidential"), der bereits in einem Atemzug mit Raymond
Chandler genannt wird und im Fall von „Street Kings" auch am Drehbuch mitschrieb.
Der Vergleich mit Chandler hat, auf das Filmgeschäft bezogen, einen kleinen
Haken: Der legendäre Krimiautor galt nicht unbedingt als begnadeter Drehbuchautor,
Alfred Hitchcock konnte anlässlich der Konzeption von „Strangers on a Train"
(nach Patricia Highsmith, 1951) ein Lied davon singen. Dass im Nachspann von
„Street Kings" neben Ellroy noch zwei andere Autoren genannt werden, weckt
Skepsis: Es werden doch keine Scriptdoktoren gewesen sein?
Wenn Tom Ludlow aufsteht, geht meistens die Sonne
unter. Der gewaltsame Tod seiner Frau frisst noch mehr am Polizisten als die
langen Dienstjahre in L.A. Ludlows eigenmächtige wie blutige Aufräumarbeiten
werden von seinem Vorgesetzten Captain Wander gedeckt. Als Gegenspieler der
„unkonventionellen" Fraktion treten der interne Ermittler Biggs und der
schwarze Detective Washington auf. Als dieser von Unbekannten regelrecht hingerichtet
wird, gerät auch Ludlow unter Verdacht. Er beginnt auf eigene Faust zu
ermitteln und kommt bald auf die Spur von Filz und ungeahnter Hybris in den
eigenen Reihen. Hilfreich zur Seite steht ihm ein junger Kollege, der hier,
wenn auch mit weniger Gewicht als in den Vorgängerfilmen, in die obligatorische
Rolle des moralisch überkorrekten Nachwuchspolizisten zu schlüpfen
hat.
Am Ende ermüdender Autoverfolgungen und genreüblicher
Ballerorgien reißt Ludlow dem Oberschurken die Maske der Wohlanständigkeit
herunter und fördert ein millionenschweres Versteck von Schmiergeldern
hinter einer Wohnzimmertapete zutage, auf der zuvor - Achtung Zeitkritik! -
die amerikanische Flagge en miniature eingerahmt war. Angesichts einer solchen Kulisse
darf man wohl von einem „Potemkinschen Dorf" sprechen, womit zugleich der
Hauptzug des Films getroffen wäre, der die wirklichen Verhältnisse
im Polizeiapparat wohl doch eher pseudo-aufklärerisch zu verstellen sucht.
Ellroys Kurzgeschichte, auf der „Street Kings"
basiert, spielte sich übrigens vor dem Hintergrund des Rodney-King-Skandals
und der resultierenden Rassenunruhen von 1991 ab. Der Film verlegt die Handlung
ins heutige Los Angeles. Wie praktisch - scheinen sich doch rassistische Tendenzen
innerhalb der LAPD weitgehend entschärft zu haben. Oder soll uns das bloß
eingeredet werden? Die Unterstützung der Dreharbeiten durch die Polizei
von Los Angeles fiel jedenfalls großzügig aus, wie aus dem Presseheft
zu erfahren ist.
Wenigstens Spaß macht der zusammengeschusterte
Bausatz an Film-Noir-Zitaten, Ungereimtheiten und hanebüchenen Übertreibungen
trotzdem keine Sekunde. Die Kleinteiligkeit der Geschichte wirkt sich entschleunigend,
ja lähmend auf den Erzählfluss aus. Als zusätzlicher Hemmschuh
erweist sich Keanu Reeves, dem man den zwiespältigen Helden, Choleriker
und Wodka-Kampftrinker Ludlow einfach nicht abkauft. Von treffenderem Kaliber
sind ein treuäugiger Forest Whitaker und ein ebenso verdächtig pedantischer
Hugh Laurie als Rivalen der Chefetage. Und welcher von beiden ist der Schuft?
Unterm Strich ist der Thriller ein nur in Ansätzen ambitioniertes Whodunit,
an dessen Ausgang Gut und Böse doch wieder hübsch getrennte Wege gehen.
Am Schluss ist jeder Hauch von Chandler-Romanen und moralischer Ambiguität
verflogen - und David Ayers Ruf als kommender Regisseur von Polizeifilmen gehörig
verbeult.
Jens Hinrichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Street
Kings
USA 2008 - Regie: David Ayer - Darsteller: Keanu Reeves, Chris Evans, Hugh Laurie, Forest Whitaker, Naomie Harris, Jay Mohr, Terry Crews, Common, Kenneth Choi, Cle Shaheed Sloan, Dennis Nusbaum, Angela Sun, Amaury Nolasco - Länge: 115 min. - Start: 17.4.2008
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