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Triumph
des Willens
„DIE
EINWÄNDE SIND DUMM, NAIV UND UNLOGISCH, DIE BEHAUPTEN, ALLE KUNST SEI TENDENZLOS.“
J.
GOEBBELS
Leni
Riefenstahl und der Film „Triumph des Willens“
Vor
einiger Zeit wurde Riefenstahls Parteitagsfilm im deutschen historischen Museum
in Berlin gezeigt, natürlich im Rahmen eines politisch korrekten Seminars,
mit namentlicher Anmeldung. Zu kaufen gibt es das Werk in Deutschland nicht,
im Gegensatz zu den Olympiafilmen von Riefenstahl. Nach Sichtung des Films muss
ich mich fragen: was befürchtet man in diesem Fall? Denn das zweifellos
faschistoide Machwerk hat einerseits einen Ruf von ästhetischer Makellosigkeit
und Avantgarde und andererseits von politisch-manipulativer Verführungskunst
und Suggestion. Doch: Beide Aussagen halten einer eingehenden Analyse tatsächlich
nicht mehr stand. Woher rührt also der Ruf des Films? Zum einen darauf,
dass Frau Riefenstahl mit ihrer persönlichen Mythenbildung dazu beigetragen
hat, die wahre Qualität ihres Werks zu verschleiern. Das ist ihr durchaus
gelungen. Man kann sagen, dass ihre Lebenslüge, die explizite Leugnung
ihrer künstlerischen und moralischen Verantwortung für ihr filmisches
Werk, dieses mythologisch überbewertet und überfrachtet hat. In der
Auseinandersetzung mit Frau Riefenstahl hat man in Deutschland vergessen, sich
analytisch ihrem Ouevre zu nähern – den Film tatsächlich zu sichten
und ihn kritisch, mit den Mitteln der filmwissenschaftlichen Analyse, zu bewerten.
In diesem Zusammenhang bleibt zu erwähnen, dass die DVD des Films über
amazon.uk zu erwerben ist.
Richard
Barsam schrieb bereits 1975, dass es nur dreierlei Art von kritischer Ansicht
über den notorischen „Triumph des Willens“ gibt: 1. Der Film ist schlecht.
2. Der Film ist gut. 3. Der Film ist gut trotz seiner Botschaft. Die meisten
der Analysen erwecken bei mir jedoch den Eindruck, dass kaum jemand den Film
tatsächlich gesehen hat. Die Bilder, die den Film vor dem kollektiven inneren
Auge repräsentieren, machen tatsächlich nur einen Bruchteil der 110
Minuten Laufdauer aus. Es sind die Bilder von geschlossen stehenden Menschenformationen
auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, die von den NS-Führern
abgeschritten werden, aus einer Panoramatotalen fotografiert. Die Kamera fährt
in luftige Höhen, und gewährt einen weiten Blick auf die stramm stehenden
Volksgenossen. Sicherlich sind es diese visuell-dramaturgisch ausgefeilten Sequenzen,
die den Ruf des Streifens als filmisches Meisterwerk begründen. Ebenso
besitzt der Film die Reputation, verführerisch, ja hypnotisch auf sein
Publikum zu wirken und den Betrachter widerwillig die Faszination der braunen
Botschaft erfahren zu lassen. Es ist Zeit, für einen Paradigmenwechsel
in der Rezeption des Films, denn: Nichts davon ist wahr. „Triumph des Willens“
ist ein teilweise brillianter, teilweise dröger, hauptsächlich jedoch
langweiliger „Dokumentarfilm“ mit einer klaren propagandistischen Tendenz. Geschildert
wird der siebte Parteitag der NSDAP vom 4. – 10. September 1934. Dieses Spektakel
währte ungefähr eine Woche und war eine fortdauernde Mischung aus
Aufmärschen, Reden und Umzügen der braunen Horden durch die damals
mittelalterlich-pittoreske Stadt Nürnberg. Flankiert jeweils von den jubelnden,
hitlergrüssenden und sich in einem heilsrufenden Delirium zeigenden Volksmassen.
Riefenstahl reichert diese reportagehaft und aufwendig eingefangenen Szenen
mit symbolbehafteten Inserts an: Fahnen, Hakenkreuze, Reichsadler, Grossaufnahmen
diverser Protagonisten oder emphatisch-entrückter Zuschauer. Per se ist
„Triumph des Willens“ somit tatsächlich ein Dokumentarfilm. Riefenstahl
hat zeit ihres Lebens diese Argumentation zu ihrer Verteidigung vorgebracht,
sie hätte ja nichts inszeniert, sondern lediglich das per Kamera dokumentiert,
was ohnehin vorhanden war. Diese Aussage ist, siehe das obige Zitat, natürlich
schon von ihren Auftraggebern als albern entlarvt worden. Zudem negiert Riefenstahl,
eine unzweifelhafte Meisterin der Montage (siehe die Olympiafilme), mit dieser
Argumentationslinie genau diese Kunst.
„Triumph
des Willens“ bedient sich jedoch nicht nur der Mittel der filmischen Reportage.
Die Montage des Streifens ist ebenso einer Schnitt-Gegenschnitt-Ästhetik
verhaftet, einem klassischen Stilmittel des fiktionalen, also inszenierten Films.
Riefenstahl nimmt somit zumindest partiell den modernen Dokumentarfilm im Stile
eines Michael Moore vorweg, welcher die Objekte seiner Betrachtung per Inszenierung
und tendenzieller Montage ebenso dokumentiert wie manipuliert. Die Inszenierung
von „Triumph des Willens“ beschränkt sich jedoch auf die sorgfältig
choreografierten Sequenzen innerhalb des Parteitagsgeländes. Und diese
Szenefolgen machen nur einen geringfügigen Anteil am gesamten Werk aus.
