Total
Recall - Die totale Erinnerung
Wo
bin ich hier?
Mars
macht munter
Big
Arnie hat eine Überraschung für uns: er ist gar nicht Sly Stallone.
Sondern eine schlagende Symbolfigur für so künstliche Genre-Mytologeme
wie die unaufhaltsame Kampfmaschine des Action-Kinos oder den perfekten, leeren
Körper auf Seelen-Suche der Science-Fiction. Und während sich Stallone
zum Prügeln immer wieder dumpfe Groß-Motivationen wie Patriotismus
und Männerfreundschaft zurechtlegt (was seine Filme seit Rocky
II
endgültig um Sinn und Verstand bringt), ist Schwarzenegger erstmal grund-
und geschichtslos einfach präsent. Um sich im nächsten Augenblick
über die Plattheit des Charakters lustig zu machen, die ihm erst den intelligenten
Körpereinsatz erlaubt.
Beim
Dreh von Total
Recall
haben sich Paul Robocop
Verhoeven und Arnold Schwarzenegger genau in diesem Sinne die Szenen und die
Arbeit geteilt; wenn der Kämpfer die Klischees ausagiert, läßt
ihn die Regie ohne große Eingriffe machen, wenn es einem allzu vorhersehbaren
Verlauf oder Verständnis an den Kragen geht, springt die Kamera heran,
wird mitten aus dem Vollzug herausgeschnitten (was die BRD-FSK noch zusätzlich
herausschneiden wird steht noch dahin), oder so stark stilisiert, daß
man meint, das wissende Lächeln um Arnolds Lippen spielen zu sehen. Ein
Schelm der Schlechtes dabei denkt.
Und
worum geht es: Ein friedlicher Arbeiter träumt von großen Abenteuern
auf dem Mars oder wenigstens einer Urlaubsreise dahin. Weil das aber zu teuer
ist, kauft er eine künstliche Erinnerung an einen Mars-Aufenthalt von der
Stange. Beim Anprobieren platzt eine Gedächtnis-Naht, er ist tatsächlich
schon mal auf dem Mars gewesen, und was er bisher für sein Leben hielt,
ist eine künstliche Erinnerung aus dem Geheimdienst-Arsenal. Dann taucht
ein Kassiber aus seinem immer noch zum größten Teil vergessenen Leben
auf - und per Video informiert er sich selbst: Ich habe eine Überraschung
für dich, du bist nicht du, du bist ich.
An
dieser Stelle entfernt sich der Film von der zugrundeliegenden Story Philip
Dicks, einerseits um seinem Star wuchtigere Auftritte zu verschaffen, andererseits
um die Was-ist-wirklich-Frage der Vorlage mit filmischen Mitteln neu zu stellen.
Nicht sehr subtil aber lakonisch treffend. Mit einem Image-Projektor etwa kann
Arnold im Kampfeinsatz ein Spiegelbild seiner selbst zur Gegnerverwirrung erschaffen,
und im wild wogenden Getümmel verlieren die Bösen und die Zuschauer
den Unterschied von Original und Abbild aus den Augen. Bis ein starr blickender
Held die Frage in den Raum stellt: "Do you think I am real?" - Und
die verblüfften Verfolger lachend über den Haufen schießt: "I
am".
Dabei
weiß er gar nicht was er redet. Im Verlauf des Mars-Abenteuers, das immer
mehr dem anfangs eigentlich gebuchten Traum zu ähneln beginnt, stößt
der Geheimagent ohne Gedächtnis auf immer mehr Züge seines (gelöschten
oder implantierten?) Ex-Selbst, die ihm gar nicht gefallen. Vielleicht wäre
es besser, die vergangene Wahrheit nicht zu wissen? Und eine neue zu schaffen?
"A man is defined by his actions, not his memories" sagt ein weiser
Mutant im letzten Drittel, und von ähnlicher Wucht sind die übrigen
Ideen. Was natürlich keine realistische Psychologie ist, aber doch weit
mehr Substanz hat, als beispielsweise das Star-Wars-Gerede
von der "Macht". Philip Dick ist das auch nicht mehr, und doch kommt
von seiner Grund-Idee in Total
Recall
noch mehr vor, als etwa von der sehr ähnlichen des Blade
Runners
(ist der Replikanten-Jäger selber einer?) in Ridley Scotts Film.
Am
Ende, nach mehreren Freund-Feind-Wechseln, einer etwas überkompliziert
in Schlußreden erklärten Groß-Intrige und einem langen heldenhaften
Showdown mit den Gespenstern aus Arnolds Vergangenheit (bzw. aus der Vergangenheit
seiner Filmfigur, aber die ähneln einander) geht alles aus wie im Traum.
Aber hat der Held ihn nun wahr gemacht, oder ist er endgültig gefangen
in den vereinfachenden Mustern vom erfüllten Männer-Leben, ein ewiger
Idiot der Simulation? Verhoeven läßt die Antwort offen. Und man weiß
nicht einmal, ob ein technischer Fehler oder künstlerische Absicht die
riesige finale Blue Screen so vorgetäuscht aussehen läßt, daß
wir uns gar nicht wundern würden, wenn wir statt aus dem Kino zu gehen
aus Arnolds Traum erwachten.
Wolfgang
Ueding
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: