zur
startseite
zum
archiv
Swimming
Pool
Wasser
füllt die ganze Leinwand, hellblau, Swimming-Pool-blau. Es dauert eine
Weile in den Film hinein bis Sarah Morton (Charlotte Rampling) in den Pool eintaucht,
und ihr Körper unter der Wasseroberfläche entlang gleitet, leicht
verzerrt durch die Brechung des Lichtes. Es dauert eine Weile, da sie sich erst
gewöhnen muss an das Haus mit Pool, in das sie ihr Verleger geschickt hat,
damit sie dort Ruhe findet und einen weiteren Roman ihrer Krimiserie schreibt.
Francois Ozon erzählt in Swimming
Pool
von der Entstehung jenes Buches, vom kreativen Prozess, von der Verarbeitung
von Inspirationen, er erzählt vom Schaffen eines Textes und kreiert dabei
selbst eine kunstvoll verwobene Geschichte.
So
wie die Oberfläche des Wassers die Körper, die es birgt, verzerrt,
so verzerrt auch Ozons Leinwand die Figuren, die jener uns zeigt: Immer neue
Charakterzüge kommen zum Vorschein, immer andere Geheimnisse werden enthüllt,
in jeder Szene droht die Handlung wie die Bilder unter Wasser in leichten Sprüngen
zu wechseln und sich zu verändern. Kaum etwas bleibt, wie es zunächst
scheint, alles fließt und wandelt sich im Lauf der Erzählung. Nur
kurze Zeit verbringt Sarah tatsächlich allein in dem französischen
Landhaus, nach wenigen Tagen schon taucht unerwartet ein weiterer Bewohner auf:
Julie (Ludivine Sagnier), die Tochter von Sarahs Verleger. Mit Ludivine Sagnier
findet Ozons Kamera (Yorick le Saux) einen zweiten Fixpunkt: Die Spannungen
des Filmes, die langsam zu immer größeren Brüchen im Text führen,
entstehen nicht zuletzt aus der Oszillation zwischen den beiden weiblichen Körpern.
Was in Ozons großartiger Fassbinder-Adaption Tropfen
auf heiße Steine
noch die aufgeregt voyeuristische Beobachtung der nackten Ludivine Sagnier war,
wird in Swimming
Pool
zur regelrechten Besessenheit. Die Kamera erforscht Sagniers Körper Zentimeter
für Zentimeter und ihre Sexualität wird zur die Handlung vorantreibenden
Kraft: Nachdem Julie Nacht für Nacht andere Männer, deutlich älter
als sie selbst, mit ins Haus bringt, wachsen die Differenzen zwischen der nach
Leben hungernden Julie und der Ruhe und Inspiration ersehnenden Sarah. Die Lust
am Blick war schon für Laura Mulvey die dominante Kraft hinter dem Mechanismus
der Bilder, jegliche Narration folgte in Mulveys früher feministischer
Filmtheorie vor allem einem: dem "Maßstab des Verlangens", der
Lust am Blick. Ozons Film jedoch zeigt mehr als ein bloßes Spektakel von
Leibern, er verfolgt mehr als den skopophilischen Instinkt des patriarchalen
Kinos. Der Blick, der bei Mulvey das Kino definiert, wird bei Ozon weiter gegeben
vom Zuschauer an die Protagonisten, deren Blicke ein kompliziertes Gewebe schaffen,
in dem schon sehr bald nicht mehr klar ist, wer Voyeur ist und wer das Objekt
des Blickes. Die Blicke werden gebrochen im Wasser, reflektiert in den Spiegeln
der Mise-en-Scene und gelenkt in den Fassbinder'schen Rahmungen des Bildfeldes.
Geblickt wird von Innen nach Außen und umgekehrt, vom Haus in den Spiegel
in den Garten in den Pool.
Die
Beziehung zwischen den beiden Frauen, der Konflikt, die Gratwanderung zwischen
Abneigung und beginnender Faszination dominiert einen großen Teil des
Films. Ozon beherrscht sein Fach, und mit jedem weiteren seiner Filme legt er
einen neuen Beweis hierfür vor. Vor dem in Sirk'scher Ästhetik gehaltenen
Krimi-Musical Huit
Femmes
analysierte er in Sous
le Sable
subtil und einfühlsam die Auswirkungen eines traumatischen Verlustes. Swimming
Pool
ist anders - verspielter, leichter. Auch Sous
le Sable
zog einen großen Teil seiner Kraft aus dem Bild des Wassers, meist aber
war es die Weite und Verlorenheit des Meeres, die mit der Einsamkeit der Hauptfigur
- auch damals gespielt von Rampling - korrespondierte. Es gibt allerdings auch
inmitten von Sous
le Sable
eine kurze Sequenz, in der Rampling eintaucht in das Wasser eines Pools. Sie
schwimmt unter der Oberfläche aus dem Bild und zurück bleiben nur
einige verirrte Bruchstücke ihres Körperbildes. Wie ein Vorgriff auf
Swimming
Pool
wirkt jene Szene retrospektiv - ein Vorgriff darauf, was geschieht, wenn die
bedrohliche Weite des Meeres ersetzt wird durch die Privatheit eines Pools,
und wenn damit auch der Regisseur übergeht von der Erzählung eines
ein Leben verändernden Ereignisses in Sous
le Sable
hin zu einem nun beinahe kammerspielartigen Porträt der Beziehung zweier
Menschen. Swimming
Pool
pulsiert förmlich von der Energie, die diese beiden Figuren der Erzählung
durch ihr Spiel freisetzen und die das Drehbuch in jeder weiteren seiner Kehrtwendungen
schafft.
Ozon
schöpft aus einem schier unerschöpflichen Vorrat an filmgeschichtlichen
Verweisen: es sind nicht nur die Rahmungen des Bildfeldes Fassbinders, die Ozon
evoziert, es ist auch Hitchcocks Suspense und die zwiespältige Faszination
füreinander der beiden Frauen in Bergmans Persona.
Ozon kann es sich leisten, all die Meister herbeizuzitieren, denn seine eigene
Handschrift muss sich nicht hinter der seiner Vorgänger verstecken - Ozon
ist einer der aufregendsten zeitgenössischen Filmemacher und sein Swimming
Pool
ein hervorragendes Stück Kino.
Benjamin
Happel
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Swimming
Pool
Swimming
Pool
Francois
Ozon
Frankreich,
2003
Kinostart:
14. August 2003
zur
startseite
zum
archiv