Unbestritten ist, dass „Triumph des Willens“ stilbildend war für ungezählte
Wochenschauen der goebbelschen Propagandamaschine. Ausschnitte aus einer der
letzten Wochenschaufolgen im Berliner Sportpalast sind nahezu eine filmische
Doublette des Riefenstahl-Films: Redner, die Volksmassen, dazwischen geschnitten
einzelne, entrückte Gesichter. Und immer wieder: Fahnen, Standarten. Das
Moderne an „Triumph des Willens“ ist nicht nur filmischer Natur, das mediale
Ereignis dieses Films ist nur Teil einer viel grösseren Inszenierung. Im
Prinzip handelt es sich im Fall der NS-Propaganda um eine Vorwegnahme der Bündelung
aller medialer Mittel, so wie in der modernen Werbung. Das politische und visuelle
Marketing geht einher mit einer „Markenbildung“ die Hitler heisst, und der Kreierung
einer CI per Fahne, Swastika und faschistoider Protzbauten.
Doch
diese Stilmittel können kraft ihrer ureigenen geistig-rückständigen
Provenienz auch kontraproduktiv der Intention ihrer Macher gedeutet werden:
Viele Sequenzen des Films sind, auch ästhetisch-visuell, dem eher provinziell-miefigen
Geist von Feldlager und Turnveranstaltung verhaftet. Endlose Sequenzen von Scharen
begeisterter Volksgenossen beim morgendlichen Waschgang, bei Freizeitvergnügen
und Müßiggang, bei der Vorbereitung zum Aufmarsch. Diese Aufnahmen
sind dem Geist der Zeit geschuldet, sie sind wahrlich nicht als avantgardistisch
oder irgendwie bemerkenswert zu bezeichnen. Das gleiche gilt für die filmische
Wiedergabe unzähligen Reden diverser NS-Grössen. Variiert werden Ausleuchtung
(Tag/Nacht) und Personal, aber Einstellungsgrösse und Bildsprache bleiben
eindimensional, langweilig, konventionell. Dies gilt auch für die Reden
Hitlers. Die Literatur zum Thema spricht in diesem Zusammenhang gerne von einer
Inszenierung des „Führers“ durch Riefenstahl. Auch dieser Betrachtungsweise
kann ich nicht vollständig folgen. Wo ist die Inszenierung, wenn Hitler
per Auto durch die Straßen kutschiert wird, auf dem Balkon seines Hotels
steht, die Reihen der Standarten abschreitet? Billigt man mit der Definition
einer Inszenierung solcher Aufnahmen der Regisseurin nicht zuviel Gestaltungswille,
filmische Intention und theatrale Macht zu? Denn tatsächlich musste sich
Riefenstahl nach den Vorgaben des Parteitagsdrehbuchs richten, und nicht umgekehrt.
Ihre Kamera beobachtet tatsächlich nur, und verharrt, wie so oft, in der
Konvention. Verlässt sie diese, bleibt es filmisches Kunsthandwerk, und
nicht Kunst – ein zu grosser avantgardistischer Gestaltungswillen wäre
sicherlich auch von den NS-Auftraggebern als kontraproduktiv gewertet worden.
Und tatsächlich ist es die Montage und nicht die filmische Inszenierung
des Streifens, die Hitler als den Heilsbringer definiert, wie ihn die NS-Propaganda
sich wünschte. Ebenfalls muss ich widersprechen, dass der Film auch heute
noch von politisch-manipulativer Strahlkraft ist. Das offensichtlich Verbrecherische
der Protagonisten und ihrer Reden ist so eindeutig – wen, wer es nicht schon
ist, soll das wozu verführen? Die dümmliche Verzückung der Volksmassen,
die uniformierte Abwesenheit jeglichen Verstandes, die sprachliche Diktion erscheinen
hoffnungslos dämlich und abgeschmackt – das ist zweifellos manipulativ,
aber nicht im Sinne der „Bewegung“. Es ist, im Gegenteil, decouvrierend, denn
der Film dokumentiert sehr genau den geistigen Gehalt des Faschismus. Der heutige
Betrachter, der deutschen Geschichte bewusst, muss von „Triumph des Willens“
ganz entschieden abgestoßen sein.
Fazit:
Der dreifältige Mythos von „Triumph des Willens“ (1. ästhetisch avantgardistisch
und modern, 2. politisch suggestiv und verführerisch, 3. hoher künstlerisch-inszenatorischer
Gestaltungswillen seiner Macherin) hält einer filmischen Analyse nicht
stand. Der Film hält seinem Ruf nicht stand, und bleibt das, was er schon
1934 war: ein qualitativ höchst heterogenes filmisches Propaganda-Machwerk.
Dirk
C. Loew
Dieser Text ist zuerst erschienen in: filmtexte
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Literatur:
-
Hilmar Hoffmann: Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit. Propaganda im
NS-Film.
-
Rainer Rother: Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents.
-
Christa Bandmann/Joe Hembus: Klassiker des deutschen Tonfilms 1930 – 1960.
Triumph
des Willens
Deutschland
- 1935 - 114 min. – schwarzweiß – Dokumentarfilm - Verleih: offen - Erstaufführung:
1935 Kino/29.9.1974 NDR
Produktionsfirma:
Leni Riefenstahl
Regie:
Leni Riefenstahl
Buch:
Leni Riefenstahl
Kamera:
Sepp Allgeier (fotografische Leitung)
Musik:
Herbert Windt
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