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Superman
Returns
Die letzte Versuchung
Clark Kents
Nietzsche hat das schon richtig
erkannt: „Gott starb: Nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“ Tatsächlich
gibt es einige Anknüpfungspunkte zwischen dem Herrgott Junior und dem Mann
aus Stahl, beide sind schließlich „eingeborene Söhne“: Einzelkinder
übermächtiger Vaterfiguren, die zur Erde geschickt wurden, das Potential
der Menschen auszuloten. Von beiden erwarten wir menschliche Regungen, obwohl
sie doch naturgemäß außermenschlich sind.
Bryan Singer spielt mit diesen
Gedanken in seinem großen, erschöpfenden neuen „Superman“-Film, und
vor allem visuell bringt er solche Assoziationen auch auf die Leinwand: eine
Fülle christlicher Ikonographie findet sich in „Superman Returns“ wieder.
Tatsächlich stellt der bildbewusste Perfektionist so viele christliche
Motive nach, dass sie zusammen mit den unzähligen visuellen Anspielungen
auf piktorale Kunst aller Epochen (von antiker Bildhauerkunst über die
Nibelungensage bis zu den ersten „Superman“-Comics aus den 30ern) ein zweieinhalbstündiges
Ostereiersuchen für Kunstgeschichtler bilden. Dass dabei Zitate aus verschiedenen
Genres, gar aus verschiedenen Medien sowohl aus der Hoch- als auch aus der Mainstreamkultur
vermischt werden, zeigt wieder einmal, dass die Streber endgültig Hollywood
erobert haben.
Der Beginn des Films will den
Zuschauer überrollen, ihn in eine neue Haltung und idealerweise auch in
eine andere (vergangene) Ära der Filmrezeption zwingen – und hat damit
überraschenderweise auch Erfolg. Triumphierend donnert die legendäre
Eröffnungsmusik von John Williams durchs Multiplex, galoppiert über
jede postmoderne Ironie hinweg, reißt den Zuschauer in eine Welt der gigantischen
Landschaftssets und der goldbraunen Sepianostalgie hinein. Was nicht heißen
soll, dass es hier humorlos zugeht, ganz im Gegenteil ist Clark Kent für
einen Comiccharakter dem Slapstick ja traditionell überraschend zugetan,
und dieser Film hält ihn keineswegs zurück. Nein, die Neuentdeckung
der Grandeur ist nur ein Zeichen davon, dass es Bryan Singer nicht genug ist,
uns glauben zu machen, dass ein Mensch fliegen kann – wir sollen auch glauben,
dass Metropolis, wenn schon kein realer, so doch ein kompletter Ort ist, ausgestaltet
mit der bei Singer üblichen Detailbesessenheit.
Was den New Yorker Regisseur wohltuend
von Kollegen wie Brett Ratner abhebt, mit dem er ja den Regiestuhl für
diesen Film gegen den von „X-Men: The Last Stand“ getauscht hatte, ist seine charmante Angewohnheit, den gerade
etablierten Inszenierungsprunk in den dramatischen Momenten nicht rauf-, sondern
runterzudrehen. So findet er Momente des emotionalen Realismus, wo man sie am
wenigsten erwarten würde. Und wo bei der übersteuerten Klimax von
„X-Men 3“ noch alle am Film beteiligten Submedien ohren- und augenbetäubend
von der Leinwand herabkreischten, kann man in den entscheidenden Momenten von
„Superman Returns“ eine Nadel fallen hören. Die totale inszenatorische
Ruhe in solchen Augenblicken fühlt sich an wie ein Zen-Zustand, zugleich
erhebend und fundiert. Singers helfende Hand in solchen Momenten ist wieder
einmal Editor und Komponist John Ottman, der diese so naheliegende und doch
in der Filmindustrie viel zu seltene Doppelfunktion erneut dazu nutzt, um Rhythmus
und Stimmung des Films nachhaltig miteinander zu verknoten.
Neben Singer haben aber vor allem
die Schauspieler maßgeblichen Anteil daran, dass dies einer der beeindruckendsten,
weil praktisch fehlerlosen Blockbuster der letzten Jahre ist. Zwar reicht Kate
Bosworths süßliche Louis Lane nicht ansatzweise an den ruppigen,
rauchigen Charme einer Margot Kidder heran, dafür schlägt sich der
Newcomer Brendan Routh überraschend gut – vor allem in seinen komödiantischen
Momenten zeigt er eine so perfekte Imitation von Christopher Reeves, dass es
geradezu gespenstisch erscheint.
Die eigentlichen Triumphe aber
werden in den Nebenrollen gefeiert. Kevin Spacey chargiert virtuos durch alle
Facetten des Böseseins, vom genüsslichen Auskosten kleiner Ordnungswidrigkeiten
über die megalomanischen Weltherrschaftsfantasien bis hin zur einer erschreckend brutalen Dobermann-Mentalität, wenn er sich in einer Schlägerei
auch mal selbst die Hände schmutzig machen will. Dass man ihm zur Seite
die herrliche Parker Posey gestellt hat, die von einer schamlosen Teenie-Zicke
zur noch schamloseren Erwachsenenzicke herangereift ist, war einer der begnadetsten
Casting-Streiche dieses Jahres. Und Sam Huntington gelingt Unglaubliches, wenn
er aus dem berüchtigten Kindsgesicht und Naivling Jimmy Olsen einen klugscheißenden,
smarten Jungreporter macht, der viel mehr kapiert, als man ihm ansieht. Ein
bisschen wie der ganze Film: ein wenig zu smart und hübsch und hinfrisiert,
und doch gibt es viel mehr zu entdecken, als man erwartet hätte.
Daniel Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen
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diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Superman
Returns
USA
2006 - Regie: Bryan Singer - Darsteller: Brandon Routh, Kate Bosworth, Kevin
Spacey, James Marsden, Frank Langella, Sam Huntington, Eva Marie Saint, Parker
Posey - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 12 - Länge: 165 min.
- Start: 17.8.2006
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